24.12.18

Gedanken zum Weihnachtsmann

1

Es war ein lauer Dezembertag kurz vor Weihnachten 2013. Der Schwetzinger Schlossplatz war weiträumig abgesperrt, aber nicht weil der Weihnachtsmann seinen Rentierschlitten hier landen wollte, sondern weil Coca-Cola seinen Weihnachts-Truck angekündigt hatte. Und wirklich, als die Klappe offen war, verkündete ein Schild, dass man hier "den Weihnachtsmann persönlich" treffen konnte. Mit Kamin und Foto und so.

Das erfordert einige Klarstellungen mit wissenschaftlicher Seriosität:

Den Weihnachtsmann gibt es nicht. Es gibt jahreszeitlich bedingt jede Menge Männer, die rote Mäntel anziehen, sich rote Mützen aufsetzen und das Gesicht hinter einer gewaltigen weißen Bartatrappe verstecken. Meistens verteilen sie Süßigkeiten. Offenbar hat hier die Quotenregelung noch nicht gegriffen, so dass Weihnachtsfrauen eher die Ausnahme sind.

Der Weihnachtsmann als Motiv ist eine Übertragung des katholischen Nikloaus in die protestantische Welt. Daher ist sein Mantel so rot wie der Habit der Bischöfe. Nikolaus war derjenige, der die Geschenke brachte - am 6. Dezember, an seinem Namenstag.

2

In der Sphäre, die man gemeinhin den amerikanischen Kulturkreis nennt, ist es üblich geworden, nicht zuletzt mit Hilfe einschlägiger Grusel- und Horrorfilme, den Weihnachtsmann nicht mehr mit vollem Namen "Santa Claus" zu nennen, was im Deutschen "Heiliger Nikolaus" entspräche, sondern kurz "Santa". Wollte man das ins Deutsche übertragen, müsste man ihn hier "Heili" nennen.

3

Luther setzte in Ablehnung der katholischen Traditionen an die Stelle des Nikolaus das Christkind, das fortan die Geschenke brachte. Meistens waren das Dinge, die man brauchen konnte in kalten Wintern - Strümpfe, Mäntel, Pelzkrägen.

Der Nikolaus als Wohltäter hatte in vielen Gegenden einen Begleiter bei sich, der die erzieherische Funktion übernahm - das ist der Pelznickel, der Knecht Ruprecht, oder wie immer er, landschaftlich verschieden, genannt wurde. Er hat das Sündenbuch bei sich und die Rute. Die Rute war übrigens noch einige Zeit nach Verabschiedung der Menschenrechtscharta des Europarats in Gebrauch. Knecht Ruprecht soll übrigens dem Vernehmen nach auf Bischof Ruprecht von Salzburg zurückgehen, einen Verwandten der Robertiner, die im 8. Jahrhundert am nördlichen Oberrhein das Kloster Lorsch gegründet hatten.

In manchen Gegenden Südwestdeutschlands hat sich die Tradition des Pelznickels verselbständigt, da gehen am Nikolaustag verkleidete junge Männer durchs Dorf und treiben Schabernack, der nicht von allen betroffenen jungen Frauen als Schabernack gewertet wird.

Es ist ein unhaltbares Gerücht, dass die #metoo-Bewegung ihren Ursprung in jungen Frauen hatte, die auch einmal diesen Spaß haben wollten. Junge Männer finden das aber überhaupt nicht als Spaß.

Da nun das Christkind ebenso vorrangig Wohltäter ist und die lieben Kinder - also die sozial angepassten, die ihren Eltern wenig Mühe machen - belohnt (also positiv bestärkt und zum weiteren sozial angepasst sein ermutigt), da es darüber hinaus in der klassischen Vorstellung klein, zierlich, schwach und blond (in einem Alter kurz vor Einsetzen der Pubertät) ist, braucht es einen starken Mann an seiner Seite, der die ganzen Geschenke schleppt. Das ist der Weihnachtsmann, der als Motiv nichts anderes ist als der alte Nikloaus in konfessionell übergreifender oder ungebundener Funktion.

