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MenschenZeit
Geschichten vom Aufbruch der frühen Menschen

17. Dezember 2002 bis 18. Mai 2003
Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim

Die zeitliche Dimension der Entwicklungsgeschichte des Menschen über Jahrmillionen übersteigt unser Vorstellungsvermögen, und auch die Wissenschaft steht trotz aller verblüffenden Einsichten, die immer wieder neue sensationelle Funde gewähren, auch heute noch vor tiefgreifenden Rätseln bei der Darstellung der Entwicklung des Menschen. Die Steinzeit als erste archäologisch fassbare Epoche stellen jetzt die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen in einer großen Sonderausstellung vor.

Die immense Zeitdimension wird gegenwärtig in einer Zeitleiste, die den Besucher über die wichtigsten Stadien der Entwicklungsgeschichte des Lebens hin zur „MenschenZeit“ führt. Eröffnet wird sie mit dem Blick auf die Welt des ältesten Mitteleuropäers, des Homo heidelbergensis, der vor circa 700 000 Jahren in der Region um den Neckar lebte. Funde von Tierknochen und Werkzeugen eröffnen einen ersten Blick in die Lebenswelt dieser Menschen, deren Vertreter, der Urmensch von Mauer bei Heidelberg, in einer nach modernsten Erkenntnissen geschaffenen Rekonstruktion vorgestellt wird. In seinem natürlichen Lebensumfeld kamen Tiere wie der riesi-ge Waldelefant vor, der dem Besucher in Lebensgröße entgegentritt. Gezeigt werden auch die bei Dorn Dürkheim gefundenen ältesten Artefakte Mitteleuropas, die ungefähr 800 000 Jahre alt sind, sowie die Rekonstruktion der ältesten, in Schöningen gefundenen Holzlanze der Welt, wie sie vor circa 400 000 Jahren zum Einsatz kam. Ebenso wird die älteste Technologie des Menschen, das Steinschlagen, erklärt.

Im nächsten, als Höhle gestalteten Entdeckungsraum wird das alltägliche Leben des Neandertalers an Beispielen zu den Themen Wohnen, Kleidung, Nahrung, technisches know-how und Sozialleben dieses Menschen illustriert. Das Rätsel des Aussterbens des Homo neanderthalensis,der vor circa 300 000 bis 30 000 Jahren lebte, wird ebenfalls diskutiert. Eine friedliche Begeg-nungsszene vor 30 000 Jahren, eine Neandertalerfamilie und eine Familie des modernen Men-schen gemeinsam unter einem Felsdach, verdeutlicht das zeitgleiche Miteinander des Neandertaler und des modernen Menschen in Europa über mindestens 5000 Jahre. Kann das Rätsel um das Verschwinden des Neandertalers auch immer noch nicht geklärt werden, - ausgerottet, ausgestorben oder ? - so besteht heute doch Einigkeit darüber, dass der Homo neanderthalensis nicht vom modernen Menschen ausgerottet wurde.

Es folgt die Schatzkammer mit ganz frühen Formen von Kunst aus der jüngeren Altsteinzeit. Wertvolle Originale dokumentieren die in der Geschichte des Menschen bahnbrechende Neue-rung seines Selbstverständnisses, die mit der Entwicklung seiner künstlerischen Ausdrucksfor-men beginnt mit Bildern von Pferden und Stieren, von Wildziegen und einem Rentier. Nicht we-niger spannend ist die Vorstellung der Alltagskultur dieser Menschen, u.a. sichtbar gemacht in dem originalgetreuen Nachbau einer Zeltbehausung in einer Tundralandschaft und außerge-wöhnlichen Gebrauchsgegenständen.

Die Anpassung des Lebens der letzten eiszeitlichen Jäger an einen neuen Lebensraum, den Wald und seine Tier- und Pflanzenwelt, bedingt durch die Erwärmung am Ende der letzten Eis-zeit, wird verdeutlicht durch Exponate wie ein Einbaum, ein Birkenrindengefäß und vieles mehr. Mit einem Kornfeld wird der Übergang vom Jäger zum sesshaften, Ackerbau betreibenden „ers-ten Bauern" der Jungsteinzeit verdeutlicht.

Neue Wege beschreitet die Ausstellung im Blick auf die Präsentation. Bewusst wird von der klassischen Lehre der Urgeschichte Abstand genommen, auf die Entwicklung des Länge/Breite-oder Länge/Dichte-Index sowie der typologischen Häufigkeitsdiagramme verzichtet. Detaillierte Kultur-Beschreibungen treten zurück zu Gunsten von breiten „Lebensaufnahmen", die dem inte-ressierten Laien ohne jegliche Vorkenntnisse ebenso zugänglich werden, wie sie den differen-zierter Vorgebildeten informativ weiterführen. Eine große Zeiteinteilung vereinfacht dem Besu-cher, sich die Evolution zu verdeutlichen und sich in den Entwicklungstadien zurechtzufinden. Die Gestaltung der Räume beabsichtigt, die Wahrnehmung über die optische Erfahrung hinaus durch andere, akustische, haptische ..., Sinneseindrücke zu erweitern. So werden die Exponate zu „lebendigen Hauptdarstellern" in Inszenierungen, die spannende Geschichten vom Aufbruch der frühen Menschen in gestalteten Interaktionsräumen zum Erlebnis werden lassen. (Dr. Hans-Jürgen Buderer)

siehe auch:


Badische Heimat e.V.
Bezirksgruppe Bergstraße - Neckartal (Heidelberg)


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