Reiss-Museum



Die Kunst- und Kunstgewerblichen Sammlungen

Einen besonderen Höhepunkt der im Zeughaus untergebrachten Exponate stellen die auch im internationalen Vergleich überragenden Porzellan- und Fayence-Sammlungen dar, die seinerzeit bereits im Schloßmuseum, also dem Vorläufer des heutigen Reiß-Museums, eine besondere Attraktion bildeten. Traditionell wurde in Mannheim dem Frankenthaler Porzellan verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt. Neben Erzeugnissen aus Frankenthal sind praktisch alle wichtigen europäischen Porzellan- und Fayence-Manufakturen mit repräsentativen Stücken in den Sammlungen vertreten.

Da man in Mannheim zu Beginn der Zwanziger Jahre den Aufbau eines "Süddeutschen Museums für Barock und Rokoko" erwog und hierbei die Möbelkunst eine gewichtige Rolle spielen sollte, wurde in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts der Bestand an Sekretären und Schränken konsequent ausgebaut. Die hohe Qualität der deutschen Kunstschreinerei vergangener Jahrhunderte kann daher auf das schönste durch zahlreiche höchst unterschiedliche Möbel dokumentiert werden.

Unter der mehr als dreihundert Bilder umfassenden Gemäldesammlung des Reiß-Museums befindet sich nur noch ein Gemälde aus dem Besitz des Kurfürsten Carl Theodor von der Pfalz. Da die großartige Gemäldesammlung des Kurfürsten im 18. Jahrhundert eine der großen Attraktionen der Quadratestadt darstellte, war es für die Mannheimer außerordentlich bitter, daß die Überführung der Schätze nach München angeordnet wurde, nachdem der Kurfürst auch die Herrschaft in Bayern übernommen hatte.

Bedenkt man diesen großen Verlust, so ist die nach 1800 zusammengetragene, "neue" Mannheimer Sammlung von bemerkenswerter Qualität. Einen wichtigen Grundstock dazu legte der spätere Großherzog, Kurfürst Carl Friedrich von Baden, durch den Erwerb der Gemäldesammlung des italienischen Grafen Lucchesi sowie von Gemälden aus dem Besitz des Schriftstellers und Gelehrten Anton von Klein. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte außerdem eine kleine Gruppe von Gemälden der Frankenthaler Maler erworben werden, mit deren Hilfe der Sammlungsschwerpunkt - die kurpfälzische Malerei des 18. Jahrhunderts - systematisch ausgebaut wurde.

Kurpfälzische Künstler sind auch im Graphischen Kabinett des Reiß-Museums mit hervorragenden Blättern vertreten. Ein Konvolut von mehr als 450 Handzeichnungen des Architekten und Hofbildhauers Peter Anton Verschaffelt (1710-1793), dem Erbauer des heutigen Museumsgebäudes, sowie die Sammlung von über hundert Zeichnungen der Künstlerfamilie Kobell gehören zu den besonderen Schätzen des Kabinetts.

Auch in der Skulpturensammlung bilden Werke von kurpfälzischen Künstlern den Hauptanteil. Zu den bedeutendsten gehören die neun Großplastiken des kurpfälzischen Hofbildhauers Paul Egell (1670-1752). Die lebensgroße, holzgeschnitzte und ehemals versilberte Figur des Heiligen Johannes Franziskus Regis von 1739, die einen zentralen Platz im Egell-Saal des ersten Stocks des Gebäudes einnimmt, gilt als die wichtigste heute noch erhaltene Arbeit des Meisters.


Die Stadtgeschichtlichen Sammlungen

Im zweiten Obergeschoß des Zeughauses sind seit Mitte 1995 die Stadtgeschichtlichen Sammlungen neu aufgestellt. In einem chronologischen Rundgang können die verschiedenen Entwicklungsstationen der Quadratestadt nachvollzogen werden: In vierhundert Jahren wurde aus einer Festungsstadt zunächst eine kurfürstliche Residenz, dann ein bedeutender Hafen- und Handelsplatz; gegen Ende des vorigen Jahrhunderts entwickelte sich Mannheim zur Industriemetropole und Großstadt. Heute ist aus der Quadratestadt das wichtigste Dienstleistungszentrum des Rhein-Neckar-Dreiecks geworden. Die Etappen der Stadtgeschichte sind zur Orientierung der Besucher in drei Modellen festgehalten, deren Grundlage ein umfangreicher Bestand an Grundrißskizzen, Ansichten und anderen Topographica ist, der insbesondere auf die Sammlungstätigkeit des Mannheimer Altertumsvereins zurückgeht.


