Das frühe Mittelalter, die Zeit vom 6. bis 10 Jahrhundert
war eine sehr bewegte Epoche. Die Eingliederung der Gebiete
rechts des Rheins in das bereits christliche Frankenreich
führte zu großen Veränderungen in der gesellschaftlichen
Struktur, dem religiösen Leben und den wirtschaftlichen
Verhältnissen. Viele Menschen waren unterwegs. Auf den Fernstraßen
bewegten sich Krieger, Vertriebene, Missionare und Händler.
Auch der König hatte keinen festen Wohnsitz und reiste von
Pfalz zu Pfalz.
Damals hatten die Orte Karlburg am Main
und Balhorn (ein wüst gefallener Ort, ca. 4 km westlich
von Paderborn) bereits vor dem Aufstieg der Städte Würzburg
und Paderborn eine wichtige Funktion als Verkehrsknotenpunkte
und Zentralorte Als "Zentralorte" bezeichnet man in der
Archäologie Ansiedlungen von überregionaler Bedeutung, die
sich durch die Anwesenheit von Herrschaft, Schutz, Kult,
Handel und Verkehr, Handwerk und Gewerbe auszeichnen. Die
Wiederentdeckung der beiden Zentralorte Karlburg und Balhorn
ist durch archäologische Begehungen, Ausgrabungen und Forschungsprojekten
in den letzten Jahren möglich geworden. Es kamen dabei Funde
zu Tage, die erheblich über ein provinzielles Niveau hinausgehen
und weit gespannte Handelsbeziehungen belegen. Aus der
historischen Überlieferung wissen wir, dass es im Bereich
des heutigen Dorfes Karlburg einen wohl schon im 6. Jahrhundert
gegründeten fränkischen Königshof, ein Marienkloster sowie
eine Burg "Castellum" über der Talsiedlung gab. Die frühmittelalterliche
Burg ist mittlerweile archäologisch nachgewiesen. Sie befand
sich im Bereich der heutigen linksmainischen Burganlage
Karlburg Auch wenn die Legende, nach der das Kloster von
der hl. Gertrud von Nivelles, einer Tochter Pippins d. Älteren,
gegründet worden ist, nicht endgültig zu beweisen ist, so
zeigen doch viele hochwertige Funde, dass sich hier ein
besondere Oberschicht aus dem Umkreis des fränkischen Königs
aufgehalten hat Das frühmittelalterliche Karlburg war
viel größer als das heutige Dorf und hatte eine Ausdehnung
von ca. 20 Hektar. Zahlreiche Grubenhütten, in denen vor
allem Textilverarbeitung und Metallhandwerk betrieben wurde,
belegen, dass im Umkreis vom Kloster bzw. dem Königshof
ausgedehnte, spezialisierte Handwerkerbezirke bestanden.
Eine Hafenanlage mit Schiffslände zeugt von der Bedeutung
Karlburgs als Handels- und Umschlagplatz. Auch bei den
Ausgrabungen in Balhorn wurden ganze Bezirke mit Grubenhäusern
entdeckt, die am Schnittpunkt der beiden Fernstraßen Frankfurter
Weg und Hellweg aber vorrangig als Warenlagerstätten dienten.
Die archäologischen Fundstücke geben auch hier Zeugnis davon,
dass sich Leute aufhielten, die einer besonderen elitären
Bevölkerungsschicht angehörten. Insbesondere in karolingischer
Zeit, der Zeit der Sachsenskriege um 800 deuten Teile von
Schwertausrüstungen sowie zahlreiche Sporen auf die Anwesenheit
bewaffneter und berittener Krieger hin. Bereits in der
Mitte des 9. Jahrhunderts beweisen viele Fibeln mit christlichen
Motiven, dass sich das christlich geprägte Frankenreich
in Balhorn etabliert hatte. Bezeichnenderweise finden sich
werkstattgleiche und ähnliche Fibeln mit christlicher Thematik
auch in Karlburg, möglicherweise wurden sie dort sogar hergestellt,
gelangten nach Balhorn und dienten den bekehrten Sachsen
als Taufabzeichen. So kam es auf den frühmittelalterlichen
Verkehrswegen nicht nur zum Austausch von Waren, gleichzeitig
wurden neue Glaubensvorstellungen weiter vermittelt, die
auch eine "geistige Bewegung" nach sich zogen. Für die
Ausstattung des 741/42 neu gegründeten Bistums Würzburg
stellte der Hausmeier Karlmann das Karlburger Marienkloster
zur Verfügung. 751/53 schenkte König Pippin auch noch den
Königshof und die Burg an den ersten Würzburger Bischof
Burkard. Mit dem Übergang vom königlichen Eigentum in den
Besitz des Bistums begann Karlburg seine Bedeutung als Zentralort
an Würzburg zu verlieren. Im Auftrage des karolingischen
Königshauses spielte das Würzburger Bistum aber weiterhin
eine wichtige Rolle bei der Missionierung der Sachsen im
Paderborner Raum.
Text: Margarete Klein-Pfeuffer (MFM)
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