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Wie Brände die Tundra langfristig verändern

In der vom Klimawandel besonders betroffenen Tundra werden Brände in Wäldern, Mooren und sogar Feuchtgebieten von Jahr zu Jahr häufiger, denn es kommt häufiger zu extremer Trockenheit. Zusätzlich wurden auch die nördlichen Bereiche der Tundra in den letzten Jahren zunehmend erschlossen, wodurch Brände öfter auch menschliche Ursachen haben. Welche gravierenden Konsequenzen Brände für Vegetation, Böden und für teils gefährdete Vogelarten haben können, haben zwei junge Ökologen der Universität Münster untersucht. Auch Jahrzehnte nach den letzten Bränden waren z.B. deutliche Auswirkungen auf die Pflanzengemeinschaften sichtbar.

Die Doktorandin Ramona Heim aus der Arbeitsgruppe von Prof. Hölzel am Institut für Landschaftsökologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster verglich für ihre Studie Flächen auf denen es vor 11 und vor mehr als 30 Jahren zuletzt gebrannt hatte. Auf der jüngeren Fläche waren Bodentemperatur und Tiefe der Auftauschicht extrem erhöht, und es gab viel weniger Flechten. Dagegen waren Moose, Gräser und Kräuter häufiger als auf nahe gelegenen ungestörten Vergleichsflächen.

Brennende Tundra mit einem fliehenden Schwarzstorch
Ein gefährdeter Schwarzschnabelstorch (Ciconia boyciana) hat gerade noch rechtzeitig sein Nest verlassen, das kurz darauf von den Flammen zerstört wird. Foto: Wieland Heim

“Die Bodentemperatur auf der älteren Fläche ist nicht mehr erhöht, aber selbst mehr als 30 Jahre nach dem Feuer habe sich die Flechten noch nicht wieder erholt”, sagt Ramona Heim. “Die dichte Strauchschicht war eine Überraschung. Normalerweise verhindern Brände die Entwicklung einer dichten Strauchschicht, doch diese Ergebnisse lassen vermuten dass Brände in der Tundra Sträucher eher fördern als hemmen könnten”, fügt sie hinzu.

Die Veränderung der Vegetationsstruktur hat gravierende und langfristige Folgen für die Pflanzengemeinschaften, für das Mikroklima und auf bestimmte Pflanzen oder Strukturen angewiesene Tiere. Rentiere brauchen z.B. bestimmte Flechten für ihre Ernährung, die jedoch nach Bränden auch nach Jahrzehnten noch deutlich seltener sind.
Die Kartierungen wurden in Kooperation mit Andrey Yurtaev von der Universität Tyumen und neun Studierenden aus Russland und Deutschland durchgeführt.

Wieland Heim, ebenfalls in der Arbeitsgruppe von Prof. Hölzel, untersuchte die Auswirkungen der immer größer ausfallenden Feuer in einem russischen Feuchtgebiet, dem Muraviovka Park, auf Brutvögel und Pflanzengemeinschaften. Auf Flächen die im vergangenen Jahr gebrannt hatten wurden entlang von 22 Transekten die Diversität von Vögeln und Pflanzen erfasst.

Während viele Pflanzenarten von den Bränden und den dadurch frei gewordenen Nischen und Nährstoffen profitierten, sank die Diversität der Vogelarten deutlich. Vögel wie Boden- und Schilfbrüter, die auf spezielle Mikrohabitate angewiesen sind, gehörten zu den Verlierern.

“Da die Feuer meist im Frühling zur Brutzeit ausbrechen und viele Vögel kein zweites Gelege produzieren, können die sich ausweitenden und häufiger werdenden Brände gravierende Folgen für die Fortpflanzung dieser Tiere haben”, berichtet Wieland Heim.

Die Weidenammer (Emberiza aureola) ist eine der besonders stark betroffenen Arten. Ursprünglich war diese Art im nördlichen Eurasien weit verbreitet, doch in den letzten Jahren brachen die Populationen um 90% ein. Sie ist die erste weitverbreitete Singvogelart, die auf der Roten Liste der IUCN als “vom Aussterben bedroht” eingestuft wurde. Der Hauptgrund für den massiven Populationseinbruch ist die illegale Vogeljagd in China. Häufiger werdende Brände in Brutgebieten setzen die Art allerdings zusätzlich unter Druck.

Durch den Klimawandel und die zunehmende Erschließung der Tundra durch den Menschen taut der Permafrost immer früher und immer tiefer auf, und die organischen Auflagen trocknen schneller aus. Diese Biomasse kann sich dann leicht entzünden. Nach einem Brand fehlt dann zum einen die isolierende Wirkung des dann verbrannten organischen Materials, zum andere verändert sich die Albedo, also der Anteil des vom Boden reflektierten Lichts. Dunklere Böden heizen sich stärker auf, wodurch ihre Oberfläche stärker austrocknet, der Permafrost noch weiter auftaut, weiteres brennbares organisches Material freigibt und gespeichertes Methan in die Atmosphäre entlässt.

Juliane Röder
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Gesellschaft für Ökologie e.V.

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