13.11.19

Schloss Heidelberg

Forschungsarbeiten zur Inklusion unterstützen die Angebote im Schloss

(ssg) Barrierefreiheit und Inklusion im historischen Monument – das ist eine komplexe Aufgabe, für die die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg für jedes Monument maßgeschneiderte Einzellösungen entwickeln. Wie universitäre Forschung diese Herausforderungen unterstützen kann, präsentierten Michael Hörrmann, Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, zusammen mit Dr. Uta Coburger, Konservatorin der Schlösser Heidelberg und Mannheim, sowie Prof. Dr. Markus Lang. Vorgestellt wurden aktuelle Forschungsarbeiten von zwei Absolventinnen der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.

Inklusion als Herausforderung
Als „zentrale Aufgabe der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg“ bezeichnete Michael Hörrmann es, „das kulturelle Erbe des Landes möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen“. Die Erschließung der historischen Monumente für Besucher mit besonderen Anforderungen ist dabei eine große Herausforderung. Michael Hörrmann erklärt: „Wir freuen uns daher über die Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, aus der so fruchtbare Forschungsarbeiten entstehen.“ Die Pädagogische Hochschule Heidelberg ist deutschlandweit eine von vier Ausbildungsstätten, die ein Vollzeitstudium der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik anbietet. „Sie ist nach Anzahl der Studierenden die größte dieser Ausbildungsstätten und damit weit über Baden-Württemberg hinaus für die qualifizierte Ausbildung von Blinden- und Sehbehindertenpädagoginnen und -pädagogen zuständig,“ erklärt Professor Markus Lang vom Institut für Sonderpädagogik. „Die Forschungsarbeiten von Marieke Wydra und Sandra Kiebler zeigen, welchen wertvollen Beitrag das Studium nicht nur für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung, sondern für eine inklusive Gesellschaft und damit für alle leistet.“ Beide Arbeiten kamen in enger Zusammenarbeit mit dem Badischen Blinden- und Sehbehindertenverein Mannheim zustande.

Die Beteiligten am Programm der inklusiven Begegnung mit dem Schloss

Neue Zugänge für Menschen mit Sehbehinderung
Marieke Wydra, Studentin der Sonderpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, untersucht in ihrer Abschlussarbeit die Zugangsmöglichkeiten für blinde und sehbehinderte Menschen im Rahmen einer Führung durch das Schloss Heidelberg. Um die Schlossführerinnen und Schlossführer im sensiblen Umgang mit blinden und sehbehinderten Menschen zu schulen, gibt ein Leitfaden konkrete Hinweise, wie diese Gäste angesprochen, wie Objekte und Entfernungen am besten beschrieben und das taktile Erleben begleitet werden.

Methodische Hilfe für Schlossführungen
So kann etwa über das Ertasten von Mauerresten die Zerstörung des Schlosses, durch das Zählen der Tore die Befestigungsanlage oder durch die Bedienung einer Weinpumpe deren Funktion verdeutlicht werden. Für das taktile Erleben des Monuments kommen von Marieke Wydra entwickelte Reliefmodelle aus einem beschichteten Spezialpapier zum Einsatz, das etwa den Lageplan des Schlosses tastbar werden lässt. Außerdem wurde das Elisabethentor als Kunststoffrelief nachgebildet. Diese Lösungen sind dabei nicht exklusiv für sehbehinderte Menschen gedacht, sondern können jede Führung bereichern. Die Tasterfahrung bringt auch für nicht sehbeeinträchtigte Menschen ungewöhnliche Erkenntnisse.

Christian Niesen und sein blindenpädagogisches Wirken
Die wissenschaftliche Abschlussarbeit von Sandra Kiebler beschäftigt sich mit Christian Niesen und der Frage, inwiefern er durch sein blindenpädagogisches Wirken den Anstoß für die Blindenbildung in Deutschland gegeben hat. Die weltweit erste Blindenschule wurde 1784 in Paris gegründet; Niesen jedoch überwand bereits in den 1770er-Jahren die damals vertretene Meinung, dass Menschen mit Blindheit nicht bildbar seien. Seine Lehrtätigkeit begann am Hof von Kurfürst Carl Theodor in Mannheim, der damals als Zentrum von Kultur, Kunst und Wissenschaften überregional berühmt war.

Niesens bahnbrechende Entwicklungen
In der Residenz des aufgeklärten Fürsten unterrichtete er äußerst erfolgreich den früh erblindeten Johann Ludwig Weißenburg (1752-1800), den Sohn eines kurfürstlichen Kammerdieners. Weißenburg wurde später als außerordentliches Mitglied in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Seine Bildung verdankt er Christian Niesen, der bahnbrechende Methoden zur Blindenschulung entwickelte und Mannheim dadurch zur Geburtsstadt des Blindenunterrichts machte. Mit der Erkenntnis, dass dem Unterricht mit Menschen mit Blindheit eine eigene Didaktik zugrunde liegen muss, geht die Entwicklung spezieller mathematischer Hilfsmittel einher, etwa einer Rechentafel, die Niesen eigens für seinen Schüler in Mannheim erstellte. Niesens Schriften über seine pädagogischen Konzepte haben die Institutionalisierung der Blindenbildung maßgeblich beeinflusst.

Inklusion als Ziel der Arbeit
Geschäftsführer Michael Hörrmann betont die große Bedeutung der Inklusion für die Arbeit der Staatlichen Schlösser und Gärten: „Die Monumente des Landes stehen allen offen – und wo es schwierig ist, da ist es unsere Aufgabe, Lösungen zu finden.“ Die Teilhabe sei ein Teil des verfassungsmäßigen Auftrages der Staatlichen Schlösser und Gärten als Institution des Landes Baden-Württemberg. Überall, wo in den vergangenen Jahren Sanierungsarbeiten der Bauverwaltung des Landes in Monumenten stattfanden, war Barrierefreiheit daher immer auch die Richtschnur für die Arbeiten. Neben Baumaßnahmen trägt auch ein ganzer Katalog von Hilfsmitteln und vor allem eine breite Palette von individuell angepassten Führungsangeboten zur Barrierefreiheit bei den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg bei.

Das Projekt findet in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Heidelberg statt.

Prof. Dr. Markus Lang
Pädagogische Hochschule Heidelberg / Institut für Sonderpädagogik
Telefon +49 6221 477-423
lang@ph-heidelberg.de

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