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„Entdeckungen – Höhepunkte der Landesarchäologie“

Sonderaustellung, 23.06. - 04.11.2007

Die gemeinsame Ausstellung des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg und des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart präsentiert die wichtigsten Grabungen der letzten Jahre in Baden-Württemberg mit den interessantesten Funden von der Steinzeit bis ins Mittelalter und die Neuzeit.

Der Stuttgarter Regierungspräsident Dr. Udo Andriof betonte bei der Eröffnung: „Die archäologische Fundlandschaft in Baden-Württemberg ist außerordentlich reich. Von der Altsteinzeit bis in das Mittelalter sind etwa 60.000 Fundstellen bekannt, darunter einige von internationaler Bedeutung. So werden von der Archäologischen Denkmalpflege des Landes pro Jahr etwa 60 Ausgrabungen durchgeführt, darunter auch recht große, wie die Grabung in Ulm – Neue Straße, die insgesamt 5 Jahre lang dauerte oder die Forschungsgrabungen um die Heuneburg, die seit drei Jahren laufen. Die zuständigen Konservatorinnen und Konservatoren müssen eine strenge Auswahl nach wissenschaftlichen Kriterien treffen und oft ist die Einschätzung einer unter dem Boden verborgenen Fundstelle recht schwierig. Hier helfen moderne Prospektionsmethoden wie die Luftbildarchäologie oder geophysikalische Messungen weiter. Die Ergebnisse dieser Arbeit können sich sehen lassen, wie die Ausstellung, die wir heute eröffnen, zeigt. Ich wünsche dieser Ausstellung ein gutes Gelingen und dass sie ein breites Interesse in der Öffentlichkeit findet!“

Zu den herausragenden Funden aus der Steinzeit gehören die 746 durchbohrten Hundezähne aus der schnurkeramischen Siedlung von Lauda-Königshofen, die als Halskette oder Kleidungsschmuck durchaus auch eine magische Funktion gehabt haben könnten. Die Hundezähne lagen zum Teil in ordentlichen Reihen angeordnet in einer Grube. Untersuchungen haben ergeben, dass die Zähne von mindestens 40 verschiedenen Hunden stammen. Es handelt sich dabei vorwiegend um Eck- und Reißzähne.

Abriebspuren auf der Innenseite und Einschnürungen an den Durchbohrungen der Zähne zeigen, dass sie auf ein Kleidungsstück aufgenäht oder als Kette aufgefädelt waren und so über einen längeren Zeitraum getragen worden sind. Aus völkerkundlichen Vergleichen wissen wir, dass Tierzähne über die reine Schmuckfunktion hinaus vor Krankheiten, bösen Geistern und Zauberei schützen oder die magischen Kräfte der Tiere auf den Menschen übertragen sollen.

Situla aus Lauda-Königshofen (1. Jh. v. Chr.) Ein germanisches Fußgefäß aus Feinkeramik.

Bild: Situla aus Lauda-Königshofen (1. Jh. v. Chr.) Ein germanisches Fußgefäß aus Feinkeramik. Diese besonders schöne Gefäß gehörte sicherlich zum "Sonntagsgeschirr".
Foto: ALM


Teil der Beigaben eines Mädchengrabes vom Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr.Mit den Ausgrabungen im Umfeld des keltischen Fürstensitzes auf der Heuneburg wird ein Großprojekt vorgestellt, das neben neuen Erkenntnissen zu Vorburg und Außensiedlung auch wieder spektakuläre Grabfunde mit kostbaren Goldobjekten erbracht hat. Zahlreiche Bestattungsplätze mit aufwändigen Grabhügelanlagen aus der Umgebung der Heuneburg sind dem eisenzeitlichen Fürstensitz zuzuordnen. Die meisten Gräberfelder liegen heute im Ackerland, so dass diese durch den Pflug immer wieder an die Oberfläche gebracht und zerstört werden.

