Projekt kulturer.be
Die Ausstellung in der Barfüßerkirche des Historischen Museums Basel zeigt vom 20. September 2012 bis zum 7. April 2013 in dreißig Fallgeschichten Delikte mit ihren Täterinnen, Tätern und Opfern. Diese Geschichten werden in den jeweiligen gesellschaftlichen, politischen, sozialen und religiösen Zusammenhang gestellt. Die Ausstellung geht auch auf das Gerichtswesen, die Folter, die Strafpraxis, die Gefängnisgeschichte, die Polizei usw. ein. Dadurch ist sie ein Stück Kulturgeschichte Basels und der Schweiz.
Die Ausstellung
Dreißig Fallgeschichten zeigen Menschen im Konflikt mit
dem Gesetz: Hooligans verursachen bei einem Fußballspiel
hohen Sachschaden, Jugendliche fordern ein Autonomes Jugendzentrum.
Schülerinnen, Studenten und Lehrlinge sitzen auf die Tramschienen,
stören den öffentlichen Verkehr und demonstrieren für
ein Gratistram. Paul Kopp begeht für 15 Franken einen Raubmord.
Sandweg und Veite versetzen Basels Bevölkerung während
Wochen in Angst und Schrecken; wegen ihnen sterben sechs Menschen,
am Ende richten sie sich selbst. Untertanen erheben sich gegen
die Obrigkeit und werden dafür hingerichtet. Anna Maria
Seiler bringt ihr neugeborenes Kind um, wird enthauptet und seziert.
Margret Graf-Vögtlin wird als Hexe angeklagt. Susanna Schaub
vergiftet nacheinander ihre drei Ehemänner und wird auf
dem Scheiterhaufen verbrannt. Der Dominikanerpater Heinrich von
Rheinfelden belästigt Bäckerjungen sexuell. Zeitlich
spannt sich der Bogen vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart,
geografisch über Basel und die Region. Einige Fallgeschichten
sind so eng mit Basel verbunden, dass sie Teil der Geschichte
Basels geworden sind.
Kurze Darstellungen über den Henker, das Hexenwesen, die
Folter, die Gerichte, die Strafen, das Gefängniswesen und
die Polizei bieten spannende Einblicke in den Alltag gegenwärtiger
und früherer Generationen. Die Normen, die Definitionen
von Recht und Unrecht, von Schuld und Unschuld spiegeln die Vorstellungen
von Recht und Gerechtigkeit einer Zeit oder einer Gesellschaft
wider. Sie sind je nach Epoche und Kultur unterschiedlich ausgeprägt.
Kaum etwas definiert eine Gesellschaft und eine Epoche anschaulicher
als das, was sie als Abweichung von der Norm und als Vergehen
bezeichnet und wie sie mit Nonkonformisten und Gesetzesbrechern
umgeht. Kriminalitätsgeschichte ist deshalb immer auch Kulturgeschichte.
Bild: Porträt des Scharfrichters Theodor Mengis (1839-1918). Emil Beurmann, 1903. Foto: HMB Peter Portner
Die Publikation
Das Buch zur Ausstellung ist in vier Teile gegliedert. Die beiden
ersten Teile bieten einen reich bebilderten Überblick
zur Entwicklung des Gerichts- und Strafwesens in Basel und
der Schweiz vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Die
Leitobjekte der Ausstellung werden darin in einen größeren
Zusammenhang eingebettet und es wird eine Geschichte von den
Gottesstrafen des Mittelalters bis hin zum modernen Strafvollzug
mit elektronischer Fußfessel erzählt. Dabei wird
besonders deutlich, wie sich die gesellschaftlichen Anschauungen
zu bestimmten Delikten über die Jahrhunderte gewandelt
haben und welch große Veränderungen die Ideen der
Aufklärung
des 18. Jahrhunderts später auch im Strafwesen bewirkten.
Teil drei der Publikation bilden die in der Ausstellung gezeigten
Fallgeschichten. Anhand von Einzelschicksalen werden Delikte
und die Konsequenzen von Regel- und Normverstössen vorgestellt.
Täterinnen, Täter und Opfer erhalten ein Gesicht. Abschliessend
werden im vierten Teil in vierzehn Aufsätzen, für die
externe Autoren gewonnen werden konnten, verschiedene Themen
vertieft behandelt. Die Experten beleuchten mit ihrem historischen,
juristischen und praktischen Fachwissen Themen wie die moderne
Opferhilfe, die Arbeit eines Gerichts, das Vorgehen der Staatsanwaltschaft
und der Rechtsmedizin, die Abschaffung der Todesstrafe in der
Schweiz oder die Erschiessung von siebzehn Landesverrätern
in der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs.
Doppelzelle aus dem Rathaus von Appenzell.
Appenzell, 1577 oder später.
Museum Appenzell.
Foto: HMB Peter Portner
Das Begleitprogramm
Das umfangreiche Rahmenprogramm vermittelt die Ausstellung für
unterschiedliche Interessensgruppen, führt mit Stadtspaziergängen
und Rundgängen im Gefängnis Waaghof aus dem Museum
hinaus in die Stadt hinein und knüpft zudem mit der siebenteiligen
Reihe „Justiz im Gespräch" und zwei grossen Diskussionsrunden
an Fragen der Gegenwart an. Zwar leben wir vermutlich in der
sichersten aller Zeiten, dennoch scheint das Sicherheitsempfinden
der Menschen angeschlagen. Regelmässig verlangen politische
Vorstösse die Verschärfung von Strafnormen und ein
Film in der Ausstellung zeigt: Viele Menschen in Basel würden
spontan die Wiedereinführung der Todesstrafe befürworten.
In neun Veranstaltungen lädt das Museum deshalb Fachleute
ein, die in der Ausstellung über Themen rund um Sicherheit,
Strafe, Recht und Gerechtigkeit diskutieren.
Fotografie der Korbflechterei im Gefängnis Schellenmätteli.
Basel, um 1950.
Polizeimuseum Basel-Stadt.
Fotograf unbekannt
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