Die Welt der Kelten


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Kostbarkeiten der Kunst

 

Barbarische Kunst? Künstlerische Barbaren?

„Versoffen“ und „kriegerisch“ – so beschrieb der griechische Philosoph Platon die Kelten um 350 vor Christus in seinem Werk „Gesetze“. Im scharfen Kontrast zur gängigen Vorstellung der barbarischen, unzivilisierten wilden Krieger, das lange Zeit das Bild der Kelten prägte, steht ihr Kunstschaffen. Der Ausstellungsteil „Kostbarkeiten der Kunst“ im Alten Schloss widmet sich den „künstlerischen Barbaren“, die mithilfe technisch fortschrittlicher Werkzeuge eine ausgefeilte Zierkunst schufen und nachhaltig einen eigenen Kunststil prägten. Einen Schwerpunkt der Schau bildet die faszinierende und hochentwickelte, oft aber auch rätselhafte Ornamentik der Kelten.

Auf ca. 1.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche, aufgeteilt in sieben Themenbereiche, kann der Besucher, beginnend mit einer Einführung in die Thematik „Wer waren die Kelten?“ und „Was ist Kunst“, in chronologischer Abfolge die Entwicklung der keltischen Kunst über annähernd 1.400 Jahre – von der Hallstattzeit bis hin zur Römischen Zeit und zur inselkeltischen Kunst Großbritanniens und Irlands anschaulich nachverfolgen.

Fläschchen aus Welzheim. Bronze, Email, 2./3. Jh. n. Chr. Fläschchen aus Welzheim. Bronze, Email, 2./3. Jh. n. Chr.
Eine besondere Technik kam bei dem kleinen Bronzefläschchen zum Einsatz: sogenanntes Millefiori- Email. Schachbrettmuster und Rosetten sind trotz der Verwitterungsspuren auf dem Gefäß noch zu erkennen. Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Konstanz
© Archäologisches Landesmuseum Baden- Württemberg; Foto: Manuela Schreiner

Die Dynamik der keltischen Handwerkskunst und das Selbstverständnis der hoch spezialisierten Kunsthandwerker zeigt sich in der stetigen Weiterentwicklung und Veränderung der Motive und Ornamentik. Entsprechend der Unterteilung in die Hallstatt- und die Latènekultur lassen sich in der keltischen Kunst des 7. bis 1. Jahrhunderts vor Christus zwei geradezu gegensätzliche Grundkonzepte unterscheiden. Noch ganz in der Tradition der späten Bronzezeit verwenden Kunsthandwerker der Hallstattkultur fast ausschließlich streng geometrische Ornamente wie Mäander, Zickzackbänder, Dreiecke, Rauten und Kreise. Figürliche Darstellungen sind dagegen, zumindest in unserem Raum, unbekannt.

Im 6. Jahrhundert vor Christus kennzeichnen prunkvolle Bestattungen mit Importstücken aus dem Süden und hochwertig gefertigten einheimischen Beigaben die wirtschaftliche und politische Elite. Die Großskulptur des „Kriegers von Hirschlanden“, 530 bis 500 vor Christus, zeugt von einem Handwerkszweig, der bei Vergleichen mit der zeitgenössischen griechischen Plastik in der Vergangenheit - zu Unrecht - oft belächelt wurde. Intensive Beziehungen zu den antiken Hochkulturen führen zu neuen Impulsen im Kunsthandwerk. In dieser Experimentierphase entsteht die Zirkelornamentik, wie eine Lanzenspitze von der Heuneburg aus dem Jahr 500 vor Christus anschaulich belegt.

Zu Beginn der Latènekultur im 5. Jahrhundert vor Christus kommt es schließlich zur Herausbildung eines vollkommen neuen Kunststils: Organisch anmutende Pflanzen- und Zirkelornamente, phantastische Fabelwesen und Dämonenfratzen sind jetzt bestimmend.

