Waren
die Lahrer Streithammel?
Lahr.
Oberbürgermeister Wolfgang Müller eröffnete
am Sonntag die Ausstellung zur Revolution "(K)ein Michel unterm
Storchenturm". Nachdem er in seinem Grußwort zunächst
die "badische Revolution" ins rechte Licht gerückt und
festgestellt hatte, daß damals nicht nur in Baden, sondern
in ganz Europa der Freiheitsgedanke zu Veränderungen
und auch Aufständen geführt hatte, stellte er die
Frage, die vielleicht viele Lahrer bewegt hatte: War denn
damals überhaupt etwas los in Lahr? Nach einem ersten
Rundgang könne er nun feststellen, daß "wir" stolz
sein könnten auf so viel lokalen Anteil am Geschehen.
Die Ausstellung veranschauliche, daß wir in einem geschichtlichen
Kontext lebten, daß das Heute immer nur von damals her
zu verstehen sei.
Thorsten
Mietzner, der die Ausstellung initiiert habe, könne
den Lahrern nur zeigen, was da los war. Viele Nachfahren
der handelnden Männer lebten heute noch in Lahr. Auch
deshalb sei es gut, daß Lahr die Entscheidung für
eine eigene Ausstellung getroffen habe. Aufgehorcht haben
wohl auch manche der Anwesenden, als (OB) Müller nach
dem Lob auf die schönen Räume im Alten Rathaus
die Hoffnung äußerte, daß schon bald Pläne
für die Nutzung des Hauses konkretisiert werden können.
Erfrischend kurz faßte sich nach dem OB auch Thorsten
Mietzner. Seine Frage sei gewesen "Waren die Lahrer Streithammel?",
sein Ziel, dem kollektiven Gedächtnis der Lahrer auf
die Sprünge zu helfen, das allerdings sei in Sachen
Revolution bescheiden, wenn nicht gar falsch gewesen.
Bescheiden
stellte er fest, daß seine Arbeit keineswegs zu einem
objektiven Bild geführt habe, auch einen roten Faden
gebe es nicht. Die Grenzen hätten ihm seine eigenen
Vorlieben, Abneigungen und auch seine Fähigkeiten gesetzt.
Im Mittelpunkt der Objekte stehe der Konflikt. Man habe
über beinahe alles gestritten. Aber das eben sei ein
Stück demokratischer Entwicklung, Demokratie habe viel
mit Streiten zu tun. Gezeigt werde vor allem Schriftliches,
die meisten Exponate seien aus dem Archiv - Briefe Druckschriften,
Zeichnungen und Bücher, aber auch Abbildungen. Seine
Empfehlung für den Besucher: Nicht unbedingt alles
zu lesen, aber sich hin und wieder in eines der Exponate
zu vertiefen und es vollständig zu lesen.
Beim
Gang durch die Ausstellung konnte man einen ersten Eindruck
gewinnen. Selbst wer sich in Lahr auskennt, kann viele Schätze
entdecken, so der nur kurze Zeit und als Konkurrenz zum
eher gemäßigten Wochenblatt erschienene "Schutterbote",
der in allen Ausgaben ausliegt. Ein Glückwunsch dem
Thorsten Mietzner, der sich mit dieser Ausstellung als ein
Lahrkundiger, aber auch als ein geschickter Ausstellungsmacher
und eigentlich als unentbehrlich für Lahr erwiesen
hat.
Copyright
Lahrer Zeitung, 23.6.98
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