30.7.19

Blog: Schlösser an der Loire

Pornichet und St. Nazaire

Keine Schlösser, aber Markt, Strand und Weltkrieg

„Pornichet ist ein Badeort, der sich Dank der positiven Wirkung durch Bäder im Meerwasser vor ca.100 Jahren entwickelt hat. Aus dieser Zeit ist noch eine Vielzahl von Villen aus der Belle Epoque erhalten, die sich in die modernere Umgebung sehr gut einfügen.“ So rühmt die Reiseseite france.fr den Badeort am bretonischen Atlantik. Nun gut, Badeort am Atlantik, das heißt vor allem Strand, und davon hat Pornichet und das benachbarte La Baule mehr als genug. 7 km sind es insgesamt, und man darf davon ausgehen, dass in der Hochsaison davon 6,9 km dicht belegt sind. Der Strand ist jedenfalls angenehm breit, das Wasser flach, und auch für Unterhaltung ist gesorgt. Das Titelbild der Pornichet-Seite gibt allerdings nur die halbe Wahrheit wieder – es zeigt eine malerisch wirkende Bucht unterhalb eines felsigen Steilabfalls. Den gibt es wirklich. Diesen 500 Metern steht allerdings der Hauptstrand mit den bereits erwähnten 7 km gegenüber.

Wir waren Ende Juni da, und was sich bot, gab zu Befürchtungen Anlass. Wo auf der einen (der östlichen) Seite wirklich malerische Felsbuchten sich öffnen, steht auf der anderen (der westlichen) Seite Apartmenthaus an Apartmenthaus. Vier-, fünf-, manche wohl auch sechsstöckig. Kaum eine Wohnung bewohnt. Auf der Ostseite ein schöner Fußweg (für Radfahrer leider gar nicht geeignet) in Richtung St. Nazaire, immer am Kliff entlang, mit malerischen Ausblicken auf Felsen und Meer. Dort stehen tatsächlich Villen, jedes in einem angemessen großen Grundstück.

Pornichet mit der sich nahtlos bis La Boule hinzihenden Bebauung
Pornichet mit der sich nahtlos bis La Boule hinzihenden Bebauung

Der Fahrradweg nach St. Nazaire ist gut ausgeschildet und man fährt die meiste Strecke auf der zu dieser Jahreszeit wenig befahrenen Straße. Eigentlich ist durchgehend eine Fahrradspur am Straßenrand markiert. Entlang der Straße reiht sich (aber) Parkplatz an Parkplatz, die sind zu dieser Zeit zum größten Teil unbelegt. Auch hier also Ende Juni noch kaum Gäste, in der Hochsaison dafür aber um so mehr.

Pornichet hat um die 10.000 „angestammte“ Einwohner, in der Hochsaison sind 55.000 Menschen hier. Zwei Drittel der Wohnungen sind Zweit- und Ferienwohnungen.

Genug der Schwarzmalerei. Pornichet hat einen hinreißenden Markt, der den ganzen Marktplatz, am Samstag auch die um den Platz führenden Straßen, belegt. Wer Frankreich kennt, weiß, dass „Markt“ nicht nur der übliche Obst- und Gemüsemarkt ist. Es gibt einfach alles, bis hin zum Angebot, beschädigtes Stuhl-Flechtwerk zu reparieren. Auch die Markthalle, „les Halles“ genannt, ist in Frankreich Pflicht. Auch an den anderen Wochentagen gibt es da vormittags frischen Fisch und frische Muscheln. Man wünscht sich, für jedes einzelne Angebot das richtige Rezept zu kennen und anwenden zu können.

Sonnenuntergang am Strand von Pornichet

Die Sonnenuntergänge am Strand waren wundervoll. Nina`s Strandbar (mit stets gut besuchtem Restaurant) hat eigens dafür große Plastiksessel am Strand stehen. Strandläufer können die 7 km Strand auskosten.

Und was es noch gibt, das ist ein Souvenirgeschäft, das diese Bezeichnung nicht mehr verdient. Es ist ein Spezialmarkt für Produkte aus der Region – natürlich für die Besucher ausgewählt und präsentiert, aber eben ohne billigen Souvernirkitsch. Da gibt es außer dem (sehr) teuren Fleur de Sel auch das ungebleichte graue bretonische Salz im Kilosack. Und Marmelade, und … und … und…

Dass St. Nazaire eine bedeutende Hafenstadt an der Mündung der Loire in den Atlantik ist, wussten auch die Deutschen im 2. Weltkrieg und bauten den Hafen mit einem U-Boot-Bunker aus. Das wiederum wussten auch die Alliierten und legten Hafen und Stadt durch Luftangriffe in Schutt und Asche. Das wiederum wollten die Franzosen nach dem Krieg nicht so bleiben lassen und bauten Stadt und Hafen wieder auf. Die Deutschen, die Alliierten, die Franzosen – es sind Verallgemeinerungen, aber ich habe sie so stehen gelassen.

Seltsamerweise kennt der Autor der deutschsprachigen Wikipedia-Artikels über St. Nazaire diese Zerstörung der Stadt in den Jahren 1942 und 1943 samt dem Widerstandsnest der deutschen Armee nach der Invasion 1944 in der Normandie nicht. Der Autor der französischsprachigen Artikels kennt ihn.

Was mich hingegen mehr interessiert, ist der Name der Stadt. Er kommt von Reliquien des Heiligen Nazarius, die hierher gebracht wurden. Jetzt habe ich mit Absicht nicht „die Reliquien“ geschrieben, weil es solche ja auch, seit 765, im Kloster Lorsch gibt, das in Südwestdeutschland schlechthin als DAS Nazariuskloster gilt. Nazaruskirchen gibt es sonst nur noch in Carcassonne (San Nazaro), in Verona und Brescia (SS. Nazaro e Celso) sowie in Mailand. Man müsste da mal nachhaken, ob es in St. Nazaire eine Reliquientradition gibt. Man müsste allerdings auch nachhaken, woher der Metzer Erzbischof Rudgang tatsächlich die Nazarius-Reliquien hatte, die er nach Lorsch brachte. Sie waren wohl weniger in Rom als vielmehr in Mailand.

credits:  
siehe auch:  

Startseite | Service | zur ZUM | © Landeskunde online/ kulturer.be 2019
© Texte der Veranstalter, ohne Gewähr