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Gegenwart festhalten

Die Corona-Sammlung des Badischen Landesmuseums

„Es ist unglaublich, wie viele Menschen es nicht schaffen, eine Maske ordnungsgemäß zu tragen. Ich habe beim Einkaufen eindeutig zu viele Nasen gesehen …“, schreibt Emma-Lou in ihr Tagebuch, gefolgt von ihren Gedanken zu Querdenkern und Maskenverweigerern.

Tagebuch Emma-LousDistanzhüte - garantieren den MindestabstandTürklinkengriff zum händelosen ÖffnenKeks mit Munschutz-DekorDie Bilder:

Tagebuch Emma-Lous.

Distanz-Hüte

Türklinken-Griff

Mundschutz-Keks

Alle Fotos: BLM / Gaul & Deck

Wie kam das Badische Landesmuseum an diese persönlichen Zeilen der 19-jährigen Karlsruherin? Im Herbst 2020 bewarb sich Emma-Lou als Praktikantin im Referat Volkskunde. Wegen Kontaktbeschränkungen war ein Praktikumsverhältnis nicht möglich, doch eine Idee geboren: 31 Tage sollte Emma Lou ihren Alltag in einer Art „Feldtagebuch“ festhalten. Entstanden ist ein Zeitdokument, das einen geschärften Blick auf die Gegenwart wirft – mitten in der Corona-Krise, im Dezember, als die Zweite Welle zu weiteren Verschärfungen führte, der Impfstoff aber Hoffnung machte.

Das Tagebuch von Emma-Lou wurde in die aktuelle Corona-Sammlung des Badischen Landesmuseums übernommen. Masken und Desinfektionsmittel, Flyer oder Plakate wie „Bitte nicht hamstern“, digitale und gegenständliche Belege der Kindergarten- und Schulzeit unter Coronabedingungen wie ein Pandemie-Abi-Pulli oder Plaketten zur abgesagten Fasnacht 2021 – seit Beginn der Corona-Pandemie dokumentiert das Museum diese besondere Zeit und archiviert relevante Objekte. Auch Stimmungsbilder oder Kommunikationsprozesse werden festgehalten: So sammelt das Museum Fotodokumentationen von Alltagssituationen, aber etwa auch digitale Memes und Social Media-„Scherz“-Bilder über die Coronakrise, die den Umgang der Gesellschaft mit der Pandemie widerspiegeln.

Brigitte Heck, Oberkonservatorin am Badischen Landesmuseum, betreut die Sammlung zur Gegenwartskultur. „Seit 20 Jahren legt das Badische Landesmuseum systematisch Gegenwartssammlungen an. Gerade bei der Corona-Sammlung gibt es große Unterschiede zu den vorherigen. Als das Virus aufkam, änderten Alltagsobjekte plötzlich ihre Funktion und Bedeutung. Sie zeigen einen gesellschaftlichen Einschnitt, sind verbunden mit existenziellen Ängsten. Die emotionale Komponente ist deutlich spürbar, auch für mich. Museales Arbeiten erfordert in der Regel eine persönliche Distanz. Obwohl als Mensch und Kuratorin selbst betroffen, versuche ich soweit möglich objektiv zu bleiben, insbesondere bei dem, was die Bürgerinnen und Bürger mir vorschlagen“, so Heck. Denn das Badische Landesmuseum legt großen Wert darauf, die Sammlung partizipativ zu betreiben und alle Interessierten in den Prozess mit einzubeziehen. Bürgerinnen und Bürger können dem Museum jederzeit ihre Vorschläge zukommen lassen und sich somit am Aufbau der Gegenwartssammlung beteiligen.

Ein Trend ist schon jetzt zu beobachten: Während sich die Objekte zu Beginn der Pandemie um die schnelle Versorgung mit Hygienemitteln drehen und von kreativen Lösungen und neuen Kommunikationsformen in Beruf und Alltag zeugen, haben sich die Menschen mittlerweile gewöhnt und besser organisiert. Die Corona-Pandemie wird zunehmend als Ereignis von historischer Tragweite betrachtet.

Immer mehr Personen möchten Zeitzeugenschaft ablegen: So hat das Museum jüngst auf Vorschlag des Karikaturisten Holger Faber dessen Corona-Cartoons in die Sammlung aufgenommen. Faber setzt sich in seinen Zeichnungen ironisch u.a. mit dem Thema „Beherbergungsverbot“ auseinander und macht damit auf die Sorgen Gewerbetreibender aufmerksam. Auch ein Konvolut von Masken und Materialien ist in die Sammlung eingegangen.

Eine 24-Jährige Key Account Managerin aus Achern hatte im ersten Lockdown in ihrer Freizeit und mit eigenen finanziellen Mitteln Masken für Bedürftige der Tafel genäht und verteilt. „Die Corona-Sammlung hat eine nie dagewesene, persönliche Note und birgt ein Sammelsurium an ungewöhnlichen Geschichten. Besonders bewegt haben mich die Objekte einer Pforzheimer Klinik. Zu Beginn der Pandemie mussten Schutzanzüge über den Freundeskreis der Klinik handgefertigt werden und im dortigen Labor wurden FFP2-Schutzmasken zur Wiederverwendung sterilisiert“, so Heck.

Abseits aller existenziellen Ängste finden sich jedoch auch Zeugnisse, ironisch mit dem Virus und der Situation umzugehen. Die Weihnachtskugel in Form eines Weihnachtsmannes mit Maske ließ so Manchen beim Anblick des Christbaums schmunzeln. Und das Weingut Emil Bauer & Söhne aus Landau-Nußdorf landete einen Kassenschlager, in dem es auf dem Etikett ihres Weines titelte: „#Fuck You Covid – Da hilft nur noch Grauburgunder!“

Die Corona-Sammlung umfasst mittlerweile über 300 Objekte und ist als offene Sammlung angelegt.

Corona-Sammlung des Badischen Landesmuseum
Referat Volkskunde
Beginn der Sammeltätigkeit: März 2020
Oberkonservatorin und Leitung Referat Volkskunde: Brigitte Heck

Objektvorschläge gerne an brigitte.heck@landesmuseum.de

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