Der Eurodistrict Strasbourg-Ortenau wurde im Januar 2003 durch
eine gemeinsame Erklärung des französischen Präsidenten
und des deutschen Bundeskanzlers zum 40. Jahrestag des Elysée-Vertrags
zunächst mit dem Vorschlag, einen Eurodistrikt Strasßburg-Kehl
zu bilden, angeregt. Schon im Mai desselben Jahres allerdings
ging die Vorbereitung dahin, den ganzen Ortenaukreis (der ja
bis 1918 eigentlich das rechtsrheinische Umland Straßburgs
gebildet hatte) in die Planungen mit einzubeziehen. Am 7. Oktober
2005 schließlich wurde mit der Unterzeichung der Eurodistrikt-Vereinbarung
im Historischen Rathaus in Straßburg der Eurodistrikt Straßburg-Ortenau
ins Leben gerufen. Die erste Konstituierende Sitzung des Eurodistriktrates,
auf der für ein Jahr der Landrat des Ortenaukreises Klaus
Brodbeck zum deutschen Sprecher und der Präsident der Stadtgemeinschaft
Straßburg, Robert Grossmann, zum französischen Sprecher
des Eurodistrikts Straßburg-Ortenau benannt wurden, fand
am 15. Dezember 2005 statt. Im April hatte der französische
Staat die gemeinsame Bewerbung der Eurodistriktspartner zum französischen
Programm „Aufruf zur Kooperation in Metropolräumen“ angenommen.
Die formelle Gründung des Eurodistrikts innerhalb des Europäischen
Verbunds für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) war im Januar
2010.
Karte: Eurodistrikt Straßburg-Ortenau mit Angabe der Bevölkerungsdichte(© ADEUS
Strasbourg) - Karte im Großformat
Das Bemerkenswerte an der Situation ist, dass mit Straßburg
ein Ballungsraum direkt an einen eher kleinstädtisch-ländlich
strukturierten baden-württembergischen Landkreis angrenzt.
Die Agglomeration Strasbourg umfasst über 468.000 Einwohner
und hat eine Bevölkerungsdichte von 3.472 Einwohner/km² (Zahlen
von 2009, nach Wikipedia sollen hier nach Stand von 2009 757.000,
nach Angabe der Trinationalen Metropolregion Südlicher Oberrhein
553.000 Einwohner nach Stand von 2010 leben) - der Ortenaukreis
dagegen fast 418.000 Einwohner mit einer Bevölkerungsdichte
von 226 Einwohner/km² (Zahlen von 2011).
Blick aus den Vorbergen des Schwarzwalds über die Rheinebene
zu den Vogesen
Die Lahrer Erklärung (Oktober 2008)
Nachdem 2006 verschiedene Expertengruppen ihre Arbeit aufgenommen
und 2007 ihre Arbeitsprogramme verabschiedet hatten, wurden
am 11. Oktober 2008 auf einer Klausurtagung in Lahr mit der
Festlegung der neuen Orientierung des Eurodistrikts die vier
Hauptziele des Eurodistrikts in der „Lahrer Erklärung“ verabschiedet:
- Der Eurodistrict Straßburg-Ortenau soll allen Bürgern
und Bürgerinnen seines Gebiets einen Wertzuwachs bringen – unabhängig
davon, ob sie ein grenzüberschreitendes Leben führen
oder nicht.
- Das Organ des Eurodistricts entscheidet nicht nach Einstimmigkeit,
sondern nach dem Prinzip der doppelten Mehrheit (Mehrheit
jeweils der französischen und der deutschen Stimmen).
- Der Eurodistrict Straßburg-Ortenau muss ein Versuchsfeld
des vereinigten Europa werden – er wird als Territorium
dienen zur Schaffung und zur Überprüfung von Lebensbedingungen
im grenzüberschreitenden Bereich, und seine Ergebnisse werden
auf andere Bereiche dieser Art übertragbar sein.
- Durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit den in Straßburg
ansässigen europäischen Institutionen wird sich der
Eurodistrict Straßburg-Ortenau als in seiner Art einmaliger
europäischer Lebensraum etablieren und von da aus Strahlkraft über
seine Grenzen hinaus haben
Der Eurodistrict Straßburg-Ortenau vereinbart Standards
zur Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung
:
- Luftreinhaltung und Klimaschutz,
- Einschränkung des Pestizideinsatzes auf öffentlichen
Grünflächen,
- Politik des Städtebaus unter Berücksichtigung von
Umweltaspekten,
- Energieeffizienz bei kommunalen Gebäuden,
- Gemeinsame Abfallverwertung,
- Ausbau bestehender und Schaffung neuer Angebote für den Öffentlichen
Nahverkehr,
- Verbesserung des Zugangs zu räumlich nahe liegenden
medizinischen Einrichtungen,
- Entwicklung einer gemeinsamen Tourismuskonzeption unter ökologischen
Gesichtspunkten.
Der Eurodistrict Straßburg-Ortenau setzt seine Arbeit
mit den bis dahin erfolgreich angestoßenen Projekten
fort. Folgende Projektfelder bleiben vorrangig :
- Unterricht und Bildung (Zweisprachigkeit des Gebiets, Schaffung
grenzüberschreitender Ausbildungsgänge in Handwerk
und Einzelhandel)
- Gesundheit (Zusammenarbeit der Hilfsdienste, Zusammenarbeit
bei epileptischen Erkrankungen, Einführung einer im ganzen
Gebiet gültigen Gesundheitskarte)
- Öffentlicher Nahverkehr (Straßenbahnverbindung von
Straßburg in die Ortenau, Einführung eines Ferienpasses
für Schüler auf dem ganzen Gebiet des Eurodistrict)
- Arbeitsförderung (Zusammenarbeit der Agentur für
Arbeit und der ANPE )
- Kultur ( kultureller Kalender des Eurodistrict, gemeinsame
Veranstaltungen und Festivals)
- Treffen und Begegnungen (Fahrradfest und Wandertag des Eurodistrict,
europäisches Picknick)
- Freizeit ( grenzüberschreitender Ausflugsführer mit
Fahrplänen, grenzüberschreitendes Netz von Fahrradwegen,
grenzüberschreitende Karte der Sportstätten und Schwimmbäder)
- Wirtschaft (Steuerliche Regelungen für Arbeiter und Unternehmen
im grenzüberschreitenden Bereich)
- Sicherheit (grenzüberschreitende Kriminalprävention)
Declaration de Lahr (frz., eigene Übersetzung), vgl. auch
den Schlussbericht "Metropolraumprojekt Eurodistrict Straßburg-Ortenau"
"
Passerelle des deux rives", die Rad- und Fußgängerbrücke
zwischen Kehl und Straßburg, wurde 2004 zur Landesgartenschau
in Kehl zur Verbindung der beiden Grünzonen in Kehl und
Straßburg eingeweiht. Bild: Wikimedia Commons (CC-by-sa
2.0/de-Lizenz)/ Markus Braun
Die Vereinbarung über die grenzüberschreitende Berufsausbildung
trat im September 2008 in Kraft. Nach ihr können Jugendliche
ihre theoretische Ausbildung im Heimatland, die praktische Ausbildung
aber im Nachbarland absolvieren. Der Ausbau der Straßburger
Straßenbahnlinie über den Rhein nach Kehl ist im Planungsstadium.
Der Prospekt DORT - Donnerstags in der Ortenau schließlich
mit kulinarischen und kulturellen Veranstaltungen und Ereignissen
ist zweisprachig. Wie in anderen Kreisen auch gibt es auch in
diesem Rahmen den Kleinprojektefonds „Mein Eurodistrikt“,
in dem grenzüberschreitende Bürgerbegegnungen geplant
und gefördert werden.
Eines der zahlreichen aktuellen Projekte der Eurodistrict ist
die Begleitung des Projekts, das die Straßburger Straßenbahn
über den Rhein nach Kehl führen soll. Damit die Fahrgäste diese
Verbindung optimal nutzen können, müssen alle Informationen,
wie beispielsweise Anzeigen und Fahrpläne, zweisprachig
sein. Der Rat des Eurodistrikts Strasbourg-Ortenau fördert dieses
Projekt mit 100.000 €, die einen Teil der Kosten für
die Übersetzung der Fahrpläne und die Information der Fahrgäste
decken.
Die künftige Brücke über Grenze und Rhein
für die Erweiterung der Linie D nach Kehl. Kombinierte Straßenbahn-, Fußgänger-
und Radfahrerbrücke. Computersimulation
© CTS Strasbourg
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