Projekt kulturer.be
Ab dem 26. Juni 2013 geht es in der Ausstellung „Sammlungswelten – Die Welt in Schachteln“ im Textilmuseum St. Gallen ums Sammeln: Was macht eine Sammlung aus? Was treibt Sammler an? Warum sammeln sie? Und wo liegt die Grenze zwischen Sammelleidenschaft und Sammelwahn? Um diese und andere Fragen dreht sich die Ausstellung.
Ein Wäschekorb gefüllt mit liebevoll bewahrten Kinderkleidern und Tischdecken findet hier ebenso seinen Platz wie Textilien der berühmten Sammlung Leopold Iklés oder die Garnrollen der Restauratorin des Museums. Rund um Sammlungen, die dem Textilmuseum in der Vergangenheit überlassen wurden entwickeln sich spannende Geschichten über die Sammlerpersönlichkeiten und die Motive, die sie antrieben. Ursula Karbacher, die Kuratorin der Ausstellung, bringt die grosse Welt des Sammelns in eine neue Ordnung.
Happy Birthday
Warum dieses Thema? Das Textilmuseum St. Gallen feiert heuer
den 150. Geburtstag seiner Sammlung: Im Jahr 1863 begann das
Kaufmännische Directorium St. Gallen systematisch Gewebemuster
als Vorlagen für die heimischen Textilproduzenten zu sammeln.
Diese sogenannten Abonnements bilden den Grundstock der heutigen
Museumssammlungen. „Wir wollen zu diesem Anlass nicht
die typische Jubiläumsausstellung mit den bereits bekannten
Highlights des Museums machen“, erklärt Michaela
Reichel, die Direktorin des Textilmuseums, „uns interessiert
viel mehr, wie Sammlungen zustande kommen, denn ohne die vielen
verschiedenen Sammler gäbe es schliesslich das Museum
nicht.“
Sammeln zum Gebrauch © Textilmuseum St. Gallen
Zwischen Leidenschaft und Wahn, Ordnung und Chaos
Die Motive, warum Menschen sammeln sind vielfältig und nicht
immer auf den ersten Blick erkennbar, weiss Ursula Karbacher,
die Kuratorin der Ausstellung. „Kaum ein Sammler äussert
sich dazu, warum er was sammelt. Doch sagt die Sammlung selbst – und
wie mit ihr umgegangen wird – ebenfalls viel über
den Menschen aus, der dahintersteckt.“ Die Freude am Schönen,
Wunsch nach Bildung oder Repräsentation, Leidenschaft, Bewahren
von Erinnerung treiben Sammler an. Aber gleichgültig, wie
und was gesammelt wird, immer geht es um Ordnung: Sammeln bringt
die Welt im Kleinen in eine überschaubare Struktur. Das
gilt für die penibel katalogisierte Museumssammlung ebenso
wie für den chaotisch wirkenden Messie-Haushalt. „Auch
wenn es für Aussenstehende völlig irrwitzig wirkt,
steckt System dahinter“, weiss Reichel.
Welten in Schachteln © Textilmuseum St. Gallen
Vielfalt und Gleichartiges
Die „Sammlungswelten“ bieten dem Textilmuseum St.
Gallen die Möglichkeit, Dinge, die bisher noch nie gezeigt
wurden, unter einem ganz neuem Blickwinkel zu präsentieren. „Meist
sind nur wenige Stücke aus den einzelnen Sammlungen bekannt.
Jetzt gibt es die Gelegenheit zu zeigen, wie breitgefächert
z.B. Iklé und Jacoby sammelten“, streicht Karbacher
heraus. Von bestickten Westen des 18. Jahrhunderts bis zu hoch
qualitativen volkskundlichen Arbeiten aus Südosteuropa und
dem Orient spannt sich der Bogen.
Die Ausstellung stellt so unterschiedliche Sammlerpersönlichkeiten wie Leopold Iklé, Charlotte Bing-Hübner, John Jacoby, Gertrud Schmid-Mettler, Johann Ulrich Gröbli, Friedrich Fischbach, die Schweizer Textilfachschule, Hanni Zahner, Margarita Eva Hatschek und Erna Rothenhäusler-Šaj einander gegenüber. Dass Kostüme aus dem Theaterfundus und Garnrollen auch ihren Platz in dieser Ausstellung finden, mag auf den ersten Blick verwundern. „Das sind Sammlungen der besonderen Art, die nach ganz eigenen Regeln funktionieren: Sie sind zum Gebrauch bestimmt“, meint Reichel. Eine eigene Kategorie bilden noch die Nicht-Sammler mit ihren „Ansammlungen“.
„Ein Ding führt mehrere Leben“
sind sich Kuratorin und Direktorin einig. Den Weg, den Dinge
nehmen bis sie im Museum landen, und wie sie sich dabei verändern,
zeichnet die Ausstellung im Abschnitt „Museum und Sammeln“ nach.
Ein Paradebeispiel dafür ist die Sammlung Isidor Grauer,
die in der Textilbibliothek im ersten Stock des Hauses zu bewundern
ist. Einst standen die Bücher, Zeitschriften, Musterbücher
und Textilien allen Mitarbeitern der Firma frei zu Verfügung.
Heute zählen sie – sorgsam gehütet und weggesperrt – zu
den Kostbarkeiten des Museums. „Sichtbar, aber nicht
greifbar“, bringt es die Direktorin auf den Punkt.
Berge von Schachteln
Die Szenographie der Ausstellung stammt wieder vom Luzerner Bernhard
Duss. Er nimmt den Untertitel der Ausstellung „Die Welt
in Schachteln“ wörtlich. In den Räumen breitet
sich eine Landschaft aus Schachteln aus, in der die Ausstellungsobjekte
ihren Platz finden. Die Vielfalt und Verschiedenheit der Exponate
stellt für Duss eine grosse Herausforderung dar. Das Weiss
der Kartons verbindet die unterschiedlichen Ästhetiken
der einzelnen Sammlungen. „So lassen sich Nähnadeln,
Theaterkostüme und kostbare Stickereien aus dem 18. Jahrhundert
optisch zusammenführen. Die brachiale Form der Schachteln
steht einerseits in Kontrast zu den kostbaren Textilien, unterstreicht
anderseits aber auch den Aspekt der Ordnung, der zum Sammeln
gehört“, beschreibt Duss sein Konzept.
Texte & Bilder: Textilmuseum St. Gallen
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