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Lisbet und Robert J. Schläpfer - Textile Innovationen 1965 – 1995

Sie brachten die Stoffe zum Funkeln

Mitte der 1960er Jahre bricht auf Stoffen ein wahres Feuerwerk los. Funkelnd, leuchtend und knallbunt kommen sie daher. Schrille Farbkombinationen, überbordende Muster und wilde Geometrie stellen einen deutlichen Bruch mit dem gediegenen Stil der 1950er Jahre dar.

Massgebliche Impulse dafür gehen von der Ostschweiz aus, wo Lisbet und Robert J. Schläpfer neue Massstäbe setzen und die Stoffe zum Funkeln bringen. Legendär ist ihre Klimtkollektion, wo sie die üppigen, goldstrotzenden Motive des österreichischen Jugendstilmalers in Stoff umsetzen. Der Siegeszug der Pailletten, die heute aus der Mode nicht mehr wegzudenken sind, beginnt mit ihnen.

30 Jahre lang – von 1965 bis 1995 – setzt der Innovationsgeist des Ehepaars Schläpfer sowohl bei der Gestaltung der Muster als auch im Bereich der verwendeten Technologien Trends und inspiriert die besten Couturiers der Welt. André Courrèges, Pierre Cardin, Dior und Giorgio Armani greifen gierig nach den Wunderwerken aus dem Hause Schläpfer. Emanuel Ungaro schwärmt von ihrem „extrem verführerischen Erfindergeist“.

Pailettenstoffe aus 30 Jahren. © Textilmuseum St. GallenMut zum Experiment
Sprühende Kreativität gepaart mit Mut zum Experiment macht den Erfolg der Schläpfer-Stoffe aus. Die Realisierung ihrer Entwürfe stellt höchste Anforderungen an Mitarbeiter und Maschinen. „Wir liebten das Spiel mit den Farben“, beschreibt Lisbet Schläpfer. Die Pailletten, Kristallsteine und Tiffanies dann auch auf die Stoffe zu bringen, fordert den Erfindergeist von Robert J. Schläpfer bis zum Äussersten. Die von ihnen gestalteten Stoffe weisen der gesamten Branche den Weg in die Zukunft. Ihre Arbeit prägt bis heute wesentlich das Image der Ostschweizer Stickerei.

Von 16. Oktober 2013 bis 15. Januar 2014 widmet sich die Ausstellung Lisbet und Robert J. Schläpfer Textile Innovationen 1965 – 1995 im Textilmuseum St. Gallen dieser wichtigen Phase, in der sich der Mode- und Lebensstil innerhalb kurzer Zeit tiefgreifend ändert. Auf 150m2 stellen ausgewählte Stickereien, Modelle und hunderte Musterfälze, die das Ehepaar kreierten, den Übergang vom stark traditionell geprägten Stil der 1950er Jahre zu den farbintensiven, modernen Dekoren der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts anschaulich dar.

Bild: Pailettenstoffe aus 30 Jahren. © Textilmuseum St. Gallen

Die Glitzerwelt der Hausmodelle
Im Zentrum der Ausstellung stehen die sogenannten „Hausmodelle“. Sie dienten einzig dazu, den Kunden das Potential der Schläpferstoffe vor Augen zu führen. Schwer mit Pailletten bestickt, netzartig filigran, hauchzarte Schleier – so präsentieren sich die Kleider dem Besucher. „In unserem Archiv füllen diese einzigartigen Modelle lange Schrankreihen“, berichtet Peter Kaeser, der Kurator der Ausstellung und von 1968 bis 2008 im Atelier Schlaepfer als Textildesigner tätig, mit Stolz.

Visuell setzt die Ausstellung auf Kontraste: strenges Schwarz und leuchtendes Pink bestimmen den Raum. Davor entwickelt sich die für Schläpfer so typische Farben- und Glitzerwelt. Aus dem umfangreichen Archiv der Lisbet und Robert Schläpfer-Stiftung stammen neben den Hausmodellen und Musterlaschen auch Zeitungsberichte und Modephotos, die schlaglichtartig die Erfolgsgeschichte der beiden illustrieren.
Eine eigene Vitrine widmet sich den von Gustav Klimt inspirierten Stickereien, eine andere den funkelnden Tiffany-Kollektionen. Entlang der Wände geben Musterlaschen mit flirrenden oder knallbunten Stickereien über 30 Jahre Einblick die facettenreiche Welt des Entwerferpaares.

Grenzenlose Fantasie als Unternehmenskultur
Die Ausstellung gibt auch Einblick in die ungewöhnliche, heute noch legendäre Unternehmenskultur, die durch das Ehepaar Schläpfer gepflegt wurde. Sie trug massgeblich zu ihrem Erfolg bei. „Imagination ist Einfühlungsvermögen“ beschreibt Robert J. Schläpfer seine spezielle Arbeitsweise.

„Es war einmal“, meint Lisbet Schläpfer, angesprochen auf ihre Arbeit, versonnen. „Es dauert an“ finden hingegen alle, in deren Leben Stoffe, Innovation und Mode eine Rolle spielen.

Rosen der 1970er Jahre. © Textilmuseum St. Gallen
Rosen der 1970er Jahre. © Textilmuseum St. Gallen

Die Lisbet und Robert Schläpfer-Stiftung für sinnvolles schöpferisches Schaffen, St.Gallen
Die Stiftung wurde am 9. September 1986 gegründet. Sie diente dem Zweck Nachwuchskräften und zukunftsträchtige schöpferische Aktivitäten in Forschung, Entwicklung, Kunst, Schule und Wirtschaft durch Stipendien, Zuwendungen, Preise Wettbewerbe zu fördern. Lisbet und Robert J. Schläpfer bestimmten 17 Jahre lang massgeblich die Aktivitäten der Stiftung und erhielten dafür 1988 den Gottlieb Duttweiler Preis des GDI. Der Preis ehrt Persönlichkeiten ehrt, die sich durch hervorragende Leistungen zum Wohle der Allgemeinheit auszeichnen, u.a. erhielten ihn Vaclav Havel, Joska Fischer, Kofi Annan und Roger Schawinski. Die Gelder der Stiftung ermöglichten Kreativitäts- und Improvisationskurse für Lehrer mit Hans Jörg Moser und Jean-Martin Moncéro, dem langjährigem Leiter der Scuola Theatro Dimitri in Verscio/TI.

Im Jahr 2003 kam es zu einer inhaltlichen Neuorientierung. Das Ehepaar Schläpfer zog sich aus dem operativen Geschäft zurück. Im Gegenzug schenkte es seine Textilsammlung mit sämtlichen Musterbüchern und allen Kollektionsteilen der ehemaligen Jakob Schläpfer & Co. AG und der Willy Zürcher AG sowie von Modellkleidern, Modefotos und Pressebüchern aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sowie Stickerei-Metragen und einer grösseren Anzahl historischer Maschinen und Apparate der Stiftung. Die Sichtung und Ordnung sowie Konservierung dieser Textilsammlung sowie Vorbereitung der Präsentation liegt bei Peter Käser, der viele Jahre lang als Designer für die Firma Jakob Schläpfer tätig war.

Aus diesem reichen Fundus stammen die Objekte der hier gezeigten Ausstellung Lisbet und Robert J. Schläpfer Textile Innovationen 1965-1995, die das innovative und kreative Wirken der Eheleute Schläpfer und ihrer Mitarbeiter würdigt.

Texte & Bilder: Textilmuseum St. Gallen

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