4

Die "schwarzen" Gestalten, die Nikolaus und Christkind begleiten, haben ihren Ursprung in einem gewissen Manichäismus, in der Personifizierung der Polarität Gut / Böse - Tag / Nacht etc. Das ist Tradition, das ist in gewissem Sinn Kulturgut.

Auch die Männer (vielleicht auch mal eine Frau), die sich als "Krampus" und andere Schreckgestalten verkleiden, glauben nicht wirklich an die Existenz von Furcht einflößenden Horrorvisionen.

Man geht zunehmend dazu über, diese Traditionen auf dem Altar einer oberflächlichen politischen Korrektheit zu schlachten. In den Niederlanden darf der Swarte Piet nicht mehr ganz schwarz sein, damit man ihn nicht für einen Vertreter der entrechteten afrikanischen hochpigmentierten Ethnie hält. In Deutschland gibt es Stimmen, die es für unpassend halten, dass Knecht Ruprecht die Rute bei sich führt.

Es ist Tradition, Leute, und man kann den Kindern auch sagen, dass die Rute früher tatsächlich eine Funktion hatte.

5

Dass der Weihnachtsmann durch den Kamin kommt, scheint eine romantische Verklärung der Tatsache zu sein, dass in Amerika, der Heimat dieser Vorstellung, Kaminheizung vorherrschte. Auch Präsident Roosevelt pflegte in den 1930er Jahren die Tradition der "Kamingespräche". Deutsche Kamine sind nicht erst im Zeitalter der Edelstahleinsätze zu eng.

Das Christkind hat noch eine andere Wurzel. In mittelalterlichen Nonnenklöstern scheint dem Vernehmen nach ein ziemlicher Kult um die Krippenfigur des Jesuskinds getrieben worden zu sein. Es wurde eingekleidet und in den Arm genommen und gewiegt ("Josef, lieber Josef mein, hilf mir wiegen mein Kindelein"). Kommentare darüber sind fehl am Platz. Interessant wäre aber eine wissenschaftliche Untersuchung über den Zusammenhang zwischen dem Kult um das "süße kleine" Jesuskind und einer konfessionellen Ausrichtung bzw. einer eindeutig zu definierenden Zeitströmung.

Zum Termin: Heiligabend ist nicht Weihnachten. Heiligabend ist der Vorabend des Weihnachtstags, also der Tag vorher. Es entspricht guter protestantischer Tradition, dass es an diesem Abend ein einfaches Essen gab - Würstchen mit Kartoffelsalat z.B.

Am kurpfälzischen Hof in Heidelberg wurde Weihnachten vermutlich nach guter deutscher Manier gefeiert: Am Weihnachtstag ging man in die Stadtkirche zum Festgottesdienst und anschließend wurde getafelt. Dabei bogen sich die Bretter der Tische unter der Last des Festessens. Was übrig blieb, bekamen die Diener, was die übrig ließen, bekamen die Armen der Stadt. Und das hat auch noch gereicht. Weihnachten war ein Fest. Die deutsche Besinnlichkeit kam erst im 19. Jahrhundert auf.

Geschenke gab es in altgläubiger Zeit am 6. Dezember - praktische Sachen, warme Sachen. Später dann wohl am 1. Weihnachtsfeiertag, vielleicht frühmorgens vor dem Frühstück. Immer noch praktische Sachen, warme Sachen. Und mit Sicherheit stand ab dem späten 16. Jahrhundert in der großen Halle ein Weihnachtsbaum. Mit Äpfeln, Oblaten und Papierschleifen geschmückt.

In der orthodoxen Kirche wird Weihnachten erst am 6. Januar gefeiert. Vermutlich gibt es auch erst dann Geschenke. Entsprechend ist der Jahreswechsel am 13. Januar. Julianischer Kalender.

Und zum Schluss: Der Weihnachtsmann hat einen größeren Wortschatz als "ho ho ho".

im Detail: #WeihnachtenisteinKulturgut
#RettetWeinachtenvordenSprachpanschern
siehe auch:  

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