15.1.18

Archäologische Grabungen in Baden-Württemberg

Grabungen 2017 im Regierungsbezirk Karlsruhe

(rps) 2017 wurden in Baden-Württemberg über 200 Sondagen und Ausgrabungen durchgeführt. Ein beträchtlicher Teil davon erstmals unter Einbeziehung von Grabungsfirmen, wobei kommerzielle Firmen ausschließlich bei planbaren Rettungsgrabungen eingesetzt wurden, also bei Baumaßnahmen im Bereich bekannter archäologischer Fundstätten. Dadurch konnte sich das Landesamt für Denkmalpflege (LAD) Baden-Württemberg auf die Durchführung von methodisch besonders anspruchsvollen Schwerpunkt- und Forschungsgrabungen, aber auch auf kaum planbare Notgrabungen im Zuge archäologischer Zufallsentdeckungen konzentrieren.

Im Folgenden einige herausragende Grabungen im Kurzporträt.

Pforzheim, Rathaushof. Blick auf einen der Pfeiler zwischen Mittel- und nördlichen Seitenschiff der ehemaligen Dominikanerkirche. Im Vordergrund der Kelleraufgang eines vorkirchenbauzeitlichen Hauses (13. Jh.). Foto: M. Lehmann, Landesamt für Denkmalpflege im RP StuttgartPforzheim Rathaushof (Enzkreis)

Im Rahmen einer planerischen Umgestaltung der östlichen Pforzheimer Kernstadt ist die Überbauung einer rund 5.400 m² großen innerstädtischen Freifläche vorgesehen. Bis zu den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde der westliche Teil des Areals von einem dicht bebauten Wohnquartier, der östliche Teil vom Schulplatz eingenommen – dem Standort des ehemaligen Dominikanerklosters.

Nachdem 2012 bis 2016 das Wohnquartier sowie Teile der Klausur und der Klosterkirche ausgegraben worden waren, steht 2017/18 die Untersuchung des restlichen Kirchenschiffes an. In der 2017 geöffneten Fläche konnten unter den Resten der im späten 13. Jahrhundert errichteten Kirche Spuren der vorklosterzeitlichen Bebauung erfasst werden. Von den Bauten der ersten Phase zeugt ein Erdkeller aus dem 12. Jahrhundert. Nach der Zerstörung durch einen Brand im frühen 13. Jahrhundert wurde das nun mit einem Steinkeller versehene Gebäude an anderer Stelle der Parzelle neu errichtet. Dieses fiel letztlich dem Kirchenbau zum Opfer. Die einst nördlich der Kirche verlaufende Reuchlinstraße war mit einer Abfolge der Straßenbefestigung von den Steinrollierungen des12./13. bis zur Asphaltdecke des 20. Jahrhunderts sowie bis in das 18. Jahrhundert zurückreichenden Abwasserkanälen fassbar.

Pforzheim, Rathaushof. Blick auf einen der Pfeiler zwischen Mittel- und nördlichen Seitenschiff der ehemaligen Dominikanerkirche. Im Vordergrund der Kelleraufgang eines vorkirchenbauzeitlichen Hauses (13. Jh.). Foto: M. Lehmann, Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart


Steinkammergrab des 7. Jhs. während der Ausgrabung. Grabung Illingen, Hofäcker II - Merowingerzeitliches Gräberfeld (Enzkreis)

Im Industriegebiet Hofäcker II in Illingen (Enzkreis) wurde im Vorfeld einer geplanten Erweiterung eines Firmengebäudes im April 2017 der Teilbereich eines merowingerzeitlichen Friedhofes durch die Grabungsfirma Archäograph GbR untersucht und dokumentiert.

Das umfangreiche Gräberfeld aus dem 6. und 7. Jahrhundert ist schon seit dem 19. Jahrhundert bekannt und große Teile von ihm wurden bereits 1991 und 1992 archäologisch untersucht.

