Kunstwerk des Monats
Oktober 2004

"Journal des Luxus und der Moden"
Weimar 1786 bis 1827

Das 18. Jahrhundert, das Zeitalter der Aufklärung, brachte unter anderem eine Gründungswelle von Zeitschriften, also periodisch erscheinenden Publikationen, hervor. Dies war erst aufgrund verbesserter Druckverfahren möglich geworden. Eine der erfolgreichsten journalistischen Unternehmungen der Goethezeit - nicht nur in Deutschland - war das "Journal des Luxus und der Moden", das heute eine literarische, kulturhistorische und bibliophile Kostbarkeit darstellt. Unternehmungsgeist und kaufmännisches Talent des Weimarer Verlegers und Literaten Friedrich Justin Bertuch waren dafür in hohem Maße verantwortlich.

Vor allem aber das breite inhaltliche Spektrum, das dem Modeverständnis des 18. Jahrhunderts entsprechend in unterhaltsamer wie belehrender Form über Mode, Theater und Musik, Politik, Einrichtung und Gartenarchitektur sowie Sitten
berichtete, verhalf dem Journal zu seiner Popularität. Klatsch, Gesellschaftsnachrichten und Illustrationen ergänzten diese Informationen. Als Beilage waren jeder Ausgabe sogenannte Intelligenzblätter (von engl. intelligence = Nachrichten) beigefügt, in denen amtliche Bekanntmachungen, Nachrichten und Berichte für Handel, Handwerk und Landwirtschaft sowie gewerbliche und private Anzeigen zu finden waren. Jeder Band umfasste ebenfalls drei zum Teil kolorierte Kupferstiche, für die der Mitherausgeber Georg Melchior Kraus verantwortlich zeichnete. Diese sogenannten Modekupfer spiegelten einerseits die neuesten Modetendenzen wider, präsentierten andererseits aber auch Einrichtungsgegenstände.
Im Besitz der Textilsammlung Max Berk o Kurpfälzisches Museum befinden sich 16 Bände
dieses kostbaren Journals aus den Jahren 1789 bis 1791, einer der bewegtesten Epochen der europäischen Geschichte, der Französischen Revolution. Zwar ist in diesen Anfangsjahren der Zeitschrift noch ein hoher Anteil an klassischen Modebeiträgen zu verzeichnen, die im Laufe des Erscheinens zugunsten literarischer Schwerpunkte und regionaler Meldungen in den Hintergrund traten. Dennoch sind gerade in der Rubrik "Moden-Neuigkeiten", vorwiegend unterteilt in England, Frankreich und Deutschland, sehr viele Informationen zu den politischen und sozialen Entwicklungen zu finden:
"Paris, den 29sten Julius 1789. B
y den stürmischen und blutigen Auftritten, die wir hier seit 14 Tagen erlebt haben, ruht alles was Geist der Mode heißt... Die Trauer über den Todt des Dauphins, die den vorigen Monat für Modesüchtler so trocken machte, ist also in diesen Monat durch die große politische Gäh-rung ersezt... Und in weniger als zwey Stunden, waren die schwarzen Fracks, und Karako's alle verschwunden, und an allen Hüthen flatterten grüne Kokarden, die aber, weil dies die Farbe des Grafen von Artois war, den ändern Tag mit hellblau, rosa und weiß vertauscht wurden..." (September 1789, S. 399)
"Paris, den 10ten August 1789. Das erste und neueste Opfer, das die Göttin Mode der Natio-nal-Freyheit gebracht hat, ist ein neuer National-Freyheits-Fächer, den seit gestern eine hiesige spekulirende Fächer-Fabrick geliefert, und wie man mich versichert schon ihren ganzen Vorrath davon verkauft hat. Er ist, wie Sie leicht denken können aus den drey neuen National-Farben, blau, roth und weiß komponirt, und recht artig erfunden..." (September 1789, S. 403)
