Die Welt der Kelten


Kostbarkeiten der Kunst

 

Raumtexte aus der Ausstellung

Wer waren die Kelten?
Um 500 v. Chr. werden „Kelten“ erstmals in griechischen Schriftquellen erwähnt. Für ihre Lokalisierung in Mitteleuropa nennt der Historiker Herodot „die Quellen der Donau“. Bereits im 8. Jahrhundert v. Chr. bildet sich in Ostfrankreich, Schweiz und Süddeutschland eine eigene Kulturgruppe, die Hallstatt-Kultur, heraus, die im 5. Jahrhundert v. Chr. in die Latène-Kultur übergeht. Im 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. tauchen in Italien, auf dem Balkan, Griechenland und Kleinasien immer wieder als „Kelten“ bezeichnete Völkerschaften auf, die zwar nie eine „keltische“ Nation bilden, jedoch Gemeinsamkeiten in Kunst, Handwerk, Religion und Sprache aufweisen. Mit der römischen Eroberung ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. entsteht eine „gallorömische“ Mischkultur eigener Ausprägung. Obwohl in Großbritannien und Irland wohl nie „Kelten“ lebten, wird die Tradition der „keltischen“ Kunst dort bis ins frühe Mittelalter fortgeführt.

Was ist Kunst?
Diese Frage wird von jedem Menschen anders beantwortet. Schon vor 2500 Jahren hatte der griechische Philosoph Platon seine ganz eigene Vorstellung: Bereits die Idee, einen Gegenstand zu schaffen, und ihre konkrete Umsetzung seien Kunst, denn die Idee zeige die Wahrheit.

Demzufolge wird jeder „gut durchdachte“ Alltagsgegenstand zu Kunst, jeder einfallsreiche Handwerker zum Künstler. Kunst ist aber nicht nur eine Frage des Schaffens, sondern auch des Empfindens und Erkennens. Was sehe ich in einem Objekt? Was empfinde ich als künstlerisch wertvoll, bedeutsam und ästhetisch? Muss Kunst überhaupt „schön“ sein? Und ist das nicht alles Geschmackssache? Auf die Frage, was Kunst ist, gibt es eigentlich nur eine Antwort: Kunst liegt im Auge des Betrachters.

Kunst und Kelten
Barbarisch und primitiv, so wurde die keltische Kunst im Vergleich zur zeitgleichen Kunst der Klassischen Antike noch bis in unsere Zeit angesehen und führte deshalb lange Zeit ein Schattendasein. Dabei ist dies nicht nur aus ästhetischen Gründen ungerechtfertigt: Künstlerische Äußerungen jeder Art zeigen den technologischen Stand der Gesellschaft, geben Aufschluss über das Selbstverständnis der Künstler und der Auftraggeber und sind immer eine aufschlussreiche Quelle über sozialgeschichtliche Hintergründe.

Weil die keltische Kunst lange Zeit unterschätzt wurde, begann ihre Erforschung sehr spät. Paul Jacobsthals Studie von 1944 – „Early Celtic Art“ – gilt auch heute noch als Standardwerk zur keltischen Kunst. Erstmals wurden einzelne Stile unterschieden, Entwicklungslinien aufgezeigt und diese räumlich sowie zeitlich geordnet; die Unterteilung in den Frühen Stil, den Waldalgesheimstil und die Späten Stile ist noch heute üblich.

In den letzten Jahrzehnten konnten diese Erkenntnisse vertieft und erweitert werden, sodass die keltische Kunst als erster Beitrag des Norden zur Kunstgeschichte Europas bezeichnet werden kann.

„Rauten, Linien, Rechte Winkel – die Liebe zur Geometrie.“
8.-5. Jahrhundert v. Chr.

Ob Keramik, Textilien oder Metall, ob Gebrauchsgegenstände oder Prestigegüter: Sie alle zieren in der Hallstattzeit die seit der Spätbronzezeit tradierten Muster und Motive. Das geometrische Ornament steht im Vordergrund, nur selten findet sich Figürliches. Rauten, Kreise und Strichmuster werden in strengen Kompositionen angeordnet. Dabei wiederholen sich die Grundmuster oft regelmäßig und reihen sich zu komplexen Musterteppichen aneinander.

