4.1.18

Nachlese:

Stiftskirchen und die Reformation

"Stiftskirchen und ihre Veränderungen infolge der Reformation" ist ein Beitrag in Heft 2/2017 des Nachrichtenblatts der Denkmalpflege in Baden-Württemberg betitelt, der vor allen anhand der Stiftskirchen von Tübingen und Pforzheim Parallelen aufzeigt, die wiederum auf die Heidelberger Heiliggeistkirche übertragen werden können.

Die Tübinger Stiftskirche wurde anlässlich der Gründung der Universität in Tübingen 1477 errichtet, ihr Langhaus und ihr Chor entstanden zwischen 1470 und 1477. Der Chor diente dabei nicht nur für den Gottesdienst der Stiftsherren, sondern auch als Hörsaal für die Universität.

Ungefähr zur selben Zeit, um 1460/70, entstand der Chor der Stiftskirche in Pforzheim, und wie in Tübingen wohl im Zusammenhang mit einer geplanten Universitätsgründung. Noch war zwar Pforzheim nicht badische Residenz, aber das Stift hatte sich schon so einen Namen gemacht, dass der Humanist Johannes Reuchlin ihm seine Bibliothek vermachte.

Beide Kirchen veränderten im Zug der Reformation ihren organisatorischen Grundcharakter - die Stifte wurden aufgelöst, die Stiftschöre beider Kirchen wurden zur Grablege des hier regierenden Fürstenhauses. Um den Grablege-Chor vom Langhaus abzutrenne, wurde in beiden Kirchen ein Lettner errichtet.

Anders Heidelberg - und doch gibt es interessante Parallelen. Das Heidelberger Stift zum Heiligen Geist wurde 1398 gegründet, und hier wurde gleich zu Beginn die fürstliche Grablege errichtet. Diese wurde kontinuierlich auch über den reformatorischen Umbruch hinaus genutzt. Kirche und Universität standen ohnehin von vornherein in einem eng vernetzten Zusammenhang - noch mehr, als Kurfürst Ludwig III. 1421 nicht nur seine Bücher schenkte, sondern zugleich den Bau des Langhauses als "Bibliothekskirche" bestimmt.

Was die Grablegen betrifft, sind die Epitaphien der Württemberger Herzöge in Tübingen ebenso noch erhalten wie die der badischen Markgrafen, die hier 1535 ihre Residenz aufschlugen und die Pforzheimer Stiftskirche zur Schlosskirche machten. Die Heidelberger Grablege wurde 1693 nahezu vollständig zerstört - 45 Epitaphien zum Teil außerordentlichen Ausmaßes von MItgliedern der kurfürstlichen Familie waren hier aufgestellt. Man muss heute schon nach Meisenheim am Glan oder nach Simmern in den Hunsrück, um eine Ahnung davon zu bekommen, wie sich das Selbstbewusstsein der Pfalzgrafen manifestierte. Dort aber sind es Seitenkapellen, die die Epitaphien aufnahmen, nicht der Chor der Kirche.

Die dritte Stiftskirche, von der in den Aufsatz die Rede ist, ist die in Öhringen, in der die Grafen von Hohenlohe ebenfalls erst nach der Reformation und der damit verbundenen Auflösung des Stifts eine Familiengrablege einrichteten. Auch hier diente der Chor als Lehrsaal für das hier eingerichtete Gymnasium.

Bilder links: Tübingen, Stiftschor
unten: Pforzheim, Stiftschor


Jörg Widmaier: Wirkungsstätten der Reformation.
Nachrichtenblatt der Denkmalpflege in Baden-Württemberg 2/2017 S. 82 - 87

 

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