"Paris, den SOsten August 1789. Es ist kaum glaublich was für eine totale Veränderung in den Grundsätzen und dem Wesen der sonst so frivolen Pariser vorgegangen ist. Ein Beweis davon, kann der Umstand seyn, daß ich seit der Eroberung der Bastille, keine neue Frisur, keinen neuen Huth, kein neues Bonnet ... bemerkt habe. Man glaubt sich von Grunde aus geputzt, wenn man die National-Kokarde am Huthe, vor der Brust, oder am Bonnet trägt... Die Modenhändler sind ihrem Ruine nahe, und die Putzmacherinnen mischen sich schon unter die Filles des Palais-Royal unter denen sie leicht
zu erkennen sind; dies ist eine große Erniedrigung für sie, denn bis jezt rangirten sie gleich nach den Entretenues und sie hatten unter den Kreaturen, die keine Ehre mehr haben, immer noch einen ehrlichen Platz..." (October 1789, S. 445 - 448)
"Paris, den 10ten Septemb. 1789... Unsere speculirenden Nippes-Fabrikanten haben aus den grauen Mauersteinen der niedergerißnen Bastille, Ringsteine und dergleichen schleifen und als Juwelen faßen lassen, und so trägt man jezt Ringe und Ohrenringe ä la Liberte nationale; Rockknöpfe, Fächer und Dosen ä la Bastille..." (October 1789, S. 453)
Aber natürlich sind die Berichterstattungen im Journal des Luxus und der Moden vor allem für Kostümhistoriker von unschätzbarem Interesse, denn sie spiegeln zum einen allgemeine Tendenzen wie die zunehmende Einflussnahme der englischen Mode im späten 18. Jahrhundert wider. Zum anderen benamen sie aktuelle und kurzlebige Trends, ohne deren Beschreibung und Bebilderung durch Modekupfer wir heute nur eine höchst unvollständige Vorstellung von der Vielfalt der Mode des 18. Jahrhunderts hätten. Dies war schon einem der Berichterstatter bewusst, der nach einer Auflistung von Artikeln (so z.B. einer Robe ä la Reunion, einem Caraco au Lutin, einer Chemise ä la Maroquaine, einem Redingote ä la Maure, einer Robe ä ('Amazone u.v.m.) aus dem Kleider-Magazin von Mme. Teillard im Palais Royal schreibt:
"Ein trefflicher Beytrag zu einem Dictionnaire de Mode, das zu sammlen mir schon oft eingefallen ist; denn es ist doch auffallend, daß fast täglich und monatlich neue Worte, Benennungen und Redensarten entstehen, eine Weile circuliren und allgemein verstanden werden, dann wieder wie Metoren verschwinden, und von denen vielleicht in fünfzig Jahren schon der gelehrteste Sprachforscher den verlohrnen Sinn und die wahre Bedeutung, wenn sie ihm irgendwo vorkommen, schlechterdings nicht mehr wird auffinden können, wenn sie nicht irgendwo in ein Moden-ldioticon gesammlet werden..." (Julius 1789, S. 315f.)

Text u. Bild: Kristine Scherer

"Journal des Luxus und der Moden"
Friedrich Justin Bertuch und Georg Melchior Kraus (Hrsg.) Weimar 1786 bis 1827, Inv.-Nr. 6/300/1-16
Textilsammlung Max Berk

 
Literatur:
Christina Kroll: Journal des Luxus und der Moden. Dortmund (Harenberg Komm.) 1989
Doris Kühles / Ulrike Standke: Journal des Luxus und der Moden: 1786 -1827; analytische Bibliographie mit sämtlichen 517 schwarzweißen und 976 farbigen Abbildungen der Originalzeitschrift / Stiftung Weimarer Klassik, Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek. München (Saur-Verlag) 2002
Angela Garen Borchert: Das Journal des Luxus und der Moden. Kultur um 1800. Heidelberg (Universitätsverlag Carl Winter) 2002
www.revolution.historicum.net/quellen/journal_luxus_ moden/
siehe auch:  
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