Gerade Linien und Winkel gliedern die ebenen Flächen, welche keine plastische Gestaltung erfahren. Fleiß und Präzision scheinen bei der Fertigung mehr zu gelten als Kreativität.

Ab dem Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. beginnt die Herausbildung zentraler Siedlungen, der sogenannten Fürstensitzen in Südwestdeutschland, der Schweiz und Burgund. Die dort ansässige Oberschicht bestimmt das Kunsthandwerk und lässt nach eigenen Vorstellungen arbeiten. So werden die Zentralorte zu Keimzellen neuer künstlerischer Ideen, die letztlich in der Kunst der Latènezeit münden. Obwohl durch die intensiven Kontakte zum Mittelmeerraum zunehmend künstlerischer Arbeiten aus griechischen und italischen Werkstätten und neue Impulse nach Norden gelangen, bestimmt die Tradition das frühkeltische Kunsthandwerk.

„Masken, Kreise, Fabelwesen – Impulse aus dem Süden.“
5. bis 4. Jahrhundert v. Chr.

Während die Kunst der Hallstatt-Kultur noch stark an die strengen geometrischen Dekorationsformen gebunden ist, kommt es etwa Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. zu einer radikalen Abkehr von den traditionellen Mustern. Ein neuer, einzigartiger Kunststil entsteht, welcher der La-Tène-Kultur zugerechnet wird. Durch den Austausch mit der Mittelmeerwelt, insbesondere dem etruskischen und dem griechischen Handwerk, entwickeln die keltischen Kunsthandwerker Pflanzenornamente und konstruieren mit dem Zirkel Kreis- und Bogenmuster, die zuweilen auch in kunstvoller Durchbruchsarbeit gefertigt werden. Darüber hinaus werden Masken und Fratzen zu einem bestimmenden Element, die dem Dekor einen figürlichen und zugleich surreal-grotesk wirkenden Charakter verleihen. In der Forschung wird diese bis in die ersten Jahrzehnte des 4. Jahrhunderts hinein anhaltende, frühe Phase der La-Tène-Kunst als „Früher Stil“ bezeichnet. Die neuen Motive und Muster sowie die figürliche Darstellung werden vor allem zur Verzierung von Metallgegenständen – Schmuck, Waffen und Gefäßen – eingesetzt.

Ranken, Wirbel, Knotenzier – die Blüte der keltischen Kunst
4. bis 3. Jahrhundert v. Chr.

In Zeiten des Umbruchs zu Beginn des 4. Jahrhunderts v. Chr. entwickelte sich der zweite Kunststil der keltischen Ornamentik, der Waldalgesheimstil. Angeregt von Efeu- und Pflanzenranken griechischer Vorbilder ist sein häufigstes Motiv die fortlaufende Wellenranke, die von Palmetten und Lotusblüten ergänzt wird. Während die Muster des Waldalgesheimstils meist ohne sich zu berühren nebeneinander liegen, tritt der Dekor des sich Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. aus diesem entwickelnden Plastischen Stils dreidimensional hervor, wodurch sich die Motive überragen und gegenseitig überlagern. Schließlich wurden im 3. Jahrhundert v. Chr. parallel dazu Schwertscheiden mit Ranken, Wirbeln, Drachen oder Greifen im sogenannten Schwertstil verziert. Die keltischen Kunststile des 4. und 3. Jahrhunderts v. Chr. sind von Frankreich bis nach Ungarn, vom Balkan bis nach Irland anzutreffen. Dies hängt offenbar mit der großen Mobilität der keltischen Stämme in dieser Zeit zusammen, die auch als Epoche der „keltische Wanderungen“ bezeichnet wird.

„Menschen, Tiere, Götterbilder – näher an der Wirklichkeit“
2. bis 1. Jahrhundert v. Chr.

