Am
7. Oktober 1649 zog Kurfürst Karl Ludwig (1617-1680), Sohn und
Erbe des glücklosen Winterkönigs, in Heidelberg ein, die Stadt,
in der er im Dezember 1617 geboren wurde und die er als zweijähriges
Kind zusammen mit seinen Eltern und dem Hof in Richtung Prag verlassen
hatte. Jetzt, nach dem Dreißigjährigen Krieg, glichen seine Regierungslande
einer wilden Tundra. Die Felder waren mit Dornengestrüpp überwuchert,
die Weinberge zerstört, und überall stieß man auf kärgliche Hütten,
in denen Armut und Elend, Raub und Verbrechen herrschte. Die Verluste
unter der Bevölkerung betrugen nach vorsichtigen Schätzungen an
die 70 Prozent, und die Überlebenden waren durch Krieg, Plünderung
und mehrfachen Glaubenswechsel in einem Zustand, der es schwer
machte, diese Menschen wieder an friedliche Zustände zu gewöhnen,
geschweige denn den notwendigen Wiederaufbau der Pfalz in Gang
zu bringen. Mit Steuervergünstigungen lockte der Kurfürst die
ausgewanderten Pfälzer, aber auch Landeskinder aus den angrenzenden
Territorien in die menschenleeren Ortschaften und Städte zurück,
indem er sich auf das alte "Wildfangrecht" der Pfalzgrafen berief.
Großzügig förderte er den Handel und ging selbst durch eine äußerst
sparsame Hofhaltung mit gutem Beispiel voran, so dass in Stadt
und Land bereits nach wenigen Jahren die Schäden des Dreißigjährigen
Kriegs wieder wettgemacht waren. Am 1. November 1652 konnte die
Universität wie im Gründungsjahr mit nur drei Professoren wiedereröffnet
werden. Bald wurden neue Lehrkräfte hinzugewonnen, und der Kurfürst
schrieb vor, dass die Professoren nach dem Vorbild anderer Universitäten
Talare tragen sollten. Die Kosten für die "absonderlich langen
schwarzen röckhe", sowie ihre Erneuerung alle sieben Jahre übernahm
die Staatskasse. An die Studenten erging die allgemeine Ermahnung,
" sich aller üppiger, muthwilliger und ihnen übel anstehender
tracht und kleidung gänzlich ab(zu)thun!". Vor allem die Theologen
sollten auf modische Kleidung verzichten und das Geld "zu erkauffung
guter bücher" verwenden. Die Universität erhielt auf Anweisung
des Kurfürsten ein Personal- und Vorlesungsverzeichnis, und die
Studenten mussten nicht mehr ausschließlich in den Bursen, sondern
konnten überall in der Stadt wohnen. Die Vorschrift, selbst beim
alltäglichen Gespräch die lateinische Sprache zu benutzen, entfiel. Einer
weiteren Maßnahme zur Erhöhung der Studentenzahlen in Heidelberg
verdanken wir den kuriosen Grenzstein "No 2 Studentenjagd". Am
28. Dezember 1655 erlaubte der Kurfürst den Heidelberger Studenten,
zwischen Rohrbach, Nußloch und Leimen sowie von Handschuhsheim
bis nach Schriesheim "zu ihrer ergötzlichkeit mit Rohren dem kleinen
Weidwerck nachzugehen und zu schießen, doch mit dem austrücklichen
Bedingen, daß es außerhalb Fasten und Herbstzeit von Ihnen geschehe,
und sie durchauß nicht einiger Hunden, Garn und Stricken sich
darzu gebrauchen."
Mit der Aushändigung eines Jagdscheins an den akademischen Nachwuchs
zusammen mit der Immatrikulation verband der Kurfürst vor allem
die Hoffnung, die Heidelberger Universität für vermögende Studenten
aus den Ausland wieder attraktiver zu machen. Allerdings behielt
der Nachfahre des "Jägers aus Kurpfalz" das landesherrliche Jagdregal,
"zu Jagen wie es ihm gefällt", fest in eigenen Händen und erlaubte
den Studenten nur die Jagd auf das so genannte Niederwild, in
erster Linie Hasen, Kaninchen und Rehe. Denn neben dem Verbot
des Gebrauchs von Hunden und Netzen fällt auf, dass sich das Jagdrevier
der Studenten ausschließlich auf die Feldflur, nicht aber auf
den jagdlich weit interessanteren Wald erstreckt, wo sich das
so genannte Hochwild, der edle Hirsch und das kapitale Wildschwein,
aufhält.
Fünf Jahre später, am 21.
Februar 1671, löste Karl Ludwig das südlich des Neckars liegende
Jagdrevier zwischen Rohrbach und Nußloch wieder auf und entzog
auch den Theologen und Medizinern, "als welche beide Professionen
sich zu solchem Weydwerk nicht wohl schicken", ihr Privileg. Beibehalten
wurde allein ein zwischen Handschuhsheim und Schriesheim verkleinertes
Jagdrevier, damit die Studiosi und Kavaliers dort "zu ihrer Ergotzlichkeit
mit Rohren das kleyne Weidtwerck treiben!" Die Studentenjagd wurde
unter den Kurfürsten Karl Philipp und Karl Theodor ausdrücklich
bestätigt. Ab 1746 durften auch die Theologen und Mediziner wieder
jagen. Anno 1790 ließ Kurfürst Karl Theodor das Jagdrevier der
Studenten mit neuen Grenzsteinen ausmarken, was der im Lapidarium
aufgestellte Grenzstein (Inv. Nr. PIG 82) bezeugt. Im Burghof
der Tief bürg in Handschuhsheim wurden in einer Fensternische
an der südlichen Wehrmauer zwei weitere Steine dieser "Studentenjagd"
eingemauert. Sie standen vorher am Stupfeigarten, Ecke Dossenheimer
Landstraße und Mühlingstraße, und auch in Dossenheim hat man einen
solchen Jagdstein nachträglich zur Erinnerung am Bach, in der
Nähe vom Gasthaus zum Schwanen, eingemauert.
Frieder Hepp
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