Der „närrische Moler“ von Haslach

Zum 125. Todestag von Carl Sandhaas
Esther Vögely, Karlsruhe

Wer sich mit Carl Sandhaas beschäftigt, blickt in die Abgründe eines Menschenlebens, das unter der Bürde der Genialität und der durch Vererbung vorhandenen Schwermut schwer litt und mit seinem Schicksal nicht fertig wurde. Er hat es mit einem Leben zu tun, dessen Beginn im Dunkeln liegt, das in manchem Jahr nicht genau zu verfolgen ist, dessen letzter Abschnitt klar vor dem Betrachter liegt, denn nichts ist so sicher wie das langsame Sterben des Carl Sandhaas in Haslach.
Um die Vita des Haslacher Malers lückenlos aufzeigen zu können, sind viele Bemühungen gemacht worden, von Dichtern und von Heimatforschern. Das erste Lebensbild hat Julius Allgeyer geschrieben, ebenfalls ein geborener Haslacher. Allgeyer, selbst ein hervorragender Radierer, kannte Sandhaas noch und widmete ihm "Poetische Bilder aus dem Leben des Malers Carl Sandhaas von Julius Allgeyer, geschrieben im Jahre 1854." Es sind im romantischen Geist geschriebene Verse, und wo immer diese dichterische Form nach einem Lebensablauf greift, legt sie weniger wert auf Zahlen und Daten. So ist dies auch bei Allgeyer. Dies hatte Auswirkungen, denn als Heinrich Hansjakob sich seines Landsmannes annahm, den er ebenfalls noch kannte, und die Erzählung "Der närrische Maler" schrieb ("Wilde Kirschen", Heidelberg 1888) folgte er Allgeyers Beschreibung, wenn er auch noch viel selbst wußte. In dieser Meistererzählung Hansjakobs mischen sich also Dichtung und Wahrheit, was ihren Wert nicht mindert, denn sie hat das unbestreitbare Verdienst, dem Andenken von Carl Sandhaas den größten Dienst geleistet zu haben. Dann nahm sich Johann Karl Kempf um das Geschlecht des Sandhaasen an. In seinem Beitrag "Karl Sandhaas, der närrische Maler von Haslach" ("Mein Heimatland" 1930, S. 223-239) legte er eine sachliche, fundierte Lebensbeschreibung des Malers vor, welche den Stand der Sandhaasen-Forschung jener Jahre aufarbeitete. Diesem Aufsatz ließ Kempf 1933 in der "Ortenau", Heft 20, S. 1-17, die Arbeit "Maler Karl Sandhaas in Darmstadt und Frankfurt a. M." folgen. Glückliche Umstände ermöglichten es ihm, die für Sandhaas durch die Freundschaft mit Fritz Max Hessemer und Georg Gottfried Gervinus so wichtige Darmstädter Zeit anhand von Briefen des Gervinus an Hessemer und Zeichnungen von Carl Sandhaas zu dokumentieren und zu erhellen. 26 Jahre später, im Jahre 1959, folgte aus Anlaß des 100. Todestages des Malers die Schrift von Franz Schmider "Maler Karl Sandhaas" (Selbstverlag der Stadt Haslach i. K.). Schmider ist es zu danken, daß er durch aufmerksames Akten- und Quellenstudium manche Unklarheiten in den bisherigen Schriften bereinigen, manches andere in Frage stellen konnte. Was Schmider im Leben des Carl Sandhaas nicht aufspüren konnte, wird wohl immer im Dunkeln bleiben müssen. Diese Zeilen können also nichts Neues bieten, was das Leben des Malers betrifft, sie beruhen auf der angegebenen Literatur. Ihr Sinn und Zweck ist es, wieder einmal aus Anlaß seines 125. Todestages auf Carl Sandhaas und die Bemühungen der Stadt Haslach um ihren unglücklichen Sohn hinzuweisen. Ein ergreifendes Menschen - und Künstlerschicksal ist immer einer Betrachtung und der Anteilnahme wert.
 