Ab 200 v. Chr. erfolgt durch die römische Expansion ein erneuter kultureller Anstoß aus dem Süden. Nördlich der Alpen entstehen große, stadtartige Siedlungen- sogenannte oppida, – in denen sowohl die Auftraggeber als auch die ausführenden Kunsthandwerker ansässig sind. Das Aufblühen des Handels in diesen Zentren wird durch das aus dem griechischen Raum eingeführte Münzwesen unterstrichen. Die hellenistische Kunst ist prägendes Vorbild: So spielen nun neue, sehr lebensnahe Darstellung von Tieren und Menschen eine wichtige Rolle.

Altbekannte Ornamente wie Spiralen, Ranken und Voluten werden vereinzelt beibehalten und zunächst in der Weiterentwicklung des Plastischen Stils sogar noch aufwändiger und verschnörkelter gestaltet. Dennoch kommt die eigene Kreativität zum Erliegen und tritt meist bloß noch bei kostbaren Einzelstücken in Erscheinung. Trotz neuer Elemente verlieren die Kunstwerke an Raffinesse und nur vereinzelt gelingen Künstlern individuelle Werke.

„Spuren, Elemente, Verschmelzung – keltische Kunst in römischem Gewand“
Christi Geburt bis 4. Jahrhundert n. Chr.

Die römische Eroberung gallischer und keltischer Gebiete lässt ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. eine Mischkultur entstehen, was weitreichende Auswirkungen auf Alltag, Kult und Kunst hat. Schnell übernimmt die keltische Oberschicht die römische Lebensweise; keltische und römische Religionsvorstellungen vermischen sich. In der Kunst werden nur zum Teil alte Traditionen fortgeführt. Die stilistischen Übergänge zwischen spätkeltischen und römerzeitlichen Werken etwa in der Plastik sind fließend, sodass eine genaue Datierung häufig erschwert wird und nur naturwissenschaftlich, nicht mithilfe von Stilanalysen erfolgen kann.

Anderes wie der reiche Formenschatz der Ornamentik verschwindet fast vollständig und tritt nur noch in Ausnahmefällen auf. Wohl durch die Vermittlung von in Britannien rekrutierten Hilfstruppen blüht die keltische Kunst im 2. und 3. Jahrhundert wieder auf und erlebt eine Renaissance.

Fernes Echo, letzte Blüte – Keltische Kunst in Großbritannien und Irland.
3. Jahrhundert v. Chr. bis 9. Jahrhundert n. Chr.

Räumlich getrennt und doch im Kunsthandwerk ganz nah: Spätestens ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. treten die keltischen Kunststile auch in Großbritannien und Irland in Erscheinung. Im Vergleich zur Entwicklung auf dem Kontinent später und zeitlich versetzt werden auf den Inseln zunächst Waffen, Wagen- und Pferdezubehör gefertigt, die ganz im Zeichen des Waldalgesheimstils verziert sind. Die nun dynamische Weiterentwicklung der Stile findet dort ebenso statt wie auf dem Kontinent, doch wegen des fehlenden steten Einflusses aus dem Mittelmeerraum wird die Abstrahierung noch weiter auf die Spitze getrieben, als die eigenständige Entwicklung auf dem Kontinent durch die römische Eroberung bereits beendet ist. Selbst als die Römer Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. den Süden Englands erobern, tritt das keltische Ornament weiterhin in vielen Varianten auf, häufig alte Muster des Waldalgesheimstils und des Plastischen Stils aufgreifend. Bis in christliche Zeit werden die alten Motive in ungebrochener Strahlkraft nun jedoch in Kombination mit germanischen Motiven tradiert und erreichen in der Buchmalerei Irlands ein letzte, unvergleichliche Blüte, während sie auf dem Kontinent längst keine Verwendung mehr finden.

     

im Detail:

weiter:

siehe auch:

 

zurück:

Startseite | | Service | Aktuelles | zur ZUM | © Badische Heimat/Landeskunde online 2012