6.3.20

Schloss Mannheim

Ritual am Gründonnerstag: kurfürstliche Fußwaschung im Rittersaal

(ssg) Die Fußwaschung: eine rituelle Handlung, die im Orient die Gastfreundschaft symbolisiert – in der katholischen Kirche gehört sie zur Liturgie des Gründonnerstags. Aber auch die pfälzischen Kurfürsten zelebrierten diesen Brauch in der Passionszeit, als symbolträchtiges Bekenntnis zum Katholizismus im Zeitalter der Gegenreformation. Das Ritual, bereits seit dem 16. Jahrhundert fester Bestandteil des Habsburger Hofzeremoniells, wurde auch von Kurfürst Carl Theodor jährlich am Gründonnerstag an seinem Hof in Mannheim praktiziert, und zwar öffentlich: als Zeichen der Kaiserwürdigkeit der Wittelsbacher und der Verbundenheit mit dem Kaiserhaus.

Protokollarische Notiz über das Zeremoniell der Fußwaschung im Rittersaal des Mannheimer Schlosses am 27. März 1766Protokollarische Notiz über das Zeremoniell der Fußwaschung im Rittersaal des Mannheimer Schlosses am 27. März 1766

Ritual als Bekenntnis
Das Ritual der Fußwaschung beruht auf einer Schilderung im Johannesevangelium: Am Vorabend seines Todes wusch Jesus während des letzten Abendmahls seinen Jüngern die Füße und trocknete sie mit einem Tuch. Die Fußwaschung am Tag vor Karfreitag, die im Mittelalter als Ritual in die Liturgie der katholischen Kirche aufgenommen wurde, diente im Barock, also der Zeit der Gegenreformation, weltlichen Fürsten als Bekenntnis der Zugehörigkeit zum Katholizismus und zum habsburgischen Kaisertum.

Demonstration des kurpfälzischen Standesbewusstseins
Die Fußwaschung am Gründonnerstag war unter Kurfürst Carl Theodor ein fester Bestandteil des Hofzeremoniells, das öffentlich in seiner Residenz durchgeführt wurde: ein Zeichen der Verbundenheit mit dem habsburgischen Kaiserhaus und der Kaiserwürdigkeit der Wittelsbacher – immerhin stammten drei Kaiser aus ihrer Dynastie. Das Ritual der Fußwaschung hatte Carl Theodor von seinen Vorgängern übernommen: Bereits Kurfürst Johann Wilhelm ließ Fußwaschungen in seiner Residenz Schloss Benrath in Düsseldorf durchführen.

Lebendige Schilderung in den Hofkalendern
Dass die Fußwaschung am Gründonnerstag ein fester Bestandteil des Hofzeremoniells war, erfahren wir durch die jährlichen Kurpfälzischen Hofkalender, die lebendig davon berichten, etwa 1766: „Den 27. auf den gruenen Donnerstag (…). Sr. Kurfuerstl. Durchleucht folgen die Herren Ordens-Ritter (…) und endlich die 12 Maenner, so zu der Fußwaschung zugelassen werden (…) Es geruhen Se. Kurfuerstl. Durchleucht abzuwarten, bis oben in dem Rittersaale zur Fußwaschung alles veranstalltet worden, wo so dann Hoechstdieselbe in Begleitung des ganzen Hofes und der Ordens-Ritter sich erheben und legen nach (…) abzusingendem Evangelium von der Fußwaschung Dero Ordensmantel ab, umguerten sich mit einem weissen Fuertuch und fangen an, (..) vom Dienst den auf erhoeheten Baenken sitzenden 12 alten Maennern kniend die Fueße zu waschen.“

Die Zeremonie im Rittersaal war so eindrucksvoll, dass sie auch in Reiseberichten ihren Niederschlag findet: Der Schwede Jacob Jonas Björnstahl beschreibt die Fußwaschung ausführlich in einem Bericht über seinen Aufenthalt im Jahr 1774 am Mannheimer Hof.

Residenzschloss Mannheim
Aktuell ist Schloss Mannheim wie alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg ebenso wie alle Kultureinrichtungen geschlossen.

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