Archäopark Federsee


Bachritterburg Kanzach

Eine Adels-Burg aus Holz?
Staunen - Begreifen - Mitmachen auf der Bachritterburg

Am ersten April des Jahres 2004 öffnete eine nagelneue spätmittelalterliche Burg ihre Pforten für Besucher. Die zum ArchäoPark Federsee gehörige Bachritterburg in Kanzach ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von Mittelalter-Archäologen, Bauforschern, Architekten und traditionell arbeitenden Handwerkern. In mühevoller Kleinarbeit recherchierten die Wissenschaftler Details für den Wiederaufbau und die Ausstattung einer Burg.

Entstanden ist nicht genau das Gut der Herren von Kanzach, genannt Bachritter, das vor 700 Jahren in Sichtweite des Neubaus stand. Entstanden ist eine Burganlage, wie sie nach dem aktuellen Stand der Forschung im frühen 14. Jahrhundert existiert haben müsste: eine Burg aus Holz! Das Freilichtmuseum zeigt mit Wohnturm, Palisade, Wohnstallhaus der Bauern, Scheune, Schuppen mit Schmiede und Backofen sowie einem Speicherbau das Anwesen eines Niederadeligen. Die Wissenschaftler waren beim Nachbau auf das angewiesen, was sich über die Jahre hinweg erhalten hat. So sind die Vorbilder der Burg teils aus Baden-Württemberg, teils aus der Schweiz und natürlich aus Oberschwaben. So konnte jeder einzelne Nachbau vom imposanten Turm bis zum kleinen Spielpferdchen aus Keramik nach archäologischen Originalen und erhaltenen Baudenkmälern gestaltet werden.
Die entstandene Burg ist nicht nur neu, sondern sie sieht auch neu aus - ein ungewohntes Bild des Mittelalters. Wenn man die Ruinen alter Burgen besucht, vergisst man oft, dass auch diese Baureste einst ein Richtfest hatten und modernste Zeugnisse der damaligen Kultur waren. Genau diesen "Lebenszustand" im frühen 14. Jahrhundert will unsere Bachritterburg zeigen. Die Räume sind so konzipiert, als ob der Bachritter mit seiner Familie und seinem Gesinde jeden Moment zur Tür hereinkommen würde. Die Besucher sollen in ihrer Fantasie eine Zeitreise in das beginnende Spätmittelalter antreten und in die Rolle des Gastes auf der Bachritterburg schlüpfen. Die Anlage ist kein "klassisches" Museum, in dem einzelne Stücke vergangener Lebenswelten in Vitrinen liegen. In der Burg ist (noch?) kein einziges Original zu sehen. Sie ist "lediglich" eine bisher einzigartige Rekonstruktion der vergangenen Lebenswelt. Spätestens wenn man über die sehr hohe Türschwelle des Wohnstallhauses stolpern, merkt man, dass kein moderner Innenarchitekt an der Planung beteiligt war.
"Living history" ist eine in Deutschland ziemlich junge Wissenschaftsdisziplin zwischen Experimenteller Archäologie und Museumspädagogik. Ihr Ziel ist es, die oftmals trockenen und für ein breites Publikum schwer zugänglichen Ergebnisse der Geschichtsforschung aus dem Staub der Magazine heraus zu holen und auch aus der Rekonstruktion der Vergangenheit zu lernen. Bei einem Besuch in der Bachritterburg kommen selbst dem Fachmann Fragen in den Kopf, die er sich während der täglichen Forschungsarbeit nicht stellt. Denn der Nachbau einer kompletten Lebenswelt stößt schnell an die Grenzen der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnis. Viele Lebensbereiche in der Burg können nur aufgrund weniger Indizien rekonstruiert werden, teilweise müssen Grabungsergebnisse aus weit entfernten Regionen Europas bemüht werden. So ist die Bachritterburg - wie jede Rekonstruktion - immer auch ein Abbild des aktuellen Wissenstandes, das ständig aktualisiert werden muss. Hierfür ist das Team des ArchäoParks Federsee zuständig. Dem Team gehören neben einem neuen Mittelalterarchäologen vor allem die Wissenschaftler des überregional bekannten Federseemuseums Bad Buchau an. Durch die neue Kooperation der beiden Museen kann auch für die neue Burg ein hoher musealer Standard garantiert werden. Von April bis Oktober sollen die Burg und das Federseemuseum zum Treffpunkt für Archäologieinteressierte werden, die Geschichte mit den Händen begreifen und auch selbst einmal mitmachen wollen.

Die Bachritterburg bietet jeden Sonntag um 14 Uhr eine freie Führung sowie regelmäßig Kinderwerkstätten und Belebungen mit Handwerkern, Bauern und Rittern. Am 18. April steigt das Frühlingsfest des ArchäoParks Federsee in Bad Buchau und Kanzach und im Juli findet das Internationale Bachritterfest - ein Stelldichein für Ritter, Musikanten und natürlich Kaufleute und Handwerker aus ganz Europa - statt. Die Burgschänke ist während der Öffnungszeiten in Betrieb und versorgt sie mit deftigen Mittelaltergerichten, Bier nach mittelalterlichen Rezepten, Kanzacher Kuchen und sonstigen Lebenselixieren.


LITERATUR IN AUSWAHL:
- Tilman Mittelstraß, Die Rekonstruktion einer hölzernen Turmburg des Mittelalters aus dem Kraichgau. Kraichgau. Beiträge zur Landschafts- und Heimatforschung 17, 2001, 43-49.
- Tilman Mittelstraß, Die Bachritterburg in Kanzach. Bericht über die Rekonstruktion einer hölzernen Turmburg des späten 13. Jahrhunderts (Manuskript Regensburg 2001).
- Sven-Hinrich Siemers, Willkommen in der Bachritterburg zu Kanzach! Führungsblatt (Kanzach 2004).

Text: Dr. Siemers, Museum; Bild: Museum

   

im Detail:

Wer waren die Bachritter?

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Bilder

siehe auch:

Jahresprogramm 2004
Herbstfest 2004

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