Unter den Judengemeinden
Mitteleuropas erlangten die Gemeinden von Speyer, Worms und Mainz,
nach den Anfangsbuchstaben ihrer hebräischen Bezeichnung "SchUM"
genannt, in der gesamten jüdischen Welt großes Ansehen. Die dort
tätigen Religionsgelehrten haben seit dem 11. Jahrhundert durch
ihre Lehre und ihre literarische Tätigkeit wesentlich zur Entwicklung
der aschkenasischen Tradition des Judentums beigetragen, die sich
durch Sprache, religiöse Traditionen, Riten und Bräuche von dem
nahezu gleichzeitig in Spanien entstandenen sephardischen Zweig
des Judentums unterscheidet.
Noch im Mittelalter wurden die ursprünglich geographischen Bezeichnungen
auf die beiden heute noch bestehenden Traditionskreise übertragen.
Ebenso haben sich die beiden Traditionskreise durch die geschichtlichen
Entwicklungen seit dem Mittelalter weit über ihr ursprüngliches
Kerngebiet hinaus ausgedehnt.
Trotz der Unterschiede in Tradition und Brauchtum bestanden im Mittelalter
zwischen den Juden von Sepharad und Aschkenas enge religiöse, geistige,
kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen. Über Nordafrika und
Sizilien hielten Juden als Fernkaufleute die wirtschaftlichen und
politischen Verbindungen des christlichen Abendlandes mit der islamischen
Welt und denn fernen Osten aufrecht. In beiden Siedlungsräumen zeichneten
sich die Juden durch ein hohes Bildungsniveau und herausragende
wissenschaftliche Tätigkeit aus. In dieser Epoche wurde die Gesellschaft
in Europa in ihrer Geistesgeschichte wesentlich durch das Judentum
mitgeprägt.
Die Vertreibungen der Juden aus den deutschen Städten im 15. und
frühen 16. Jahrhundert, aus Spanien und Portugal 1492 bzw. 1498
bezeichnen in der jüdischen Geschichte Europas den Übergang vom
Mittelalter zur Neuzeit.
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