Sammlung – Depot und Repräsentation
Hatte ein Gast die Ehre, die Kunstkammer besichtigen zu dürfen,
folgte der Besuch einem bestimmten Prozedere: Er wurde durch
die einzelnen Räume geleitet, die Türen der Sammlungsschränke
wurden geöffnet und die Kostbarkeiten, die teilweise in
aufwendigen Futteralen aufbewahrt waren, wurden herausgeholt.
Das Öffnen und Enthüllen der Sammlung war geeignet,
das Erstaunen zu steigern und dessen Wertschätzung zu unterstreichen.
Dabei stand der kenntnisreiche Austausch über die Objekte
im Mittelpunkt. Nicht zuletzt sollten sich die herzoglichen Nachkommen
in Konversation üben und ihre Bildung beweisen. Auf Tischen
wurden Objektgruppen arrangiert und miteinander verglichen. Bücher
dienten der Vertiefung der Kenntnisse, Kataloge anderer Sammlungen
zum Vergleich und zur Vorbereitung von Ankäufen. Zu den
beliebtesten Gegenständen in einer fürstlichen Kunstkammer
zählten repräsentative Möbel, reich geschmückte
Kästen, Schmuck, Münzsammlungen und kostbare Geschirre.
Ebenso hoch schätzte man seltene Objekte der Natur oder
Exotika.
Viele der kostbaren Sammlungsstücke waren ursprünglich
bei einem der großen Feste in Gebrauch, die anlässlich
von Taufen, Hochzeiten oder Geburtstagen veranstaltet wurden
und die der höfischen Repräsentation dienten. Bei diesen
Festen wurden zahlreiche Geschenke mitgebracht und ebenso viele
an die Gäste verteilt. Prächtige Kleidung wurde mit
kostbarem Schmuck zur Schau gestellt. Zudem waren vielfältige
Spiele, wie Tuniere und Trinkspiele, eine beliebte Unterhaltung.
Bei den Schauessen, die an den mehrtägigen Festen gegeben
wurden, waren die Tafeln mit Silbergeschirr und aufwendigen Tafelaufsätzen überladen.
Was dort keinen Platz fand, wurde den Gästen auf mehrstufigen
Aufbauten, den „Tresoren“, präsentiert.
Besonders reizvoll waren „kostbare Trinkgeschirre mit
fantasievoll seltsam Thier, die man nicht findt in der Refier“.
Dabei handelte es sich um gestaltete Kristallgefäße.
Das Essen wurde zu einem einzigartigen Kunstgenuss ausgestaltet:
Lautenmusik unterhielt die Gäste. Figuren, Architekturen
und Landschaften aus Zuckerwerk schmückten die Tafeln. Trinkspiele
fuhren über die Tische und animierten die Gäste zu
großem Weinkonsum. Junge Adlige tranchierten theatralisch
Geflügel in der Luft und bewiesen so ihre Hoffähigkeit.
Im Anschluss an das Bankett fand im Lusthaus der Tanz statt.
Alle Sinne und Emotionen wurden so stimuliert.
Häufig fanden die bei Festen gebrauchten Raritäten
und Kunstgegenstände – vom Schmuckstück bis zum
Zierpokal – später Eingang in die Kunstkammer, meist
mitsamt den kunstvoll gefertigten Kästchen und Schatullen,
die zu ihrer Aufbewahrung dienten. In gewisser Weise war die
Kunstkammer also auch ein Depot für opulenten Fest- und
Tafelzierrat, der aus der Mode gekommenen war.
|