Kunstwerk des Monats
November 2004
- Sammlungsblatt -

Guido Schmitt (Heidelberg 1834 - 1922 Miltenberg)
Bildnis der Mutter, 1848

" Und wären's von Silber und Gold - gleichviel
Ich bleibe bei dem Federkiel. ...
Nun probier mal diese !
Sie sind nicht zu hart und nicht zu weich,
Sie sind dir gleich,
Das heißt nach dem Charakter geschnitten. "
Eduard Mörike

Der vierzehnjährige Guido Schmitt hat bereits viel von seinem Vater, dem Maler Georg Philipp Schmitt, gelernt. Er portraitiert 1848 erstmals seine Mutter in einer Weise, dass man die aquarellierte Bleistiftzeichnung auch für eine Arbeit des Vaters halten könnte. Er zeichnet auf glattes, hellbraunes, kaum handgroßes Papier, das er von beiden Seiten benutzt hat. Auf der Rückseite entdeckt man seinen ersten Versuch, mit dem er wohl so unzufrieden war, dass er ihn mit einem Pinselschlenker durchstrich.

Hier zeigt er seine Mutter noch im Halbprofil mit präzise gezogenem Mittelscheitel. Erwählteinen natürlich schimmernden Hautton, rosige Wangen, rote Lippen, dazu ein violettes Einstecktuch. Auch diese direkte Farbigkeit verwirft er. Er hat das kleine Zeichenblatt umgedreht und zeichnet seine Mutter nun in einer reinen Profilansicht, wie sie sie bereits die italienische Frührenaissance im Anschluss an antike Münzportraits bevorzugte. Diese Darstellungsform bietet ein linear gut fassbares, markantes Individualbild. In einer weniger künstlerisch ausgerichteten Familie wäre man der großen Liebhaberei des 18. und 1 Q.Jahrhunderts gefolgt: der Umriss wäre mit der Schere in ein Stück schwarzes Papier "gezeichnet" und als Silhouetten- oder Scherenschnitt aufbewahrt worden.
Der Sohn zeigt seine Mutter als konzentriert-beschäftigte Frau. Lichtglanz fällt nun auf ihre schwarzen Haare, die zu einem kleinen Knoten auf dem Hinterkopf gedreht und mit einem schwarzen, filigran mit der Pinselspitze gezeichneten Spitzenbändchen verziert sind. Sie trägt ein einfaches, über der Brust gefälteltes, grauviolettes Kleid mit langen Ärmeln, ein helles Tuch um den Hals geschlungen, das in den kleinen runden Ausschnitt gesteckt ist. Als Schmuck trägt sie an der linken Hand einen schmalen Ehering. Dünne, dunkle Haarsträhnen haben sich aus ihrer Frisur gelöst und ringeln sich in zarten Linien um das präzise gezeichnete Ohr, an dem ein kleiner, tropfenförmiger Perlohrring hängt.
Guido Schmitt beobachtet und veranschaulicht ein alltägliches Geschehen in einem Künstlerhaushalt: Was tut Frau Schmitt da eigentlich? Sie blickt auf ihre vor die Brust gehaltenen Hände. Darunter entdeckt man kleine Schnipsel in der Mitte am unteren Bildrand. Eva Katharina Schmitt, geborene Kaysser (1808 - 1888), ist dabei, einen Federkiel zuzuschneiden. Sie führt das schwarze Federmesserchen von sich weg, um dem rundlichen Ende einer Gänsefeder eine schreib- oder zeichentaugliche Spitze zu schneiden. Guido Schmitt portraitiert diese wichtige Vorarbeit fürs Zeichnen gleich mit.
Der Gänsekiel ermöglicht dem Zeichner einen feineren Strich entgegen dem ursprünglichen Instrument, der Rohrfeder. Bereits im ^.Jahrhundert beschreibt der Maler Cennini ausführlich das Zurichten von Gänsefedern. Mit dem Federmesser wird die Spitze nachgeschnitten und dann von innen angeritzt, so fließt die Tinte oder Tusche auch bei leichtem Druck.
Im März 1833 lernen sich der Maler Georg Philipp Schmitt und die Bäckerstochter Eva Kaysser kennen. Sie heiraten, 1834 wird ihr erster Sohn Guido geboren. Als dieser die Mutter malt, ist sie vierzig Jahre alt, sechs Kinder hat sie geboren. Er portraitiert in den nächsten Jahren immer wieder die Familie bei verschiedenen Tätigkeiten: den Jüngsten schlafend auf einem prallen Kissen, die Mädchen strickend, lesend, träumend, in blauen, grünen oder violetten Kleidern, die dem der Mutter gleichen. 1852 malt Guido Schmitt ein Ölbild der Mutter. Wir sehen auf diesen Bildern nicht die berühmten Frauengestalten der Romantik sondern Heidelberger Mädchen und Frauen - Katharina, Elise, Josephine, Amalie - die in ihrer "Anmuth als Krone der weiblichen Schönheit" gezeigt werden. Es sind die zu ehrenden Frauen, die "flechten und weben himmlische Rosen ins irdische Leben", sie sind die "Töchter mit schamhafter Sitte, treue Töchter der frommen Natur". Diesen "liebenden Fleiß" zeigt der jugendliche Maler, die "züchtige Hausfrau, die Mutter der Kinder" (Friedrich Schiller).
Der Vater unterrichtet seine beiden Söhne (über die Töchter ist nichts zu erfahren, außer dass sie ledig bleiben), fördert ihre künstlerischen Fähigkeiten. Er portraitiert Guido 1848, malend, die Zeichenmappe auf den Knien, mit Wasserglas und Pinsel, als jungen, angehenden Künstler, der genau die Farben auf seiner Palette hat, mit denen er im gleichen Jahr seine Mutter malt: blau, schwarz, gelb, rot. Guido ahmt nach, probiert, übt sich in verschiedenen Techniken. Das realitätsorientierte Porträtieren ermöglicht ihm 1859 eine Künstlerkarriere in England, dort lebt und arbeitet er fast dreißig Jahre lang.
Guido Schmitt kehrt 1885 nach Heidelberg in das Elternhaus am Klingenteich 6 zurück, 1922 stirbt er fast neunzigjährig auf einem Spaziergang.

Angelika Dirscherl

Literatur:
Jos. Aug Behringer, Badische Malerei, Karlsruhe 1922
Karl Lohmeyer, Die Romantikerfamilie Schmitt - Ein Jahrhundert Heidelberger Kunst, Heidelberg 1923
Karl Lohmeyer, Heidelberger Maler der Romantik, Heidelberg 1935
Andreas Franzke, Georg Philipp Schmitt, Karlsruhe 1977 Eduard Mörike, Ges. Werke, München 1977, S. 263
Cennino Cennini, Das Buch von der Kunst oder Traktat der Malerei, um ca. 1390, insb. Kap. 14, Hrsg, A. Mg, Wien 1871
Georg Himmelheber, Kunst des Biedermeier, München 1988
Friedrich Schiller, Gedichte, Stuttgart 1999, S. 70
u. S.220 ff.
Carl-Ludwig Fuchs/S. Himmelheber (Hrsg.), Biedermeier in
Heidelberg 1812 -1853, Heidelberg 1999
 
Bildnis der Mutter, 1848
Aquarell über Bleistift,
150 x 117 mm
Inv. Nr. Z 2270

 
 
siehe auch: Sammlungsblatt
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