Kunstwerk des Monats
November 2004

Guido Schmitt (Heidelberg 1834 - 1922 Miltenberg)
Bildnis der Mutter, 1848

1848 zeichnet der vierzehnjährige Guido Schmitt seine Mutter erstmals auf eine Weise, dass man die aquarellierte Bleistiftzeichnung auch für eine Arbeit des Vaters halten könnte - in einer Profilansicht, wie sie bereits die italienische Frührenaissance im Anschluss an antike Münzportraits bevorzugte. Diese Darstellungsform bietet ein linear gut fassbares, markantes Individualbild. In einer weniger künstlerisch ausgerichteten Familie wäre man der großen Liebhaberei des 18. und 19.Jahrhunderts gefolgt: der klare Umriss der verehrten oder geliebten Person wäre mit der Schere in ein Stück schwarzes Papier "gezeichnet" und als Silhouetten- oder Scherenschnitt aufbewahrt worden.

Eva Katharina Schmitt, geborene Kaysser (1808 - 1888), ist dabei, einen Federkiel zuzuschneiden. Sie führt das schwarze Federmesserchen von sich weg, um dem rundlichen Ende einer Gänsefeder eine schreib- oder zeichentaugliche Spitze zu schneiden. Ihr Ehemann und ihr Sohn zeichnen damit Landschaftsskizzen und vor allem Portraits. Sie sind wie alle Zeichner froh über einen Vorrat an gutgeschnittenen Federn. Guido Schmitt portraitiert diese wichtige Vorarbeit fürs Zeichnen gleich mit.
Inmitten einer harmonischen Familie entwickelt Guido unter Anleitung seines Vaters, der auch den jüngeren Bruder unterrichtet (über die Töchter ist nichts zu erfahren, außer dass sie ledig bleiben), seine künstlerischen Fähigkeiten. Er probiert, ahmt nach und übt sich ständig in verschiedenen Techniken. Das realitätsorientierte Portraitieren ermöglicht ihm 1859 eine Künstlerkarriere in England, wo er fast 30 Jahre lang lebt und arbeitet.
Guido Schmitt kehrt 1885 nach Heidelberg in das Elternhaus am Klingenteich 6 zurück. 1919 erhält er das Ehrenbürgerrecht der Stadt, 1922 stirbt er fast neunzigjährig auf einem Spaziergang.
Das kleine "Bildnis der Mutter" wurde im Familienbesitz - wie heute eine schöne Photographie - sorgfältig aufbewahrt und kam 1953 als Geschenk in die Graphische Sammlung des Kurpfälzischen Museums der Stadt Heidelberg.

Text: Angelika Dirscherl

Bildnis der Mutter, 1848
Aquarell über Bleistift,
150 x 117 mm
Inv. Nr. Z 2270

 
 
siehe auch: Sammlungsblatt
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