7.9.20

Kulturerbe-Blog: Sachsen

Barock nackt, aber figurativ – Großsedlitz

Schlosspark Grosssedlitz: Blick über den Garten zum Friedrichsbau, die obere und die untere Orangerie.Großsedlitz ist heute nur noch ein Garten fast ohne Schloss. Die Anlage senkt sich über zwei breite Terrassen talabwärts, steigt an der gegenüber liegenden Seite wieder leicht an und läuft hier in einen Wald aus. Verwirrend ist zunächst, dass er nicht wie üblich streng axial ausgerichtet ist, sondern gleich drei Achsen enthält, so dass er dem Besucher mehr breit als lang erscheint. Der Garten überrascht durch seine Großzügigkeit, aber er ist leer. Alle Parterres, die zur Bauzeit (zwischen 1719 und 1723) ganz sicher mit kunstvollen Ornamenten glänzten, sind leer. Grün. Gras. Auch der Teich, der vermutlich über Kaskaden fallende Wasser aufnahm, ist kein Teich mehr. Grün. Gras.

Schlosspark Grossedlitz: Figur des Pan, die Nymphe Syrinx verfolgendAllegorie des Erdteils Afrika aus der Serie der vier Erdteile.Schlosspark Grosssedlitz: Blick über den Garten zum Friedrichsbau, die obere und die untere Orangerie.

Schlosspark Grossedlitz: Figur des Pan, die Nymphe Syrinx verfolgend

Allegorie des Erdteils Afrika aus der Serie der vier Erdteile.

Die erste Achse bietet sich dem Betrachter dar, wenn er den Garten durch die üppige Portalanlage betritt. Die große Orangerie rechts, die einstige Sammlung exotischer Gewächse, die Ruhm und Prestige des Bau- und Gartenherrn verkündete, liegt erwartungsgemäß nicht im Zentrum der Anlage, öffnet aber eine zweite Gartenachse.

Dann gibt es noch eine zweite Orangerie, eindrucksvoll an die Terrassenmauer gelehnt und ihrerseits Blickfänger für einen barock strukturierten Orangeriegarten. Die hier und in der oberen Orangerie gezogenen exotischen Zitrusgewächse sind noch heute der ganze Stolz der Gartenanlage.

Das dazu gehörende Schloss überstand das 18. Jahrhundert nur in desolatem Zustand und auch die Wiederherstellungsversuche des 19. Jahrhunderts konnte n da nichts mehr richten. Es wurde 1871 schließlich abgebrochen, auf seinem Ostflügel wurde der „Friedrichsbau“ errichtet, wo ein Café zum Besuch einlädt. Hier dann auch die dritte nach Westen ziehende Achse. Fantasie ist hier gefragt, um die ganze Anlage ins Vorstellungsvermögen zu rufen.

Was aber den Garten zu einem Erlebnis macht, ist sein Reichtum an Figuren, die den Westrand des einstigen Teichs und des nördlichen Parterres und die gerade im Prozess der Rekonstruktion befindliche Kaskade säumen. Frühling, Sommer, Herbst und Winter finden sich da, Afrika, Europa, Asien und Amerika, sowie acht Liebespaare der antiken Mythologie, darunter Meleager und Atalante und Pan und Syrinx, gewissermaßen alte Bekannte aus Schwetzingen. Apollo und Daphne erinnern sehr an Berninis berühmte Skulptur, dann finden sich noch Amor und Psyche, Bacchus und Ariadne (nie davon gehört, Schande über mein  Haupt), Ceyx und Alcyone (dito), Narcissus und Echo sowie Orpheus und Eurydice. Hier könnte man, Beredsamkeit vorausgesetzt, seine Gäste durch die schönsten Liebensgeschichten ergötzen. Die Jahreszeiten, die Erdteile und die zwei Figurenpaare der Elemente sind Arbeiten des Hofbildhauers Johann Christian Kirchner.


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