Steinkammergrab des 7. Jhs. während der Ausgrabung.
Foto: R. Ortutai / Archäograph GbR

Bei der 2017 untersuchten Fläche handelt es sich um ein Areal von ca. 40 m x 30 m, darin lag der letzte erhaltene Rest des Friedhofes. Bei den Grabungen wurden 25 Gräber entdeckt, manche enthielten Reste von mehreren Bestattungen. Viele der Gräber waren bald nach der Bestattung wieder geöffnet und ihrer Beigaben beraubt worden, was in dieser Zeit durchaus geläufig war. Deshalb wurden bei der archäologischen Grabung meist nur noch wenige Beigaben in den Gräbern gefunden, welche die Grabräuber übersehen haben. In den Männergräbern fanden sich beispielsweise geschnitzte Beinkämme, eine Lanzenspitze, Gürtelbeschläge, Pfeilspitzen und ein einschneidiges Kurzschwert (ein sogenannter Sax). Das Grab eines Mädchens enthielt noch Glasperlen und Schmuck. Aus einem fast vollständig geplünderten Grab stammt ein Fingerring aus Goldblech. Bei einigen Grabgruben waren die Wände mit Trockenmauern aus Sandstein verkleidet, sie dürften die Bestattungen der Oberschicht enthalten haben. Der Friedhof dürfte jetzt komplett ausgegraben sein. Ursprünglich hat er sich wohl noch weiter nach Norden ausgedehnt, aber diese Bereiche sind bereits beim Bahnbau im 19. Jahrhundert zerstört worden.

Gewölbekeller. Foto: Kohler & Tomo ArchäologieFußboden mit Brandhorizont im Inneren des Stadtmauerturms. Foto: Kohler & Tomo ArchäologieGernsbach, Hauptstraße 6 (Landkreis Rastatt)

In der Hauptstraße 6 in Gernsbach stand bis 1994 ein denkmalgeschütztes Haus, welches nach einem denkrechtlichen Verfahren und einer bauhistorische Untersuchung abgebrochen wurde. Es handelte sich um einen voluminösen Fachwerkbau aus dem Jahre 1712, der im Süd- und Nordosten an die Gernsbacher Stadtmauer angrenzte. Zum vormaligen Baubestand gehörte auch ein Gewölbekeller, der jedoch bereits zu einem älteren, abgegangenen Gebäude gehörte. Das städtische Grundstück soll nun mit einem Mehrfamilienhaus überbaut werden.

Bei den archäologischen Grabungen durch die Firma Kohler & Tomo Archäologie GbR wurden zahlreiche Baubefunde, die sich in einen Zeitraum zwischen dem frühen 15. und frühen 20. Jahrhundert datieren lassen, entdeckt. Neben neuzeitlichen Strukturen, wie beispielsweise einem Eiskeller des 19./20. Jahrhunderts und dem Metzgereiverkaufsraum aus dem Jahre 1912, kam auch ein massiver mittelalterlicher Bau zu Tage. Er schloss sich östlich des Gewölbekellers an und nahm den gesamten Zwickel zwischen der süd- und nordöstlichen Stadtmauer ein. Seine bis 1,4 m mächtige Mauern waren bis zu zwei Meter tief fundamentiert. Dieses Gebäude wies im Westen eine circa. 2,5 m breite Durchfahrt aus rotem abgelaufenen Quarzsandstein auf. Im Innenraum konnte auf einem mehrphasigen Fußboden eine über 1,5 m dicke Brandschuttschicht aus stark durchgeglühten Dachziegeln und Lehmgefache dokumentiert werden.

Gewölbekeller. Foto: Kohler & Tomo Archäologie

Fußboden mit Brandhorizont im Inneren des Stadtmauerturms. Foto: Kohler & Tomo Archäologie

Aus dem Brandschutt geborgene Keramikfunde deuten auf ein Zerstörungsereignis im 15. Jahrhundert hin. Im Rahmen einer vorläufigen Arbeitshypothese wird das Gebäude als die zerstörten Reste eines spätmittelalterlichen Stadtmauerturms angesprochen, der den südöstlichen Geländesporn des Stadtkernbereichs deckte.

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