Die Theatersammlung

Einem besonders facettenreichen Aspekt der Stadtgeschichte ist die Theatersammlung des Reiß-Museums gewidmet. Mit Gemälden, Kostümen, Requisiten, Archivalien, Fotos, Modellen sowie Bühnenbild- und Kostümentwürfen wurden in dieser Spezialsammlung vor allem Dokumente zur Geschichte des Mannheimer Nationaltheaters zusammengetragen. Anläßlich des 150jährigen Bestehens des Nationaltheaters wurden 1929 erstmals die wichtigsten Objekte aus der Sammlung der Öffentlichkeit vorgestellt. Seit Dezember 1994 sind die Bestände dieser in Baden-Württemberg einmaligen Sammlung nach einer langen Zeit der Odyssee im Verschaffelt-Gewölbe des Zeughauses wieder dauerhaft zugänglich.

Eines der zentralen Objekte der Mannheimer Theatersammlung ist das Modell einer Kulissenbühne, das um 1800 für die Familie Dalberg gefertigt wurde. Es vermittelt einen überaus anschaulichen Eindruck von der perfekten Bühnentechnik jener Jahre, mit der sich binnen kürzester Zeit mit vergleichsweise geringem Aufwand die gesamte Szenerie wechseln ließ. Ebenso wie das Dalbergsche Kulissenmodell erfreuen sich auch die zahlreichen Bühnenbildmodelle der Sammlung großer Beliebtheit bei den Besuchern. Mit Hilfe dieser Exponate kann die Gestaltung des Bühnenraums im Wechsel der Jahrhunderte dokumentiert werden. Eine zusätzliche Attraktion bietet eine Computeranimation, in der zum ersten Mal eine Originaldekoration der Uraufführung von Schillers "Die Räuber" aus dem Jahr 1782 mit modernster Technologie rekonstruiert wurde und in ihrer Funktion gezeigt werden kann.


Das Museum für Archäologie und Völkerkunde im Reiß-Museum

Der dreigeschossige Bau des 1988 eröffneten Museums für Archäologie und Völkerkunde, in das 1996 auch das Museum für Naturkunde des Reiß-Museums integriert wurde, nimmt zwar die Blockstruktur des Mannheimer Stadtgrundrisses auf, entwickelt jedoch eine starke Eigendynamik. Dabei gewinnt das von den Mannheimer Architekten Carlfried Mutschler und Joachim Langner geplante Kunstlichtmuseum seine besondere Qualität durch die von Erwin Bechthold entworfenen "Reiß-Fassaden".

Im Innenraum sind die Ausstellungsbereiche um die zentrale, lichte Halle gruppiert, die durch eine Glaspyramide mit Tageslicht versorgt wird. Von der Halle aus werden alle der Öffentlichkeit zugänglichen Bereiche erschlossen. Ein Vortragssaal mit 400 Plätzen und der Bereich für Sonderausstellungen ermöglichen ein breit gefächertes Programm, das das Reiß-Museum zu einem belebten und beliebten Kulturtreffpunkt hat werden lassen.

Den Archäologischen Sammlungen sind Teile des Erdgeschosses und die Flächen im ersten Stock zugewiesen. Das zweite Obergeschoß ist den Völkerkundlichen Sammlungen und dem Museum für Naturkunde vorbehalten.


Die Archäologischen Sammlungen

Bei den Exponaten der Mannheimer Archäologischen Sammlungen bilden die Funde des unteren Neckarlandes naturgemäß einen besonderen Schwerpunkt. Durch den Ankauf bedeutender Privatsammlungen in den Jahren 1917 bis 1919 verfügt das Reiß-Museum jedoch auch über bedeutendes urgeschichtliches Material aus ganz Europa. Eine kleinere, aber gleichwohl sehr wichtige Sammlung mit Funden aus Alt-Griechenland und Alt-Italien ergänzt das Programm.

Die europäische Altsteinzeit ist einer der Forschungsschwerpunkte des Reiß-Museums. Unter den Sammlungsgegenständen sind Kleingeräte aus Hornstein, die von der Fundstelle des Unterkiefers des Homo erectus heidelbergensis in Mauer stammen, besonders erwähnenswert. Daneben sind alle in diesem Zusammenhang bedeutende Fundstätten vor allem aus Frankreich und England mit Exponaten vertreten, die häufig auch forschungsgeschichtlich von hohem Interesse sind.

