Werkstein in der Denkmalpflege

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Der Stoff aus dem Kathedralen und Schlösser sind

  

Sie symbolisieren das Unvergängliche und ihnen verdanken wir es, dass begreifbare Geschichte Jahrhunderte und Jahrtausende überdauerte. In einer Welt voller Hektik und immer schnelleren Veränderungen sind es für Einheimische wie Reisende die aus Natursteinen errichteten Gebäude der historischen Innenstädte, die Kirchen, Schlösser und Burgen die etwas Verlässliches und Beruhigendes ausstrahlen. Der Denkmalschutz bemüht sich, die historische Bausubstanz zu erhalten und, wo möglich, wieder besser sichtbar zu machen. Eine gewaltige Aufgabe: Die Gesamtzahl der denkmalgeschützten baulichen Anlagen in Baden-Württemberg wird auf rund 85.000 geschätzt.

Wichtigstes Baumaterial waren heimische Natursteine. Während man noch im 19. Jahrhundert gerne das Mauerwerk hinter Putz und Mörtel verbarg, schätzt man heute die Vielgestaltigkeit und Unverwechselbarkeit der heimischen Natursteine.

Frost und Umweltverschmutzung, Kriege und kurzsichtige Baumaßnahmen haben vielen Gebäuden stark zugesetzt. Mancher Stein, entstanden in Jahrmillionen, gibt unter diesen Umständen nach Jahrhunderten, manchmal schon nach einigen Jahrzehnten auf. Wenn chemisch-physikalische Restaurierungsmaßnahmen am Stein nicht mehr weiterhelfen oder unverhältnismäßig teuer sind, helfen nur neue Quader oder Maßwerke. Um den historischen Charakter eines Bauwerkes möglichst unverfälscht zu erhalten, besinnt man sich in zunehmendem Umfang der früher genutzten Gesteinsvorkommen - und stellt dabei häufig fest, dass sie nicht mehr in Abbau stehen.

Seit mehr als hundert Jahren werden Ziegel und Beton als kostengünstiges, schnell verfügbares und einfach zu handhabendes Baumaterial geschätzt und bevorzugt für Neu- und Umbauten verwendet. Seither ist es stiller geworden um die alten Steinbrüche. Seit einigen Jahrzehnten werden zudem Naturwerksteine in allen erdenklichen Variationen und noch zu konkurrenzlos niedrigen Preisen aus Indien, China, Brasilien und Südeuropa auf deutsche Baustellen geliefert, und so fiel das Steinbruchsterben nur wenigen auf. Woher also die Gesteine für marode Kirchen und Schlösser nehmen, die dem Original gleichen?

Die Geologen des Landesamts für Geologie, Rohstoffe und Bergbau im Regierungspräsidium Freiburg gehen davon aus, dass im Verlaufe der Jahrhunderte insgesamt rund 15.000 Steinbrüche in Südwestdeutschland angelegt wurden. Man könnte also glauben, dass der Nachschub gesichert ist. Die meisten alten Steinbrüche sind aber heute unter Hangschutt und dichtem Bewuchs verborgen, wurden als Müll- und Bauschuttdeponien umgenutzt oder zugebaut. Einige konnten in Form von Grillplätzen oder Biotopen die Zeiten überdauern. An vielen Stellen ist das geeignete Gestein aber auch vollständig abgebaut worden.

Nur wenige Steinbrüche sind noch in Betrieb. Gegenwärtig werden in Baden-Württemberg lediglich noch 50 Werksteinbrüche genutzt, die meisten nur zeitweise. Überwiegend handelt es sich dabei um Steinbrüche im Granit, Schilf- und Buntsandstein, im Crailsheimer Muschelkalk und im Gauinger Travertin. Die in den Werksteinbrüchen gewonnene Gesteinsmenge beläuft sich in Baden-Württemberg auf etwas mehr als 150.000 Tonnen - gemessen an der Gesamtfördermenge an Steine und Erden-Rohstoffen von rund 100 Millionen Tonnen (das Meiste geht in den Straßen- und Betonbau) ein sehr geringer Anteil.

Für viele Bauten kann kein dem Original ähnliches Gestein mehr bezogen werden. Ist guter Rat teuer? Seit über 100 Jahren sammelt der Staatliche Geologische Dienst Informationen über den Untergrund des Landes, wertet sie aus, erstellt Karten und berät in allen Angelegenheiten, die mit Gesteinen, Böden, Rohstoffen und Grundwasser zu tun haben. Seit einigen Jahren greifen Denkmalschützer und Bauhütten daher verstärkt auf dieses Wissen zurück, wenn sie nach den historisch verwendeten Gesteinen suchen. Am Breisacher Münster können die Ergebnisse des Steinaustausches besichtigt werden, zu dem ein alter Steinbruch im Kaiserstuhl kurzzeitig wieder in Betrieb genommen wurde. Nach anfänglichen Widerständen und Befürchtungen sind heute alle zufrieden, Gemeinde, Naturschützer, Münsterbauverein und Denkmalschützer. Wenn im Jahre 2010 die Gerüste verschwunden sind, wird das hoch über dem Rhein gelegene Münster wieder in neuem Glanz erstrahlen.

In Ulm ist man noch nicht so weit. Die am höchsten Turm der Christenheit vor 500 Jahren verbauten ockerfarbenen Sandsteine müssen an vielen Stellen dringend ausgetauscht werden. Der saure Regen hat ihnen schwer zugesetzt. Das kalkige Bindemittel vieler Mauerquader hat sich durch den Eintrag von Schwefel aus der Luft zu Gips umgewandelt, der sich ausdehnt und das Gestein auseinander platzen lässt. Die Geologen des Landesamts suchen derzeit nach Sandsteinen, die wegen ihrer Zusammensetzung auch vom sauren Regen nicht angegriffen werden können und dem Originalgestein zum Verwechseln gleichen. Die erste Bohrkampagne ist erfolgreich abgeschlossen, die Eignungstests der erbohrten Sandsteine finden gerade statt. Dann erst kommt ein Probeabbau. Viele Jahre Geduld und viele Millionen Euro werden erforderlich sein, um die Schäden am grandiosen Bauwerk zu beheben.

Auch am Freiburger Münster wäre man glücklich, wenn aus den historischen Brüchen der Umgebung wieder haltbares Originalmaterial gewonnen werden könnte.

Mathias Henrich, LGBR

Bild: eingerüsteter Turmhelm des Freiburger Münsters © LGBR

     

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siehe auch:

Steinzerfall am Freiburger Münster (1984)

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