Bilder

Wo wurde Carl Sandhaas geboren? Wer war sein Vater? Beide Fragen sind nicht sicher zu beantworten. Sicher ist, daß die Maria Margarete Sandhaas, das Gretle, das Kind ledig geboren hat. Die Spekulationen um den Vater gehen in eine eindeutige Richtung und kreisen um den Gefälleinnehmer und Kanzlisten Hans Wölfle, der 1786-1789 in Wolfach tätig war. Vielleicht hat er in dieser Zeit das Gretle kennengelernt. Nicht zu beweisen ist auch, daß Gretle Sandhaas dem Junggesellen Wölfle in der Zeit um 1800 in Hüfin-gen den Haushalt geführt hat, durch sein Heiratsversprechen seinem Drängen nachgegeben und - schwanger geworden - von

ihm aus dem Hause gejagt wurde. (Wölfle wurde 1793 nach Stühlingen versetzt und kam erst 1806 als Landschaftskassier nach Hüfingen zurück). Eindeutiger Tenor aller Autoren: Zuzutrauen wäre diese unglaubliche Tat dem Wölfle wohl! Er muß einen zweifelhaften Charakter gehabt haben, seine Versetzungen waren im Grunde Strafversetzungen. Eine neuere Version zieht auch den Fürstl.-Fürstenbergischen Hofmaler Johann Baptist Steele als Vater in Betracht.

Es ist nicht feststellbar, wo Margarete Sandhaas den Jungen zur Welt gebracht hat, es ist nicht einmal sicher, ob er in Haslach getauft wurde. Im Taufbuch ist lediglich ein Zettel eingeklebt mit den Worten: "Karl Sandhaas ist geboren 24. Februar 1801." Die verzweifelte Mutter kam in einem kleinen Häuschen bei zwei ledigen Schwestern unter und führte fortan gedemütigt ein wenig schönes Leben. Maria Margarete, geb. 1. 12. 1771, stammte aus dem bekannten, weitverzweigten Geschlecht der Sandhaasen. Dr. Kempf stellte dazu fest: "Fast jedes Geschlecht, ob fürstlich, adelig oder bürgerlich, hat seine besonderen Erlebnisse und Schicksale, und manchmal wird ein Geschlecht schwer heimgesucht. So hat auch die Geschichte der Sandhaasen auch zwei in Wahnsinn gefallene geistvolle Menschen zu verzeichnen." ("Mein Heimatland" 1930, S. 119 ff.). Er spielte dabei auf das Schicksal des wahnsinnig gewordenen Trompetenmachers Wendelin Sandhaas an, der seinen Instrumenten die phantastischste Form gab, und auf den Genialsten der Sandhaasen, Carl. Dieses Geschlecht der Schmiede, Hufschmiede, Kupferschmiede, Ratsherren und Bürgermeister war künstlerisch sehr begabt, hatte aber auch eine grüblerische, schwermütige Erbanlage, die immer wieder einmal durchschlug.

Zunächst jedoch wuchs der Junge in ärmlichen, kleinen Verhältnissen auf. Hansjakob, der für die Jugend des Malers ein zuverlässiger Erzähler ist, berichtet: "Das Leben dreier lediger vermögenslosen Weibspersonen auf dem Lande ist ein sehr monotones und armseliges. Unsere drei Schwestern verdienten sich ihr Brot mit Aushilfsdiensten, im Sommer mit Arbeiten auf dem Feld, im Winter mit Spinnen und Stricken. Gar öde muß es gewesen sein zur Winterszeit, wo die Sonne kaum an die kleinen Fenster gelangte in ihrem dunkeln Häuschen..." ("Wilde Kirschen" S. 160). Hinzu kam die grobe, ungerechte, verspottende Behandlung, die man von Seiten der Bevölkerung den unehelich geborenen Kindern angedeihen ließ. Diese frühen Jugendjahre mit den bitteren Erlebnissen haben wohl im Unterbewußtsein des Carl Sandhaas eine große Rolle gespielt und können wenigstens teilweise für sein späteres Verhalten verantwortlich gemacht werden. Auf jeden Fall machten sie es zusammen mit der einfachen Schulbildung, die er in Haslach genoß, Sandhaas schwer, in gehobeneren Schichten Fuß zu fassen und sich anzupassen. Sicher war seine innere Unsicherheit groß, sein Auftreten beweist dies oft.

