Landesmuseum Württemberg


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Ahne, Heros, Totenbild

 

Die Statue des Kriegers von Hirschlanden

Zu den eindrücklichsten Bildwerken der europäischen Eisenzeit zählen große, menschengestaltige Steinbildnisse, sogenannte Stelen, die auf oder in unmittelbarer Nähe der Grabhügel aufgestellt waren. Die Bandbreite reicht von einfachen Platten und Blöcken mit stark stilisierten menschlichen Gesichtszügen und Armen bis hin zu ausgearbeiteten lebensgroßen Statuen wie dem berühmten „Krieger von Hirschlanden“ aus der Zeit um 500 vor Christus, der ältesten vollplastischen Großskulptur Mitteleuropas, und heute eines der Glanzstücke der eisenzeitlichen Sammlungen des Landesmuseums Württemberg.

Die noch 1,50 m große Statue wurde 1962 am Fuße eines eisenzeitlichen Grabhügels gefunden und stellt einen nackten Mann mit erigiertem Geschlechtsteil dar. Die Statue ist aus einem grobkörnigen Stubensandstein herausgearbeitet, der nur 6 km südlich der Fundstelle ansteht. Die lokale Steinmetzarbeit lässt neben den Spuren eines Spitzeisens auch die eines Flacheisens erkennen – ein innovatives, bis dahin in Mitteleuropa unbekanntes bildhauerisches Verfahren.

Krieger von Hirschlanden. Ditzingen-Hirschlanden, Kreis Ludwigsburg, um 500 v. Chr. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart
© P. Frankenstein, H. Zwietasch; Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

Die Figur trägt die typischen Rangabzeichen der frühkeltischen Elite, wie sie in identischer Kombination aus dem nur wenige Kilometer entfernten „Fürstengrab“ von Hochdorf belegt sind: einen Halsring, einen Antennendolch, einen Gürtel und einen kegelförmigen Hut. Während die muskulösen Beine plastisch herausgearbeitet sind, bleibt der Oberkörper mit den dünnen, eng anliegenden, vor der Brust gekreuzten Armen und den seltsam hochgezogenen Schultern brettartig flach. Die Füße oder ein Sockel wurden trotz der vollständigen Ausgrabung des Hügels nicht gefunden, und so bleibt der ursprüngliche Standort der Figur unbekannt. Das eigenartig schematisierte, wie nach unten verrutschte Gesicht wird von manchen Forschern als Maske gedeutet. Ikonografisch ähnliche Merkmale zeigen menschengestaltige Steinbildnisse aus dem Mittelmeerraum, wie der „Krieger von Capestrano“ aus den Abruzzen, oder Steinfiguren aus dem Picenum und Istrien, die wohl Pate für die im späten 6. Jahrhundert vor Christus entstandene Statue aus Hirschlanden gestanden haben. Aus der eigentümlichen Körperhaltung der freistehend und rundherum sichtbar aufgestellten Figur schließt man, dass hier ein Verstorbener, ein verehrter Ahne abgebildet wurde. Eine wie der Krieger von Hirschlanden nackt dargestellte frühkeltische Figur aus der Saône bei Seurre zeigt, dass man auch mit einer kaum abzuschätzenden Anzahl von entsprechenden Bildwerken aus Holz zu rechnen hat.

Eine unmittelbare Verbindung der Statue von Hirschlanden mit einer Bestattung im Hügel lässt sich nicht herstellen, da keines der Grabinventare die dargestellten Würdezeichen enthielt. Dies deutet darauf hin, dass es sich um das idealisierte Abbild eines Angehörigen der lokalen Elite handelte, um die kanonische Form eines zumindest regional gültigen Herrschaftsbildes, das auf die Wahrnehmung der lokalen Bevölkerung ausgerichtet war. Die regelmäßigen Bruchkanten oberhalb der Knöchel lassen vermuten, dass die Statue absichtlich von ihrem ursprünglichen Standort entfernt und neben dem Hügel deponiert wurde. Möglicherweise hatte sie im Zusammenhang mit dem Ende der Fürstensitze und dem Niedergang der ansässigen Eliten ihre religiöse und politische Bedeutung verloren.

Der Krieger von Hirschlanden ist der faszinierende Zeuge einer Zeit, in der Südwestdeutschland mit der ersten Nennung der Keltoi an den Quellen der Donau ins Licht der Geschichte trat. Er illustriert das Bild einer Gesellschaft an der Schwelle zur Hochkultur, die vor 2.500 Jahren bereits auf eine lange, wenngleich nicht schriftlich überlieferte Geschichte zurückblicken konnte.

    Intro unter Verwendung von Bildern von Ausstellungsobjekten© LMW
Plakat & Text: LMW

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