Der Goldschatz von Erstfeld „Ribitäler“, Kanton Uri, SchweizDer Goldschatz von Erstfeld „Ribitäler“, Kanton Uri, Schweiz
um 380 v. Chr. Die goldenen Halsringe zeigen ineinander verstrickte Menschen, Tiere und Fabelwesen. Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich
© Schweizerisches Nationalmuseum

Im 4. und beginnenden 3. Jahrhundert vor Christus, der Zeit der keltischen Wanderungen, durchläuft die keltische Kunst eine neue aus Italien angestoßene Entwicklungsphase, in der Rankenmotive dominieren. Namensgebend für diese Stilepoche ist der reich verzierte Goldschmuck aus dem Grab einer keltischen Fürstin aus Waldalgesheim (um 320 vor Christus).

In den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende nimmt das spätkeltische Kunsthandwerk einerseits neue Impulse aus Süd- und vor allem Südosteuropa auf, was im Beginn einer eigenen Münzprägung und in Funden wie dem Silberring von Trichtingen (1. Jahrhundert vor Christus) deutlich wird. Andererseits kombiniert man traditionelle keltische Motive zu neuen, naturalistischen Darstellungen des so genannten „Späten Stils“. Die Kultfiguren aus der Viereckschanze von Fellbach-Schmiden (127 vor Christus) zeigen dieses Prinzip mit ihrer geradezu expressiven Ästhetik in herausragender Weise.

Als die Römer im 1. Jahrhundert vor Christus keltisches Gebiet besetzen, sind die Siedlungen bereits verlassen. Offen bleibt, inwieweit die keltischen Einflüsse in der provinzialrömischen Kultur auf eine vor Ort verbliebene keltische Restbevölkerung oder auf aus Gallien eingewanderte Gallo-Romanen zurückgehen. Auffällig sind die vereinzelt auftretende Verwendung keltischer Stilelemente im gallorömischen Kunsthandwerk und die großen Ähnlichkeiten in Ausdruck und Darstellungsweise von spätkeltischen und provinzial-römischen Bildwerken.

Schließlich leben die keltischen Ornamente nur noch auf den Britischen Inseln weiter und erreichen mit der Buchmalerei der irischen Klöster im 7. Jahrhundert nach Christus eine neue Blüte. Zu den letzten Höhepunkten keltischen Kunsthandwerks gehören die prachtvoll geschmückte Hunterston-Fibel aus Schottland (7. Jahrhundert nach Christus) und die mit ihrem unvergleichlich reichen Bildschmuck illustrierten Evangelienbücher, wie der Codex 51 aus St. Gallen (um 750 nach Christus), die zu den Fundamenten abendländischer Kultur zählen.

Erstmals in Deutschland zu sehen, sind solche meisterhaften Kunstwerke von der anderen Seite des Ärmelkanals, wie die Ponykappe aus dem schottischen Torrs, der Prunkspiegel von Desborough aus Großbritannien oder die Hunterston-Fibel.

Die Ponykappe von Torrs. Kelton „Torrs Farm“, Kirkcudbright, Schottland. Bronze, um 200 v. Chr. 

Die Ponykappe von Torrs. Kelton „Torrs Farm“, Kirkcudbright, Schottland. Bronze, um 200 v. Chr.
National Museums Scotland, Edinburgh
© National Museums Scotland

 

Der Spiegel von Desborough. Desborough, Kettering, Northhampshire, Bronze, L. 35,1 cm, um Christi Geburt. The British Museum, London
© The Trustees of the British Museum

Hunterston-Fibel, aus der Umgebung von Hunterston North Ayrshire, Schottland. Teilvergoldet und verziert mit Gold-, Silber- und Bernsteinlagen, Gewicht: 325g, D 12 cm, 7. Jh. n. Chr. 

Hunterston-Fibel, aus der Umgebung von Hunterston North Ayrshire, Schottland. Teilvergoldet und verziert mit Gold-, Silber- und Bernsteinlagen, Gewicht: 325g, D 12 cm, 7. Jh. n. Chr.
National Museums Scotland, Edinburgh
© National Museums Scotland

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