Die künstlerische Ader der Sandhaasen brach in dem Jungen bald durch, und zwar in doppelter Weise. Einmal war er sehr musikalisch und spielte später die Querflöte meisterhaft, zum ändern fiel er seinem Lehrer Blum durch sein Zeichentalent auf. Für Carl Sandhaas war es ein Glücksfall, daß er aus den engen Verhältnissen herauskam, weil ihn ein Bruder seiner Mutter, der es in Darmstadt zum Hof- und Theatermaler gebracht hatte, zu sich nahm. Die Zeit, die er bei seinem Onkel Lorenz zubrachte, läßt sich zwischen 1817 und 1824 datieren. Fraglich ist, ob Carl einen gezielten Malunterricht durch seinen Onkel erhalten hat. Schmider meint, daß von dem Theatermaler nichts auf ihn abgefärbt habe, wohl aber könnte man bei der Betrachtung von Zeichnungen, die Sandhaas während der Darmstädter Zeit geschaffen habe, den Eindruck gewinnen, daß er sich selbst weitergebildet habe. Nachhaltig fördernd war ohne Frage der Freundeskreis mit jungen Darmstädter Künstlern, z. B. den Malern, Kupferstechern u. Grafikern Schilbach, Lucas, App und dem Bildhauer Scholl. Entscheidend aber für Sandhaas wurde die Freundschaft mit Fritz Max Hessemer, Sohn einer sehr angesehenen und wohlhabenden Familie, der Sandhaas in diesen Freundeskreis gebracht hatte. Fritz Hessemer wurde zum Mentor, Protektor und hingebenden Freund des jungen Malers. Selbst hochkünstlerisch veranlagt, idealistisch gesinnt, praktizierte er eine tätige Freundschaft, unterstützte Sandhaas auch jahrelang mit mehr Geld, als diesem vielleicht gut getan hat. Zu diesem Bund kam nach 1820 der später berühmt gewordene Politiker und Literaturhistoriker Georg Gottfried Gervinus hinzu. Drei völlig verschiedene Charaktere hattensich gefunden. Sandhaas zeichnete in jener Zeit eine große Anzahl Porträts, vor allem Bilder der Familie Hessemer, darunter drei Bildnisse seines Freundes aus den Jahren 1817, 1822 und 1826. Diese Porträts sind hervorragend gelungen und zeigen den künstlerischen Fortschritt des Malers deutlich. Alle diese Blätter sammelte die Frau von Fritz Hessemer in einer Mappe - die Darmstädter Mappe - die später über ihren Sohn Paul an Hansjakob kam und heute ein wertvoller Besitz des Haslacher Heimatmuseums ist. Unter diesen Zeichnungen befindet sich ein Selbstporträt in Aquarell, das durch den tiefen Ernst beeindruckt, der in den Augen liegt. Noch ein Blatt von Sandhaas ist weitum bekannt, ohne daß man vielleicht weiß, daß es von ihm stammt. Sein Onkel Lorenz hatte Dekorationsmalereien im Markgräflichen Palais und den Stadtkirchen zu Karlsruhe ausgeführt und schickte Carl, das Honorar abzuholen. Dabei lernte dieser den Oberbaudirektor Weinbrenner kennen, und es entstand ein Bildnis des großen Baumeisters, das in dem Werk von Valdenaire "Friedrich Weinbrenner" abgebildet ist.

