6000 Jahre Pfahlbauten

Texte:

Das Haus - mehr als nur Wohnen

Pfahlbauten in Südostasien - Konstruktion, Funktion und Symbolik

150 Jahre Pfahlbauforschung

Gemeinsam leben, gemeinsam wohnen - 6000 Jahre Pfahlbauten

Bilder


Federseemuseum Bad Buchau

13. April bis
1. November 2008

Abgehoben -
6000 Jahre Pfahlbauten in Europa und Südostasien

Das Haus - mehr als nur Wohnen

Nicht jeder hat in unserer Gesellschaft sein eigenes Zuhause, eingebunden in eine überschaubare Nachbarschaft. Wenige nur leben heute noch in dem Haus, in dem sie ihre Kindheit erlebt haben. Wohnen ist in unserer mobilen Gesellschaft kaum noch mit dem Gefühl einer festen Verbundenheit an eine bestimmte räumliche oder soziale Umgebung verknüpft. Vielfach wohnt man nebeneinander, nicht miteinander, individuell und anonym. Die sozialen Formen des Wohnens und der Wohngemeinschaften haben sich verändert.
Auch in den indigenen Gemeinschaften in Ländern der Dritten Welt hat sich das Bauen und Wohnen mit der Globalisierung und einer verstärkten Mobilität gewandelt. Fast alle dieses Kulturen befinden sich im Umbruch. Doch ist hier in diesen stark traditionell orientierten Gesellschaften immer noch eine starke Bindung des Einzelnen an die Verwandtschaftsgruppe gegeben, die mit dem Elternhaus und der Hausgemeinschaft assoziiert wird. Das gilt insbesondere dort, wo mit dauerhaft errichteten Häusern eine permanente Raumgebundenheit geben ist und sich im Haus die kulturelle Identität manifestiert. Haus und Siedlungsgemeinschaft - das "Dorf" - sind nach wie vor Mittelpunkt ihrer Bezugswelt.

Pfahlbauten in Südostasien - Konstruktion, Funktion und Symbolik

In vielen indigenen Gesellschaften des insularen Südostasiens repräsentiert das Haus die Einheit seiner Bewohner als Teil einer Siedlungs- und Sozialgemeinschaft. Es gibt allen ein Zuhause, den Lebenden und den Ahnen, den Göttern und den Geistern. In diesen Gesellschaften wird das Haus zum Symbol verschiedener Ordnungsprinzipien - es repräsentiert den Kosmos von überirdischer und irdischer Welt.
Ganz besonders kommt dieses Denken in der Konstruktion der Pfahlbauten zum Ausdruck, die in ihrer vertikalen Struktur die Teilung des Makrokosmos in drei Bereiche symbolisieren: Der Dachkörper als Sinnbild der Oberwelt ist Sitz der Götter und der Ahnen, der Wohnbereich als Ort der Lebenden, der ebenerdige Raum zwischen den Pfosten Abbild der Unterwelt. Zudem weist die horizontale Raumaufteilung als weiteres grundlegendes Merkmal der südostasiatischen Architektur jedem Bewohner nach Alter und Geschlecht seinem ihm eigenen Platz zu.
Die beeindruckenden großen Häuser sind oftmals Mehrfamilienhäuser, die dem einzelnen Mitglied eine starke Bindung an die Verwandtschaftsgruppe vermitteln. Es sind Stammhäuser, an die sich die Gruppe gebunden fühlt und die nicht nur soziales, sondern auch religiös-rituelles Zentrum der Familie sind.

150 Jahre Pfahlbauforschung

Als im Winter 1853/54 in Obermeilen am Zürichsee Funde und Pfahlstellungen zum Vorschein kamen, die als Reste vorgeschichtlicher Dörfer erkannt und mit dem Begriff "Pfahlbauten" belegt wurden, löste dies ein wahres Pfahlbaufieber aus. Innerhalb kürzester Zeit wurden an nahezu allen Alpenrandseen und in vielen Mooren Pfahlbausiedlungen entdeckt. Erstmals rückten in Europa Siedlungen der Jungsteinzeit und Bronzezeit in das Blickfeld der noch jungen Altertumsforschung.
Doch angesichts der damaligen Grabungstechnik ließen sich klare Baufunde kaum beobachten. Stattdessen bediente man sich bei der Deutung der Überreste ethnographischer Reiseberichte aus Südostasien und rekonstruierte das Pfahlbaudorf vom Zürichsee nach der Abbildung einer Pfahlbausiedlung von Dumont d`Urville in der Doreh-Bucht im Nordwesten Neuguineas, die zwanzig Jahre zuvor entstanden war.
Die ganz im Geist der Spätromatik und des Historismus getragenen Vorstellungen von Dörfern auf Pfählen wurde schnell populär und avancierte zum Ideal "urzeitlicher Ufer- und Moorsiedlungen". Die Idee vom Dorf, erbaut auf einer Plattform weit draußen im See und nur über einen Steg mit dem Ufer verbunden, hat bis heute zu einer anhaltenden Popularisierung der Pfahlbauten geführt.

Gemeinsam leben, gemeinsam wohnen - 6000 Jahre Pfahlbauten

Mit vielen Mythen hat die moderne Pfahlbauforschung inzwischen aufgeräumt. Dank der systematischen dendrochronologischen Untersuchung der Pfahlfelder in den alpennahen Seen und Mooren ist es inzwischen gelungen, 3800 Jahre Besiedlungsgeschichte - von der späten Jungsteinzeit bis in die frühe Eisenzeit - detailgetreu zu verfolgen.
Zusammenhänge zwischen Siedlungsdynamik, Seespiegelschwankung und Klimaveränderung sowie der Wandel von Siedlungssystemen und Wirtschaftsformen sind ebenso Themen der aktuellen Forschung wie technische Innovationen oder Kulturkontakte.
Und dennoch sind viele Fragen allein anhand archäologischer Daten nur unzureichend zu beantworten: Wie überliefern sich "Familien", "Haushalte" oder andere "soziale Gemeinschaften" im archäologischen Befund? Wie lassen sich soziale Handlungen mit architektonischen Strukturen und archäobiologischen Daten verknüpfen? Und welche sozialen und ökonomischen Interpretationen sind denkbar?
Diesen und anderen Fragen versucht sich die Ausstellung auf spannenden Weise zu nähern. Um Antworten entwerfen zu können, werden unterschiedliche Konzepte der Hauskonstruktion, der Raumordnung und Raumwahrnehmung verschiedener ethnischer Gruppen Kambodschas und Indonesiens präsentiert und den prähistorischen Pfahlbauten aus Mitteleuropa gegenübergestellt.

 
Text & Bild: Federsee-Museum

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