Projekt kulturer.be
5.3.24
(ISOE/idw) Das Insektensterben schreitet auch in Deutschland voran – sogar in Naturschutzgebieten. Woran liegt das und wie könnten Lösungen für einen wirksamen Insektenschutz aussehen? Diese Fragen hat das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung mit weiteren Einrichtungen der Umwelt- und Biodiversitätsforschung im Projekt „DINA“ unter der Leitung des NABU – Naturschutzbund Deutschland untersucht.
Mit Abschluss des Forschungsprojektes „DINA – Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen“ haben die Projektpartner die bisher umfangreichste Datenbasis zur Anzahl und Vielfalt fliegender Insektenarten in ausgewählten Schutzgebieten Deutschlands vorgelegt. Die Ergebnisse zeigen: Der Verlust der Artenvielfalt macht auch vor ausgewiesenen Schutzzonen nicht halt. Gründe dafür liegen unter anderem auch in der konventionellen Landnutzung auf angrenzenden Äckern zu den Naturschutzgebieten.
„Damit eine Trendumkehr für einen besseren Insektenschutz möglich wird, ist es wichtig, die Kooperationsbereitschaft, die bei vielen lokalen Beteiligten rund um ein Naturschutzgebiet besteht, auch zu nutzen und das Engagement für den Insektenschutz zu fördern“, sagt ISOE-Biodiversitätsforscher Florian Dirk Schneider. „Wirksamer Insektenschutz muss nicht nur die Flächen im Gebiet, sondern auch in der unmittelbaren Umgebung in die Entwicklung von Schutzmaßnahmen einbeziehen. Akzeptierte und praxistaugliche Lösungen für diese Herausforderung erfordern die Zusammenarbeit von Landwirtschaft, Naturschutz, Wissenschaft, Behörden, Politik und Zivilgesellschaft.“ Mit seinem Team hat Schneider sich im Projekt „DINA“ deshalb in Fallstudien auf lokale Praxisakteure aus Naturschutz und Landwirtschaft konzentriert und deren Motivation zum Handeln für den Insektenschutz untersucht.
Wie kann der Schutz für Insekten verbessert werden?
An drei Standorten führte das ISOE Dialogreihen mit lokalen Akteuren durch. Dabei wurde auch die Datenlage zu lokalen Pestizidbefunden und Insektenvielfalt aus dem Malaisefallen-Monitoring im Projekt diskutiert, die Hinweise auf die Kontaminierung der Insekten liefern – aufgrund ihrer hohen Flugmobilität, die sie aus den Schutzgebieten heraus in die angrenzenden Ackerflächen führen kann. Dabei wurde deutlich: „Obwohl die Ergebnisse von DINA zeigen, dass Insekten in Schutzgebieten generell von der umgebenden Landnutzung negativ beeinflusst sind, geben die Daten auf lokaler Ebene nur bedingt Anlass zum Handeln für die Akteurinnen und Akteure“, berichtet Schneider.
Das Problem: Die Gefahr für die Insekten werde von den Akteuren als eine abstrakte wahrgenommen. „Eine konkrete Gefährdung für die Insekten im eigenen Schutzgebiet ist aus den vorhandenen Daten in der Wahrnehmung vieler Beteiligter noch nicht unzweideutig herzuleiten. Die Naturschutzbehörden und Landwirtschaftsbetriebe können vorbeugende Maßnahmen zum Schutz der Insekten deshalb nur bedingt rechtfertigen“, sagt Schneider. Hinzu komme, dass oft Belege für die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen unter den örtlichen Gegebenheiten fehlten. „Es ist wichtig, dass ein bundesweites Monitoring der Insektenvielfalt auch Aussagen zur Gefährdung oder Erholung der Insektenbestände in einem bestimmten Schutzgebiet ermöglicht.“
Engagement für das Schutzgebiet vor der eigenen Haustür fördern
Das Forschungsprojekt DINA habe gezeigt, dass der Wissensaustausch zum Zustand der Artenvielfalt in einem konkreten Schutzgebiet sowie zu ortsbezogenen Lösungsansätzen entscheidend sei, damit effektive Insektenschutzmaßnahmen entwickelt und umgesetzt werden könnten. „Wir finden in den deutschen Naturschutzgebieten sehr unterschiedliche Situationen vor, was Ursachen und Folgen des Biodiversitätsverlustes, aber auch verschiedene Interessenlagen betrifft. Mit pauschal verordneten Maßnahmen zum Insektenschutz ist den Akteuren vor Ort deshalb nicht geholfen. Vielmehr ist es notwendig, dass die unterschiedlichen Akteure vor Ort gemeinsam zu praxistauglichen Insektenschutz-Lösungen kommen, die konsensfähig sind“, erklärt Schneider. Hierfür seien moderierte Dialogreihen ideal, da sie den Austausch mit unterschiedlichen Positionen zulassen und dazu beitragen, dass Differenzen und Sachzwänge offengelegt und konstruktiv aufgelöst werden können.
„Die Kooperationsbereitschaft ist auf allen Seiten groß, wenn es um das Schutzgebiet vor der eigenen Haustür geht. Dieses Potenzial für ein freiwilliges Engagement muss nicht nur finanziell, sondern auch strukturell gefördert werden, etwa durch die Entwicklung von staatlichen Beratungs- und Dialogformaten“, sagt Schneider. Die Entschlossenheit aller Akteure, gemeinsam vor Ort gezielt etwas für die Insektenvielfalt im Schutzgebiet zu tun, könne aus Sicht des Biodiversitätsforschers noch gefördert werden, indem die lokale Öffentlichkeit miteinbezogen werde, etwa durch Umweltbildungsmaßnahmen. „Landbewirtschafter*innen beklagen eine einseitige Wahrnehmung der Ursachen und vermissen die gesellschaftliche Anerkennung für ihre Rolle in der Landschaftspflege, etwa bei der Anlage von artenreichen Ackerbiotopen. Umweltbildung und Vermittlung rund um die örtliche Insektenvielfalt im Schutzgebiet und die dort umgesetzten Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes können dazu beitragen, derartige Konflikte zu überwinden und die gesamte Gesellschaft in die Problemlösung einzubeziehen.“
Über das Projekt
„DINA – Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen“ ist ein transdisziplinäres Forschungsprojekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. In dem Projekt arbeiten seit 2019 acht Partnerinstitute unter der Leitung des NABU zur Insektenvielfalt in Naturschutzgebieten. An repräsentativen Standorten wurden Fluginsekten mittels Malaisefallen durch den Entomologischen Verein Krefeld (EVK) und Ehrenamtliche des NABU erfasst und dokumentiert. Die Auswertung mit modernen molekularen Methoden der Artbestimmung über DNA-Analysen (Metabarcoding) erfolgte durch das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) in Bonn, Vegetationsanalysen durch die Universität Kassel (UniKS), Spurenstoffanalytik durch die Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau, AG. Das IÖR (Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung) analysierte Geodaten rund um die Untersuchungsstandorte. Die sozialwissenschaftlichen Analysen wurden vom Internationalen Zentrum für Nachhaltige Entwicklung (IZNE) der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg vorgenommen. Das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung führte Dialogreihen in drei Naturschutzgebieten in Deutschland durch.
Melanie Neugart Wissenskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
ISOE - Institut für sozial-ökologische Forschung
DINA Policy Brief - Zentrale Ergebnisse und Empfehlungen des Forschungsverbunds
https://www.dina-insektenforschung.de/aktuelles
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Bild links | Pexels, Ksenia Chernaya |
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