Es ist nicht genau zu bestimmen, wann Sandhaas von Darmstadt weg ist. 1823 hielt er sich in Freiburg auf, das er 1824 verlassen haben muß. Bis zum Sommer 1825 ist er vermutlich daheim in Haslach gewesen. Im August 1825 schrieb er Hessemer von München. Dort malte Peter Cornelius die Glyptothek mit seinen Fresken aus, und Sandhaas wurde sein Schüler, ohne daß er von der ins Große gehenden Malerei des Meisters sehr beeinflußt worden wäre. Sein sprunghaftes Wesen zeigte sich wieder einmal darin, daß er plötzlich München verließ und nach Italien ging, das er von Nord nach Süd zu Fuß durchwanderte. (Frühjahr und Sommer 1826) 1827 war Sandhaas wieder in München. Sicher hat er dort den Unterricht nicht systematisch beendet, er war nur drei Jahre in der Stadt, während die Ausbildung auf sechs Jahre festgesetzt war. 1828 tauchte Sandhaas in Frankfurt a. M. auf, wo ihm wieder ein Freund und Helfer in dem Kupferstecher, Maler und Schriftsteller Johann Karl Barth erwuchs. Barth wollte Sandhaas helfen, wieder Fuß zu fassen, vernünftig zu werden, wieder zum Arbeiten zu bringen. Es war vergebens, die angeborene Krankheit wirkte sich immer stärker aus. Als Sandhaas' Mutter am 31. 12. 1829 starb, kam er nach Haslach. Der Wille, in der Welt etwas Großes zu leisten, war gebrochen, er blieb mit nur kurzen Unterbrechungen fortan in der Heimat.

Was Sandhaas zeitlebens am schlechtesten konnte, war das Geldverdienen. Nun mußte er es. Die besten Leistungen des Künstlers waren von jeher seine Porträts. Vom Porträtieren lebte er nun. Sandhaas hatte die Gabe, schnell zu erfassen, wer da vor ihm saß, dessen Äußeres, aber auch, wes Geistes Kind dieser war. Deshalb sind seine Porträts so lebensnah und wahr, er war ein hervorragender Porträtmaler und wurde weitum bekannt. Eine große Anzahl Porträts hat Sandhaas in jenen Jahren geschaffen, wer etwas auf sich hielt, ließ sich von ihm malen. Eine weitere Geldquelle waren 67 von 72 Tafeln, die Sandhaas für ein medizinisches Werk von Prof. Dr. Heinrich Baumgartner gezeichnet hat. Es handelte sich um Porträts von Kranken, die der Professor zur Demonstration benötigte.

Zwei Ereignisse, beide hieb- und stichfester Berichterstattung entzogen, spielten Sandhaas böse mit und gaben seiner Krankheit einen kräftigen Schub. Es wäre verwunderlich gewesen, wenn ein so schöner Mann, wie Sandhaas einer war, nicht auch eine tiefe Liebe hätte erfahren. Das Mädchen hieß Mine, ihr Nachname ist unbekannt. Bei Hansjakob ist sie die Jägers-Mine, Tochter eines hartherzigen Vaters, der ihr den Umgang mit dem "närrischen Moler" verbot, sie so schikanierte, bis sie an Nervenfieber starb. Der Todestag ist nicht feststellbar. Für Sandhaas ging die Sonne für immer unter. Zuvor hatte sich die mysteriöse Angelegenheit mit dem - nach Hansjakob - vom Stadtrat gegebenen Auftrag, eine Himmelfahrt Christi zu malen, abgespielt. Sandhaas soll nun der Mutter Gottes das Antlitz der Mine gegeben, einen Apostel mit seinem Gesicht versehen haben. Ablehnung, Entrüstung, Hohn und Spott seien die Folge davon gewesen. Schmider hat nachgewiesen, daß dies so nicht stimmt. Allgeyer spricht von einer Geburt Christi, die der Künstler ohne Auftrag gemalt und dem Stadtrat angeboten habe, das aber wegen des Gesichtes der Maria (Mine) nicht angenommen wurde.

Fortsetzung
 
 



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