Mit
Zorn und Eifer
Sine
ira et studio - ohne Zorn und Eifer also - zu argumentieren
ist in der politischen Kultur sicher eine ehrenwerte Eigenschaft.
Mit
Zorn und Eifer aber arbeiteten die Revolutionäre vor
150 Jahren, und eines der Produkte ihres Zorns und ihres
Eifers sind die Karikaturen, die einen wesentlichen Teil
der Bestände des Reiss-Museums in Mannheim ausmachen.
Mit
Zorn und Eifer ist auch der Katalog benannt, der diese Bestände
an Karikaturen verzeichnet. Unter Federführung von
Grit Arnscheidt, die schon vor langen Jahren in der Reihe
der MuseumsHefte den ersten kurzen Überblick über
den Bestand vorgelegt hatte, entstand dieser Katalog, der
über die Ausstellung zum Revolutionsjubiläum hinaus
die Sammlung dokumentiert.
Vier
grundlegende zusammenfassende Artikel leiten den Band ein
und geben den notwendigen historischen Hintergrund: Dieter
Langewiesche fasst "Die deutsche Revolution 1848/49" zusammen,
Wolfgang Klötzer schreibt über "Die Deutsche Nationalversammlung
1848/49 in der Paulskirche", Peter Blastenbrei erweist sich
ein weiteres Mal als profunder Kenner der Mannheimer Verhältnisse,
und schließlich stellt Michael Stoelleis das Verhältnis
zwischen "Recht und Kunst" dar.
Der
eigentliche Katalogteil folgt dann den Themenkreisen der
revolutionären Entwicklung und stellt unter dem Titel
"Neue Art Thierkämpfe" die politischen Karikaturen
am Vorabend der Revolution dar. Hier boten vor allem der
Regierungsstil des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm
IV. und die Affäre in Bayern um Lola Montez Anlass
zur Kritik der Karikaturisten.
Die Märzbewegung selbst, nach den Demonstrationen und
Barrikadenkämpfen der ersten Märztage, fanden
ihren Niederschlag in Satiren, die unter der Überschrift
"Wie der deutsche Michel in Wuth gerät" gesammelt sind.
Der deutsche Michel wirft hier seine Schlafmütze weg
und lehrt die Vertreter der alten Gewalten das Fürchten.
Aber es sind auch bereits hier kritische Töne zu hören,
die das Missverhältnis zwischen der verkündeten
Volkssouveränität und der realen politischen Macht
(die weiterhin noch in der Hand der Fürsten lag) anprangern.
Auch hier ist es wieder Friedrich Wilhelm von Preußen,
der zur Zielscheibe der öffentlichen Kritik wird.
Die
nächsten Kapitel betreffen die Nationalversammlung
und ihre Mitglieder ("Parlamentarischer Fortschritt") sowie
die Parlamentsarbeit in der Karikatur. Hier nahm sich die
Zeichenfeder der Karikaturisten besonders das Parlamentspräsidium
sowie den rechten Abgeordneten Felix Fürst von Lichnowski
und den Vertreter der Deutschkatholiken Robert Blum vor.
Politisch weniger bedeutend, aber von der Erscheinung her
interessant war der "Turnvater" Friedrich Ludwig Jahn, der
sich der preußischkonservativen Gruppe anschloss.
Interessant sind auch die bereits aus der Stadtgeschichts-Sammlung
im Reiss-Museum bekannten "Parlamentarischen Hampelmänner".
Die Parlamentsarbeit selbst ("Schleswig-Holstein meerumschlungen")
geriet ins Kreuzfeuer der Kritik, als sich einerseits der
liberalkonservative Kompromiss eines Zusammengehens mit
den Fürsten abzeichnete, andererseits sich die Nationalversammlung
mit der selbständigen HolsteinPolitik Preußens
abfinden musste. Die daraufhin ausbrechenden Unruhen der
"September-Krise" markierten wohl auch im Bewußtsein
der Zeitgenossen einen Wendepunkt der Revolution, wie eine
Gegenüberstellung der Heckerhüte und Rauschebärte
des Frühjahres 1848 mit den Zylinderhüten und
gestutzten Schnauzbärten des Spätjahrs 1848 zeigt.
Die
Satiren zur Frage des deutschen Reichsoberhauptes ("Schirmherr"),
mit der diese Abteilung des Katalogbandes zu Ende geht,
kritisieren die Wiedererrichtung eines deutschen Kaisertums,
das als anachronistisch und verfehlt dargestellt wird.
Die
Revolution in Baden wird unter der Überschrift "Also
ists in Baden gangen" dargestellt. Den Epilog schließlich
bilden Satiren aus dem Jahre 1849 mit dem Titel "Wie der
deutsche Michel von seinem Freiheitsschwindel befreit wird".
Nach dieser Zeit unterband wieder die strenge Pressezensur
diese Art der politischen Meinungsäußerung.
Die
insgesamt 144 Karikaturen sind im Text ausführlich
beschrieben und gedeutet und im Anhang dokumentiert. Sie
zeigen auf eindrucksvolle Weise Fülle, Vielfalt und
Qualität der politischen Karikaturen zu den Ereignissen,
Personen und Auseinandersetzungen der Revolution.
Mit
Zorn und Eifer. Karikaturen aus der Revolution 1848/49.
Der Bestand des ReissMuseums Mannheim. Bearbeitet von
Grit Arnscheidt. Hg. von Hansjörg Probst und Karin
v. Welck. Mannheim (/München): ReissMuseum und
Klinkhardt & Biermann, 1998 |
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