Mit der Mode einer Epoche gesellschaftlicher Umbrüche endet der
Überblick der ersten Ebene. Wegen ihrer Seltenheit seien zwei
Objekte erwähnt: In der Ausstellungseinheit "Der Zopf ist ab"
ist unter anderem ein zweiteiliger Anzug von etwa 1805 zu sehen,
der sozusagen ein Urbild der modernen Herrenmode darstellt: Die
bis dahin allein gesellschaftsfähige Kniehose, die culotte, ist
bei diesem Ensemble aus gelber Seide einer langen Hose gewichen,
die mit einer kurzen Jacke kombiniert ist.
Dass Kleidung gerade in dieser von kriegerischen Auseinandersetzungen
bestimmten Zeit Ausdruck politischer Gesinnung sein konnte, belegt
auch ein Damenkleid von 1815/19. Es ist ein Exemplar im Stil der
altdeutschen Tracht, mit dem die Trägerin sich zu nationalen Werten
bekannte.
Während in unserer Darstellung der Mode bis etwa 1820 das Verhältnis
von Damen- und Herrenkleidung als ausgewogen bezeichnet werden
kann, dominiert in den folgenden, auf der zweiten Ausstellungsebene
vorgestellten Epochen die Damenkleidung. Dieses Ungleichgewicht
spiegelt zum einen die Einseitigkeit unseres Sammlungsbestandes,
ist zum anderen aber auch Ausdruck eines grundlegenden Wandels:
Die Männer geben sich seit dem 19. Jahrhundert in ihrer Kleidung
in zunehmendem Maße sachlich, uniform und beständig und überlassen
auffallende Gestaltung, modische Vielfalt und kurzlebige Erscheinungen
den Frauen. Im Ludwigsburger Modemuseum ist nur die klassische
Herrenkleidung mit ihren Grundtypen präsent, die sich im Verlauf
des 19. und 20. Jahrhunderts entwickelt haben. So ist eine Ausstellungseinheit
den dunklen Anzügen der Zeit um 1900 gewidmet, eine andere zeigt
unter dem Motto "Ein Mann für jede Gelegenheit" die Situation
um 1960. Mit Frack, Smoking, Straßen- und Trachtenanzug, Kopfbedeckungen
und den charakteristischen Fliegen aus dem Besitz von Dr. Arnulf
Klett ist hier die vom damaligen Stuttgarter Oberbürgermeister
je nach Anlass gewählte Garderobe versammelt.
Jeweils zeittypische Beispiele stehen für die stilistisch vielfältigen
Erscheinungsformen der Damenmode.
Die Kleider veranschaulichen die Entwicklung von der Stundenglassilhouette
des Biedermeier über ausladende Röcke der Krinolinenzeit und das
Gesäß betonende Turnüren des Historismus bis zu Roben des Jugendstils.
Die Mode des frühen 20. Jahrhunderts ist unter anderem mit Kreationen
von Paul Poiret, von Mariano Fortuny oder auch der Wiener Werkstätten
vertreten. Großen Einfluss auf die Entstehung eines modernen Körperbewusstseins
und damit auch auf die Kleidung des 20. Jahrhunderts hatten die
lebensreformerischen Ideen der Zeit um 1900. Als Vorläufer heutiger
Sport- und Freizeitkleidung sind frühe Badeanzüge und Wandervogelkleidung
zu sehen.
Öffnungszeiten: täglich 10 - 17 Uhr
Führungsvermittlung: 07141 - 18-2004
© Text: Württembergisches
Landesmuseum Stuttgart
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