Mit beachtlicher Intensität gibt das Portrait der modisch
gekleideten Dame verschiedene stoffliche Oberflächen wieder.
So etwa die schimmernde Seide des grünen Kleides, den flauschige
Randbesatz des weißen Capes, das ihre Gestalt umhüllt,
oder die Tüllspitze an den Ärmeln des Kleides. Auch
im Hintergrund wurde die kühle Glätte der Marmorwand
mit Pilaster realistisch erfasst.
Der
unbekannte Künstler wählte hierfür die Technik
des Pastells, die sich seit dem 17. Jahrhundert als besonders
geeignet zur künstlerischen Übersetzung stofflicher
Qualitäten erwiesen hat. Die Wahl des Zeichenmittels hing
aber auch von ökonomischen Erwägungen ab, so kostete
ein Pastell aufgrund des geringeren Material- und Zeitaufwandes
in der Regel weniger als ein Ölgemälde. Dies mag auch
bei diesem Unbekannter Künstler Pastellportrait einer Dame
in grünem Kleid, Z 6194 Maße 1035 mm x 625 mm Bildnis,
wahrscheinlich eine Auftragsarbeit wie die meisten Portraits,
eine Rolle gespielt haben.
Damenbildnisse aus der wilhelminischen Zeit stellen bevorzugt
Mode in den Mittelpunkt des Bildthemas. Zeitgemäße
Damenmode, das kreative Zentrum war Paris, und edle Stoffe galten
als Statussymbol des Bürgertums.
Die malerische Ausführung der Bekleidung erlaubt eine differenzierte
Bestimmung der dargestellten Textilien. Das Kleid selbst könnte
aus Seidensatin gefertigt sein, der dunkler getönte Kragen
aus Samt. Auffallend sind die voluminösen Ballonärmel,
die an den Ellbogen mit Manschetten aus Tüllspitze abschließen.
(Für die fachkundigen Hinweise Dank an Thomas Arens, Berlin)
Von der linken Schulter ausgehend umschließt das mit Satinfutter
gesteppte Cape den Rücken der Dame. Am unteren Bildrand
wird es nach vorne geführt und mit dem rechten Arm gehalten.
Hier zeigt sich auch die auf der Außenseite liegende weiße
Stickerei. Das Cape, akzentuiert durch den weichen, flauschigen
Randbesatz, umgibt die Gestalt in einem weiten Bogen, der sie
gegenüber der hellgrauen, kalten und flachen Marmorwand
im Hintergrund plastisch hervorhebt. In diesem Bereich wird besonders
deutlich, wie hervorragend der Künstler die malerische Umsetzung
von gegensätzlich fühlbaren Oberflächen beherrscht.
Nach Textvorlage von Yvonne Stoldt |