Bild: Teil der Beigaben eines Mädchengrabes vom Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr.: zwei filigrandrahtverzierte Goldblechanhänger und zwei mit Goldblech verkleidete Gewandspangen. Das Grab befand sich in der Nähe der Heuneburg, Kreis Sigmaringen.
Foto: RP Stuttgart, Y. Mühleis

Erst 2005 kamen wieder außergewöhnliche Funde zu Tage: Mitten im abgeernteten Maisfeld fand man an der Erdoberfläche, wohl durch Pflug und anschließenden Regenschauer hervorgebracht, je zwei mit Goldfolie belegte Bügelfibeln (Gewandspangen) und Goldblechanhänger. Die archäologische Untersuchung der Stelle ergab, dass die Schmuckstücke Teil der Grabausstattung eines etwa vierjährigen Mädchens waren, das Ende des 6. Jahrhunderts verstarb. Im selben Grab lagen zahlreiche Glasringperlen, kleine Bronzeringe und ein Bronzearmring. Vermutlich gehörte das Mädchen einer reichen Familie an, die mit diesem aufwändigen Begräbnis ihren gesellschaftlichen Stand verdeutlichen wollte.

Sechskantiges Bronzefläschen mit Emailverzierung aus dem 2.-3. Jahrhundert, eventuell zur Aufbewahrung von Öl oder Salbe genutzt. In Welzheim mit seinen beiden Kastellen, dem größten Garnisonstandort an der römischen Reichsgrenze zwischen Main und Rems, wurden wichtige Untersuchungen im Bereich des Weltkulturerbes, des römischen Limes, durchgeführt. Unter Kaiser Antoninus Pius (150 und 160 n. Chr.) verzeichnete Rom in Südwestdeutschland einen letzten Gebietszuwachs. Hierbei wurde die römische Reichsgrenze von den Höhen des Odenwalds und vom mittleren Neckar auf die Linie Miltenberg – Lorch nach Osten vorgeschoben.

Bild: Sechskantiges Bronzefläschen mit Emailverzierung aus dem 2.-3. Jahrhundert, eventuell zur Aufbewahrung von Öl oder Salbe genutzt. Das Fläschen wurde in einer Grube hinter den principia im Welzheimer Westkastell, Welzheim, Rems-Murr-Kreis, entdeckt. Foto: ALM, M. Schreiner

Die zum Schutz des Limes abkommandierten Truppen des obergermanischen Heeres waren in neun Garnisonen stationiert. Unter diesen spielte der im heutigen Welzheimer Stadtgebiet gelegene Truppenstandort mit zwei großen Kastellen, zwischen denen sich auf 500 m Länge eine ausgedehnte Zivilsiedlung erstreckte, eine bedeutende Rolle. Das 4,3 ha große Westkastell beherbergte eines der vier in der Provinz Obergermanien stationierten Reiterregimenter, eine 500 Mann starke ala quingenaria. Diese Reitereinheit, die vornehmste Truppe am gesamten Grenzabschnitt zwischen Miltenberg und Lorch, war verstärkt durch eine Abteilung Kundschafter (exploratores) und einen numerus Brittonum, die beide im 1,6 ha großen Ostkastell untergebracht waren.


Schädel, InzigkofenEin isoliertes Kammergrab des 7. Jahrhunderts n. Chr., das an der Stelle eines bronzezeitlichen Kultplatzes auf einem Felsplateau über der Donau bei Inzigkofen angelegt wurde, führt den Besuchern das tragische Ende einer frühmittelalterlichen Familie vor Augen. DNA-Analysen ergaben, dass die drei nebeneinander liegenden Toten aus einer gemeinsamen mütterlichen Linie stammen, also vermutlich zu einer Familie gehörten. Spuren von Gewalteinwirkung an den Skeletten zeigen, dass alle mit Ausnahme des Kleinkindes eines unnatürlichen gewaltsamen Todes starben. Die Art der schweren Hieb- und Stichverletzungen lassen eher an Kampfhandlungen als an gezielte Tötungen denken.