Von den aus der Mannheimer Innenstadt stammenden Objekten ist ein sogenannter Glockenbecher vom Ende der Jungsteinzeit (ca. 2300 v. Chr.) das älteste Exponat. Auf den Hochufern des Neckars sind bereits Funde der späteren Altsteinzeit, der Mittelsteinzeit und Jungsteinzeit belegt. Ausgehend von diesen Funden wird die Entwicklung des Lebens im unteren Neckarland durch die verschiedensten geschichtlichen Perioden wie Bronzezeit, Urnenfelderzeit und Hallstattzeit bis hin zur Latènezeit geschildert.

Der Rundgang durch die Archäologischen Sammlungen schließt mit den Ergebnissen aus archäologischen Grabungen der Jahre 1978 bis 1985 ab, bei denen Funde und Befunde aus dem 17. und 18. Jahrhundert geborgen werden konnten.

Auf eine gänzlich andere Welt verweisen die Sammlungen aus Alt-Griechenland und Alt-Italien, die zwischen den Weltkriegen bereits im vormaligen Schloßmuseum eine besondere Attraktion darstellten und nach dem Zweiten Weltkrieg durch wichtige Erwerbungen erweitert werden konnten. Berühmt ist die Sammlung von zyprischen Gefäßen, aber auch die Kollektion attisch-schwarzfiguriger und rotfiguriger Vasen.


Die Völkerkundlichen Sammlungen

Als "Rundgang durch die Alte Welt" ist die derzeitige Ausstellung konzipiert, die im zweiten Obergeschoß des Neubaus zu besichtigen ist. Hier führt der Weg von den Tuareg in Nordafrika über den Sudan nach West- und Ostafrika bis zu den islamischen Kulturen im Vorderen Orient. Bei der sich anschließenden Darstellung Indiens, Tibets, Nepals und Asiens liegt der Schwerpunkt der Präsentation bei religiösen Zeugnissen. Großobjekte, wie die indo-islamische Sandstein-Arkade aus Lahore (18./19. Jahrhundert), ein südindischer Tempelwagen und eine Ritualschaukel, die der Verehrung des Gottes Krishna dient, bilden markante Blickfänge.

Ihre hervorragende Qualität verdanken die Völkerkundlichen Sammlungen der Stadt Mannheim den glücklichen Ankäufen in den ersten zwei Jahrzehnten dieses Jahrhunderts sowie der Tatsache, daß 1935 die bedeutende Völkerkundliche Sammlung aus Karlsruhe im Zuge der Neuordnung der badischen Museumslandschaft nach Mannheim verbracht wurde. Darüber hinaus gelang es nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder einmal, wichtige ethnographische Sammlungen für Mannheim zu sichern.

Internationalen Rang hat die Mannheimer Benin-Sammlung. Diese Objekte stammen aus der Stadt Benin, die die Portugiesen 1485 erstmals aufsuchten. Kunstschätze Benins, insbesondere die berühmten Bronzearbeiten und figürlich geschnitzten Elefantenzähne sind heute rare und gesuchte Kostbarkeiten in den Museen der Welt. In Mannheim sind gut dreißig von ihnen ausgestellt.

Neben den in der Ausstellung präsentierten Sammlungsbereichen gehören zu den Beständen der Mannheimer Völkerkundlichen Sammlungen umfangreiche Objektgruppen aus Nord-, Mittel- und Südamerika sowie Ozeanien, Indonesien, Thailand und Ostsibirien. Unter all diesen Exponaten befinden sich rare Spitzenstücke wie etwa die Sammlung von den Golden am Amur. In wechselnden Sonderausstellungen sollen diese Objekte in den kommenden Jahren der Öffentlichkeit präsentiert werden.


Weitere Informationen
erhalten Sie bei:
Museum für Kunst-, Stadt- und Theatergeschichte
im Reiß-Museum der Stadt Mannheim
Zeughaus, C 5

Telefon: Verwaltung in C 5: 293- 31 50 oder - 31 51
Ausstellungstelefon: 293-97 29

Museum für Archäologie und Völkerkunde
im Reiß-Museum D5

Museum für Naturkunde
im Reiß-Museum B 4, 10 a

Öffnungszeiten:
10-17 Uhr, Donnerstag 12-17 Uhr
Montag geschlossen.

Eintrittspreise:
DM 4,-- und ermäßigt DM 2,--
Familienkarte DM 6,--


Copyright © 1996  Reiß-Museum
Stand: 8. Oktober 1996


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