Fundsache Luther


 
  

Kaum eine historische Persönlichkeit hat die geistige Entwicklung unseres Landes so geprägt, wie die des großen Reformators Martin Luther (1483- 1546). Doch obwohl er als eine der wichtigsten Gestalten der europäischen Geschichte gilt, ist über seine Familie und sein Privatleben kaum etwas bekannt. Die große Sonderausstellung „FUNDSACHE LUTHER – Archäologen auf den Spuren des Reformators“ gibt anhand über 600 Exponatgruppen von 63 internationalen Leihgebern einen noch nie da gewesenen Einblick in das Leben Martin Luthers und seiner Familie.

Archäologische Ausgrabungen am Geburtshaus Martin Luthers in Eisleben, dem Elternhaus in Mansfeld und seinem eigenen Haus in Wittenberg erbrachten einmalige Funde und ermöglichen einen bisher noch nie dagewesenen Einblick in das Leben Martin Luthers und seiner Familie und verraten dabei Erstaunliches über den Haushalt und die Lebensführung des Reformators. Neue Aufschlüsse, die so in den schriftlichen Quellen noch nicht zu finden waren, ja, diese sogar zum Teil widerlegen, machen es notwendig, ganze Kapitel seiner Lebensgeschichte neu zu schreiben. Scherben von unzähligen Gefäßen, tausende Tierknochen und hunderte Gegenstände des täglichen Lebens zeigen uns, wie Martin Luther und seine Familie wirklich lebten: vom Kinderspielzeug über die Essgewohnheiten bis hin zum Wohnkomfort und dem Lehrbetrieb im Hause Luther.

Gezielte Nachforschungen in Archiven brachten zeitgenössische Dokumente zu Tage, die vor allem die soziale Herkunft der Luthers in einem neuen Licht erscheinen lassen. So stammt der Vater Martin Luthers aus einer durchaus wohlhabenden Familie, die dank reicher Einkünfte einen aufwendigen Lebensstil führen konnte, und ist sicher nie als einfacher Häuer, das heißt Bergmann, tätig gewesen. Dies bezeugen die Funde von teuren Gläsern, Tafelmessern und Gewandapplikationen. Nicht zuletzt ergaben neue Ergebnisse der Bauforschung am Elternhaus in Mansfeld, dass das elterliche Anwesen eine viel größere Ausdehnung hatte als bisher angenommen wurde.

Ein Großteil der Funde aus Mansfeld, darunter ein Münzschatz von 300 Silbermünzen, Gürtel- und Gewandbeschläge, geht vermutlich auf eine überhastete Entsorgung von Hausrat zurück: Als zwei Brüder Martin Luthers 1505 in Mansfeld an der Pest starben, verbrannte die Familie offenbar in aller Eile die „gefährlichen“ Besitztümer der Söhne und entsorgte sie zusammen mit anderem Abfall in einer Grube auf dem Grundstück. In der Grube befanden sich zudem Hunderte von Tierknochen, die eine relativ genaue Rekonstruktion von Luthers Speiseplan erlauben: Die Familie leistete sich das teuere Fleisch von jungen Schweinen, jagte und verzehrte aber auch Singvögel.

Die Ausgrabungen in Wittenberg brachten ebenfalls spektakuläre Ergebnisse: Ein im 19. Jahrhundert als „Waschhaus“ geschmähter und daher abgerissener turmartiger Anbau an das ehemalige Wohnhaus Luthers stellte sich bei den Ausgrabungen als der eigentliche Standort von Luthers Arbeitszimmer heraus, in dem dieser nach eigener Aussage seine bahnbrechenden Ideen entwickelte und die Reformation in Gang setzte.
Umgeben war der im Untergeschoss komplett erhaltene und mit einem Abort sowie mit Wandheizung versehene Turm von zahllosen Fundstücken: Nach Luthers Tod übernahm die Universität Wittenberg das Wohngebäude und entsorgte die übrig gebliebenen Stücke aus Luthers Haushalt im unattraktiv gewordenen Hinterhof.


Ofenkachel mit Darstellung der biblischen Eva. © LDA Halle, Foto: Juraj Lipták

Dank dieses Glücksfalls für die Archäologie ist nun auch ein detaillierter Einblick in den zweiten Teil von Martin Luthers Leben möglich: Luthers Tafelgeschirr, darunter kostbare Fadengläser, exotisches Geschirr aus Venedig und sogar aus dem osmanischen Reich, ließ sich offensichtlich durchaus mit dem Prunk an den zeitgenössischen Fürstenhäusern messen. Auch für Wohnkomfort im Hause Luther war gesorgt: Zahlreiche buntglasierte Ofenkacheln lassen auf einen prächtigen Kachelofen schließen, der mit Personen aus dem alten Testament geziert war. Pikanterweise besaß ausgerechnet einer von Luthers größten Gegenspielern, Kardinal Albrecht von Brandenburg, ein identisches Stück in seiner Residenz in Halle.

Auch die tägliche Arbeit des Reformators ließ sich nachvollziehen: Beschläge seiner Bücher, Schreibmesser und sogar ein Schreibset mit Tintenfass fanden sich im Abfall.

Einige Besitztümer – später verehrt wie Reliquien – haben die Zeitläufte auch obertägig überstanden. Häufig handelt es sich hierbei um wertvolle Gefäße aus Silber und Gold, darunter 16 kostbare Gefäße, die Luther von seinen Gönnern geschenkt bekam, aber auch um Alltagsgerät – wie die Kutte, die er als Augustinermönch getragen haben soll, oder eine Kasel, die ihm für eine Predigt auf seiner Romreise zur Verfügung gestellt wurde. Auch Schmuck Luthers und seiner Frau Katharina von Bora, von ihm liebevoll neckend „Herr Käthe“ genannt, wird gezeigt, ebenso wie die originale Grabplatte und das Holzmodell, das zu ihrer Anfertigung diente. Aufbewahrt wurden diese und andere Objekte aufgrund der großen Verehrung, die man dem Reformator schon zu Lebzeiten entgegen brachte und manchmal bemerkenswerte Ausprägungen bildete. Ein späterer Abschreiber eines Originalmanuskriptes von Luther fand zwischen den Seiten einen Floh, den er als Relikt des großen Mannes aufbewahrt wissen wollte, das Tierchen deshalb fein säuberlich aufklebte und beschriftete. Diese in der ganzen Welt verteilten einmaligen Exponate werden gemeinsam mit den archäologischen Funden erstmals zu einer Gesamtschau der lutherschen Hinterlassenschaften zusammengetragen.

In spektakulären und anschaulichen Inszenierungen werden die Exponate zum Sprechen gebracht, so dass sich ein Bild des bislang weitgehend unbekannten Privatmanns Luther abzuzeichnen beginnt.

„FUNDSACHE LUTHER“ ist eine Ausstellung des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle (Saale), dort zu sehen vom 31.10.2008 bis zum 26.04.2009, und wird vom 30.5.2009 bis 15.11.2009 im Museum Weltkulturen der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim zu sehen sein.

     

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