Dabei scheinen unterschiedliche Waffen zum Einsatz gekommen zu sein: ein Dolch mit spitzer, zweischneidiger Klinge, eine Hiebwaffe (Spatha) mit scharfer Klinge, eine weitere scharfkantige Waffe, die erheblichen Spreizdruck erzeugt, wie beispielsweise eine Wurfaxt und ein Pfeil. Welche Ereignisse hinter dem tragischen Schicksal dieser Familie stehen und warum man sie abseits der Siedlung auf einer markanten Felskuppe bestattete, bleibt im Dunkeln.

Goldblattkreuz, HessigheimDer eiserne Klappstuhl aus einem Frauengrab des frühmittelalterlichen Gräberfeldes von Hessigheim ist nur eine der vielen reichen und kunstvollen Grabbeigaben, die den Toten mit ins Grab gegeben wurden. Klappstühle sind in frühmittelalterlichen Gräbern äußerst selten dokumentiert. In einer Grabkammer hat sich das komplette eiserne Gestell eines solchen erhalten – der erste frühmittelalterliche Fund dieser Art in Deutschland. In der Regel ist bei den meist hölzernen Klappstühlen nur die eiserne Querstrebe erhalten. Offenbar liegen hier unterschiedliche Modelle vor. Interessanterweise wurden Klappstühle bevorzugt Frauen mitgegeben. Vielleicht diente der Stuhl der Dame aus Hessigheim zu Lebzeiten der Repräsentation bei offiziellen Anlässen.

Bilder: Pressblechverziertes Goldblattkreuz aus dem 7. Jahrhundert, dass einem Toten ins Grab gelegt wurde. Alle vier Arme des Kreuzes sind an den Enden zur Befestigung auf einer textilen Unterlage gelocht. Das Grab stammt vom Gräberfeld Hessigheim, Kreis Ludwigsburg.
Foto: RP Stuttgart, Y. Mühleis

Scheibenfibel, HessigheimScheibenfibel (Gewandspange) aus Silber, Mitte des 7. Jahrhunderts, vom Gräberfeld von Hessigheim, Kreis Ludwigsburg.
Foto: RP Stuttgart, Y. Mühleis

 

In mittelalterlichen Latrinengruben von Konstanz, mit ihren guten Bedingungen für Holzerhaltung, kam die älteste Stollentruhe Süddeutschlands und als besonderes Highlight - zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert - eine Holzflöte zu Tage. Im Herbst 2006 wurde bei der Ausgrabung einer Latrine des 14. Jahrhunderts am Augustinerplatz in Konstanz das Halbfabrikat einer Flöte aus Buchsbaum gefunden, vielleicht eine Lockflöte zum anlocken von Wild. Der Herstellungsprozess lässt sich gut nachvollziehen. Zuerst drechselte man den Rohling, dann wurde das Überblasloch geschnitzt, anschließend der vordere Teil ausgebohrt und der Pappelkeil eingesetzt. Bei der Ausbohrung des hinteren Teils brach dann das Werkzeug ab und man entsorgte das misslungene Stück in der Latrine.

Rohling einer Lockflöte aus Buchsbaum, die als Rehfiepe oder Locker für andere Wildtiere eingesetzt wurdeIn Deutschland sind bislang nur vier weitere Holzflöten aus der Zeit vor der Renaissance (16. Jahrhundert) bekannt. Zwar bieten mittelalterliche Flötendarstellungen Informationen über Instrumentenformen, Spieler und Anlässe, Aussagen über Herstellung, Spielweise und Klang lassen sich jedoch nur an Hand der Originale treffen.

Bild: Rohling einer Lockflöte aus Buchsbaum, die als Rehfiepe oder Locker für andere Wildtiere eingesetzt wurde. Konstanz Augustinerplatz, 14. Jh. n. Chr.
Foto: ALM

 

credits:

Introbild: Bodensee-Lastkahn.
Wikimedia Commons/FA2010 (Eigenes Werk) PD

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