Der
Kardinal
Der
jüngste Sohn des Kurfürsten Johann Cicero von Brandenburg
machte eine ungewöhnlich steile kirchliche Karriere. Nach
kurzem Studium und baldigem Eintritt in den geistlichen
Stand wurde er schon mit 23 Jahren Erzbischof von Magdeburg,
im Jahr darauf auch Erzbischof von Mainz und Kurfürst und
1518 Kardinal. Sein Aufsehen in der Geschichte rührt aber
weniger von der verschwenderischen Prachtentfaltung, mit
der er seine Macht schmückte, als vielmehr von seiner Rolle
im Ablass-Vertrieb jener Zeit. Er ließ auf seinem Territorium
über den Dominikaner Johann Tetzel den Ablass verbreiten,
den Papst Leo X. zugunsten des Baus des Petersdomes und
zur Begleichung der Schulden Albrechts beim Vatikan verkündet
hatte. Das war der Anstoß für die "95 Thesen" Martin Luthers,
der bald zu seinem schärfsten Widersacher wurde. Die Wortgewalt
von Luthers Schmähreden gegen Albrecht hat das Bild dieses
Kirchenfürsten nachhaltig geprägt. Dabei ist in den Hintergrund
geraten, dass durch sein Wirken sowohl der Humanismus als
auch die Renaissance in Deutschland wesentlich vorankamen.
Albrecht ist einer der bedeutendsten Köpfe der frühen Neuzeit.
Geistesgeschichtlich von Bedeutung ist, dass Albrecht den
Humanisten Ulrich von Hutten an seinen Hof berief und dass
er mit Erasmus von Rotterdam korrespondierte. Er stand auch
innerkirchlichen Reform-Strömungen nahe, berief angesehene
Theologen an sein Stift. Albrecht hatte aber auch großen,
heute kaum noch zu ermessenden Einfluss auf die Kunst- und
Kulturgeschichte. Der zentrale Schauplatz dieses Wirkens
war Halle. Er machte die Stadt zu seiner bevorzugten Residenz
und trieb ihre städtebauliche Entwicklung mit dem Aus-,
Um- und Neubau von Moritzburg, Stiftskirche (Dom), Residenz
und Marktkirche voran. In Halle entfaltete er seine Kunstpolitik.
Zu den Künstlern, die er an seinen Hof holte, zählten außer
Cranach der Ältere mit Werkstatt vor allem Albrecht Dürer,
Sebald Beham und Matthias Grünewald. Der Dom quoll über
mit prachtvoller Ausstattung. Das "Hallesche Heiltum", das
Albrecht in der Kirche einrichtete, bildete die Speerspitze
einer religiösen Offensive, die er auf seine rekordverdächtige
Reliquiensammlung stützte. Sie zählte gut 8.100 Partikel
und 42 ganze Körper. Er bot sie in kostbaren Reliquiaren
dar. Die Kunst war für Albrecht ein Instrument katholischer
Propaganda - keine Gegenreformation, sondern Ausdruck der
kulturschaffenden Kraft des alten Glaubens. Seine Position
in der Stadt war immerhin so stark, dass die Reformation
nur sehr zögerlich vorankam, weil sich der Rat lange Zeit
mit Albrecht arrangierte und davon profitierte. Halle sympathisierte
mit der Reformation, entwickelte aber keine breite Bewegung.
Was Albrecht zum Verhängnis wurde, war die Kehrseite seiner
Prachtentfaltung, die Schuldenlast. Das Magdeburger Domkapitel
zwang ihn zu demütigenden Zugeständnissen im Gegenzug für
eine neue Steuerbewilligung.
Albrecht fürchtete um seinen Kunstbesitz. Schon vor 1540
plante er den Rückzug aus Halle nach Mainz und wollte auch
seine Kunstschätze und Reliquien dorthin überführen. Hochfliegende
Pläne für ein monumentales Grabmal im halleschen Stift gab
er auf. Der Umzug fand tatsächlich im März 1541 statt. In
der Stiftskirche packte Albrecht alles ein, das nicht niet-
und nagelfest war.
Doch war dieser Rückzug auch unausweichlich geworden, weil
sich alle benachbarten Fürstentümer, zuletzt 1539 auch noch
Albrechts Stammland Brandenburg, zur Reformation bekannt
hatten. 1545 starb Albrecht in Mainz, de facto entmachtet
und verarmt.
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