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21.4.22

Museum Œuvre Notre-Dame Strasbourg / Kunst des Mittelalters

Die Rettung eines Gemäldes von Hans Baldung Grien

(mv_str)  Am 13. August 1947 wurden bei einem Dachstuhlbrand im Straßburger Rohan-Schloss rund einhundert Gemälde aus der Sammlung des im Schloss untergebrachten städtischen Museums für bildende Kunst zerstört oder beschädigt. Die Steinigung des heiligen Stephanus, ein großes Tafelbild von Hans Baldung Grien aus dem Jahr 1522, hatte so stark gelitten, dass es seinerzeit als nicht wiederherstellbar eingestuft wurde.

Jüngste technische Fortschritte insbesondere auf dem Gebiet der Rettung von brandbeschädigten Kunstwerken eröffneten neue Perspektiven für die Restaurierung des seither im Museumsdepot aufbewahrten Gemäldes. Nach eingehenden Analysen und Befunden konnte das Werk im Labor der Museen Frankreichs (C2RMF, Versailles) restauriert werden. Das Ergebnis ist spektakulär.

Die Steinigung des heiligen Stephanus, Fotografie vor dem Brand am 13. August 1947Die Steinigung des heiligen Stephanus, Fotografie nach dem Brand von 1947, Foto: Mathieu Bertola (2019)Die Steinigung des heiligen Stephanus, 1522, mit Monogramm signiert und datiert, Öl auf marouflierter Leinwand auf Holz, 175 x 148 cm, Straßburg, Museum OEuvre Notre-Dame, Foto: Mathieu BertolaDie Steinigung des heiligen Stephanus, Fotografie vor dem Brand am 13. August 1947

Die Steinigung des heiligen Stephanus, Fotografie nach dem Brand von 1947, Foto: Mathieu Bertola (2019)

Die Steinigung des heiligen Stephanus, 1522, mit Monogramm signiert und datiert, Öl auf marouflierter Leinwand auf Holz, 175 x 148 cm, Straßburg, Museum OEuvre Notre-Dame, Foto: Mathieu Bertola

Geschichte des Gemäldes

Baldung malte das Bild 1522, vermutlich im Auftrag von Kardinal Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Magdeburg und Mainz. 1821 erwarben die Königlichen Museen zu Berlin das mit Monogramm signierte und datierte Gemälde. In die Sammlung der Straßburger Museen kam es 1896 im Zuge eines Werktauschs zwischen den beiden Museen auf Initiative des damaligen Direktors der Straßburger Museen, Wilhelm von Bode.

Hans Baldung Grien war ein herausragender Maler und Kupferstecher des deutschsprachigen Kulturraums in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die ihm gewidmete große Retrospektive in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe (2019) gab jüngst Anlass zu einer Neubewertung seines Schaffens. Der Künstler wirkte die meiste Zeit in Straßburg und ist im Museum Œuvre Notre-Dame mit fünf Gemälden mittleren Formats vertreten.

Beschreibung des Gemäldes

Im Vordergrund des Gemäldes ist zu sehen, wie der kniende Stephanus von mehreren Männern gesteinigt wird. Den Hintergrund der Szene bildet ein Renaissance-Portal, dessen Giebel ein vergoldetes Basrelief mit zwei kämpfenden Reitern ziert. Hinter dem Portal erkennt man eine Gruppe von Figuren zu Fuß und zu Pferde, darunter Kardinal Albert von Brandenburg, Erzbischof von Magdeburg und Mainz. Linkerhand trennt eine Mauer die Szene von der Vorhalle eines Palastes, in der der heilige Paulus im Gespräch mit einer weiteren Person zu sehen ist. Ein Basrelief auf der Frontseite der Mauer stellt Samson mit dem Löwen dar. In einem Rahmen daneben sind das Monogramm HBG und die Jahreszahl 1522 zu lesen. Im oberen Teil des Bauwerks lehnt sich eine Figur aus einem Fenster. Eine später hinzugefügte Inschrift in der linken unteren Ecke dokumentiert die Schenkung des Gemäldes an das Mainzer Stephans-Kapitel im Jahr 1712, auch das Wappen des Schenkers ist zu erkennen.

Der neben dem Kopf des Schimmels zu erkennende Mann mit Schnurrbart wird mitunter als Selbstporträt des Künstlers gedeutet.

Restaurierung

Hans Baldungs Gemälde wurde von 2020 bis 2022 in den Werkstätten des Zentrums für Forschung und Restaurierung der Museen Frankreichs (C2RMF) restauriert. Dabei stützte sich das fünfköpfige Team auf die Analysen und Voruntersuchungen des Werks. Die restauratorischen Maßnahmen verfolgten zwei Hauptziele: Gewährleisten einer optimalen Konservierung des Gemäldes und Wiederherstellen seiner Lesbarkeit.

Ein wichtiger Teil der Arbeit konzentrierte sich auf den Bildträger (auf Holz geklebte Leinwand), um Verformungen weitestgehend auszugleichen, die Malschicht zu festigen und das Werk durch Unterstützung des Bildträgers zu stabilisieren. Verunreinigungen wie Rußpartikel sowie Firnisse und alte Übermalungen wurden abgenommen. Der zeitaufwändige abschließende Arbeitsschritt bestand darin, Fehlstellen und Abnutzungen zu schließen und zu retuschieren.

Archivrecherchen und das Studium einschlägiger Dokumente ergaben, dass sich das Gemälde bereits vor dem Brand von 1947 in sehr schlechtem Zustand befunden hatte und schon mehrfach restauriert worden war. Dabei hatte es irreversible Schäden erlitten, die auch nach der Restaurierung noch sichtbar sind: Verformung des Bildträgers, Blasenbildung der Leinwand, dunkle Verfärbung des oberen Bildteils. Dennoch gelang es, die subtile Komposition und die malerischen Qualitäten des Werks wieder zum Vorschein zu bringen. Zu den erfreulichen Wiederentdeckungen zählen die an intensiven Gelb- und Blautönen reiche Farbpalette, transparente Firnisse, erkennbare Unterzeichnungen, meisterlich ausgeführte Details (Faltenwürfe, ausdrucksstarke Gesichter u. a.). Dank der ebenso komplexen wie spektakulären Restaurierung erstrahlt dieses wichtige Werk des Künstlers in neuem Glanz und kann nun endlich wieder von den Museumsbesucher*innen bewundert werden.

Das Restaurierungsteam:
Claudia Mosler (Auftragnehmerin), Anne-Laure Feher, Béatrice Villemin, Ève Froidevaux, Jonathan Graindorge
C2RMF: Oriane Lavit (Projektleitung), Dominique Martos-Levif, Johanna Salvant

Die Restaurierung wurde aus dem Fonds Léon Crivain sowie vom Kulturministerium unterstützt.

Museum Œuvre Notre-Dame / Kunst des Mittelalters
3, place du château, Straßburg
Geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr
Tél. +33 (0)3 68 98 51 60 
www.musees.strasbourg.eu  

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