Aufstand
in Wien
Vor
dem Europa-Hotel hat sich rechts auf Kisten und Kasten eine
Gesellschaft prominenter Flüchtlinge beim Tee versammelt.
Unter ihnen erkennt man, auf seinen berühmten Parapluie
gestützt und auf einer »100000 Millionenn Cassa«
sitzend, den »durchgebrannten« französischen
Bürgerkönig Louis Philippe. Von links erscheint
mit »Bluthund« und Peitsche der »Kartätschenprinz«
Wilhelm von Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm
I. Auf dem »Weg des Schicksals« begegnet er der
aus München geflohenen Lola Montez, die auf König
Ludwig I. von Bayern wartet. In einem Karren, in dem er
sich unter Wäschestücken versteckt hat, passiert
der gestürzte österreichische Staatskanzler Fürst
Metternich (»Mitternacht«), aus Wien kommend,
den Schauplatz. In der Eile seiner Flucht ist ihm sein »europäisch
diplomatisches Prinzip« abhanden gekommen und liegt
als wertloser Fetzen Papier, von einem Pudel besudelt, im
Straßenstaub. Als Kommentar der beiden von den Münchner
»Fliegenden Blättern« auf Deutschlandreise
geschickten Beobachter Baron Beisele und Dr. Eisele, die
sich rechts oben aus einem Hotelfenster hinauslehnen, erscheinen
vier Zeilen Text in lateinischer Schreibschrift: »Lieber
Doctor, was thun denn die vielen Leute hier? Lieber Herr
Baron, das giebt einen europäisch diplomatischen Thee,
als Fortsetzung der Wiener und Carlsbader geheimen Beschlüsse!
-«
Das
Blatt thematisiert den Sturz verhaßter Symbolgestalten
der alten Ordnung durch die Märzrevolution, namentlich
die Demission des österreichischen Staatskanzlers Fürst
Metternich vom 13. März 1848, seine Flucht aus Wien
und das Ende des nach ihm benannten politischen Systems.
Text aus: Katalog "Mit Zorn und Eifer" Nr. 21
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