Weihnachten zur Kaiserzeit


Besinnlichkeit und doch keineswegs (nur) nostalgische Gefühle bei "Weihnachten zur Kaiserzeit“

  

Was bedeutete die stille Adventszeit um 1900? Und welche Geschenke unter dem Tannenbaum ließen Kinderaugen einst leuchten? Dies und vieles mehr zeigt stimmungsvoll die liebevoll arrangierte, von den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg und der Stadt Bruchsal gemeinsam veranstaltete Ausstellung "Weihnachten zur Kaiserzeit“, die ab 1. November bis 18. Januar 2009 im Barockschloss Bruchsal zu sehen ist – eine besinnliche Präsentation, die sich an Alt und Jung gleichermaßen wendet. Denn während die älteren Besucher sicher vieles wiedererkennen werden, so dürfen die Kinder von heute staunen, was es einst so alles an (papierenen) Schätzen gab. Erste Adventskalender, Christbaumschmuck, Puppenartikel, weihnachtliche Grußkarten, Gesellschaftsspiele, Bilderbücher und ein festliches Weihnachtszimmer hat Kurator Walter Jochum aus Heidelberg in den Sonderausstellungsräumen des Schlosses aufgebaut.

Praktisch alle Aspekte der Advents- und Weihnachtszeit vor hundert Jahren werden in attraktiven Sammlerstücken und sehenswerten Installationen beleuchtet. Sei es das Backen, um 1900 die häusliche Hauptbeschäftigung im Dezember, versinnbildlicht durch handgeschriebene Rezeptbüchlein, Modeln für Springerle sowie Pfefferkuchenbilder. Weitere Ausstellungsschwerpunkte sind Krippen-Ausschneidebogen, Liederhefte, Weihnachtsgrußkarten und Sammelbilder. Apropos Grußkarten und Sammelbilder: Schon damals war die Weihnachtszeit durchaus auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, für die Hersteller von Luxuspapier sicher die umsatzstärkste Zeit des Jahres. So konnten Kinder für Wünsche an das Christkind vorgedruckte Schreiben nutzen; auch Schmuckbriefe, mit denen sich Söhne und Töchter der Mittel- und Oberschicht am Heiligen Abend bei ihren Eltern schriftlich bedankten, waren zur Kaiserzeit üblich. Alle ausgestellten Objekte sind Leihgaben aus einer privaten Sammlung, die nur sehr selten öffentlich präsentiert wird. Wer sich auf diese Zeitreise einlässt und auf Spurensuche geht, sollte ruhig ein bisschen Muße zum stillen Betrachten mitbringen, denn Walter Jochum hat die vielen unterschiedlichen Stücke recht liebevoll inszeniert.
Wobei, wie der Ausstellungsmacher ausdrücklich betont, die Präsentation keineswegs (nur) nostalgische Gefühle verbreiten soll. Denn: „Gleichzeitig vermitteln die zahlreichen Objekte nebenbei etwas über die Standesunterschiede um 1900.“ Und natürlich tritt auch Wilhelm II. in Erscheinung, etwa in dem Spiel „Kaiserfahrt nach Palästina“. Was das noch mit Weihnachten zu tun hat? „1898 war der Kaiser zur Einweihung der protestantischen Erlöserkirche nach Jerusalem gereist“, erläutert Jochum. Das löste im gesamten Reich ein riesiges – auch politisches – Echo aus. Entsprechend kommt die patriotische, zuletzt sogar für Kriegszwecke missbrauchte Komponente des Christfestes mehrfach zum Ausdruck, etwa in den weihnachtlichen „Briefen aus dem Felde“ von 1915.

Dass alle uns heute vertrauten und bekannten weihnachtlichen Elemente ihre Vorgeschichte haben, erschließt sich gleichfalls beim aufmerksamen Gang durch die Ausstellung. Da bildet der berühmte „Herr Winter“ des spätromantischen Malers Moritz von Schwind den Übergang zu Nikolaus und Knecht Ruprecht, und auch das Christkind als Gabenspender wird mehrfach thematisiert. Dass die Tradition des Weihnachtsbaums aus Deutschland stammt, beweist ein 1419 erstmals in Freiburg von Bäckern aufgestellter, mit Nüssen und Früchten festlich geschmückter Tannenbaum. Ende des 16. Jahrhunderts stellte man im Elsass erstmals einen Christbaum in der Wohnstube auf, behängt mit Zuckerwerk und Äpfeln, 1730 erleuchteten erstmals Kerzen einen Weihnachtsbaum. Was den Schmuck betraf, so gab es bereits 1830 – damals sehr teure – mundgeblasene Christbaumkugeln zu kaufen. Einfache Leute dagegen bastelten Baumschmuck aus Naturmaterialien. Unter dem Strich hat sich einerseits doch vieles verändert seit der so genannten „guten, alten Zeit“, manches aber ist uns bis heute vertraut: Requisiten und Bräuche wie der geschmückte Tannenbaum mit Kerzen und Kugel, gemeinsamer Gesang, Geschenke und ein festliches Mahl zu Heiligabend.

„Eine gelungene Ausstellung, die zum Innehalten zwischen den manchmal hektischen Weihnachtseinkäufen einlädt“, befindet Dr. Karin Stober von den Staatlichen Schlössern und Gärten und lobt Walter Jochums Entscheidung, die Sammlung gerade hier in Bruchsal zu zeigen. „Das besondere Ambiente unseres Barockschlosses in dieser Jahreszeit bietet den besten Rahmen, um ein solches Thema stimmig zu präsentieren.“ Für Thomas Adam von der Kulturabteilung des städtischen Hauptamtes ist die Ausstellung gleich ein doppelter Glücksfall – für Stadt und Schloss: „Bruchsal hat damit seinen Besuchern gerade in der Vorweihnachtszeit und zwischen den Jahren etwas wirklich Sehenswertes zu bieten und schafft damit Anreize zu einem Ausflug oder einer Tagesfahrt in die Barockstadt.“ Wobei es die ganz Kleinen von damals und von heute besonders gut haben werden. Mit einem Lächeln verspricht Karin Stober: „Junge Besucher bis zum 6. Lebensjahr und alle Kinder aus der Kaiserzeit bis zum Geburtsjahrgang 1918 erhalten freien Eintritt.“

    Text: Stadtmuseum Bruchsal

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