16.2.18

Ein Bild vom Bild – Identifizierung von Kunstwerken (nicht nur) in der Provenienzforschung

(labw) Die Fotografie wurde im Januar 1963 im Zusammenhang mit einem Rückerstattungsverfahren der Restitutionskammer des Landgerichts Freiburg übersandt. Sie zeigt Betty Weiss, geb. Hirsch, umgeben von verschiedenen Gemälden in der Kunsthandlung ihres Sohnes Robert Weiss in Baden-Baden im Jahr 1936. Der für das Verfahren bestellte Kunstsachverständige hatte mehr Informationen erbeten, um die Gemälde bewerten zu können, die Weiss bei seinem fluchtartigen Verlassen Baden-Badens 1937 seiner Tante Sophie Hirsch übereignet hatte. Sophie Hirsch wurde im Oktober 1940 deportiert; der Verbleib der Gemälde ist unklar. 1958 hatte die Erbengemeinschaft Sophie Hirsch daher Klage auf Entschädigung erhoben. Mithilfe der Fotografie konnte der Kunstsachverständige ein Gemälde als "Brustbild eines Dirndls mit Hut" von Franz von Defregger (links oben) identifizieren, das laut der Angaben von Robert Weiss um 1906 gemalt und 1932 zu einem Einkaufspreis von 3.250 Reichsmark erworben worden war. Der Gutachter bewertete es mit 3.000 DM, die in die Entschädigungssumme eingerechnet wurden.

Betty Weiss in der Kunsthandlung ihres Sohnes in Baden-Baden, 1936Obwohl Robert Weiss die Fotografie "als Erinnerung an seine Mutter nach Gebrauch unbedingt" zurückerbat, findet sie sich noch heute in der Akte und kann damit eine wertvolle Quelle für die Provenienzforschung sein. So gibt das "Bild vom Bild" nicht nur Aufschluss über das genaue Aussehen eines während des Nationalsozialismus verfolgungsbedingt verlorenen Gemäldes, sondern belegt mit dem Ort der Aufnahme auch, dass dieses im Jahr 1936 Eigentum von Robert Weiss war, wie auch die weiteren leider nur schlecht und im Ausschnitt erkennbaren Gemälde auf der Fotografie.

Betty Weiss in der Kunsthandlung ihres Sohnes in Baden-Baden, 1936.

Das Foto ist Teil der Recherchen des Projekts "Themenorientierte Erschließung von Quellen zur Provenienzforschung in Südbaden", das seit Juli 2017 im Staatsarchiv Freiburg bearbeitet wird. Dabei werden die Archivbestände nach Hinweisen auf Kunstgegenstände und Kulturgut, die während der Zeit des Nationalsozialismus entzogen, geraubt, beschlagnahmt oder zwangsveräußert wurden, durchsucht und diese systematisch erfasst. Ziel ist die Erstellung eines sachthematischen Inventars als Online-Findmittel für die Provenienzforschung.

Ein Archivale aus dem Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg F 166/3 Nr. 2912.

Projekt "Themenorientierte Erschließung von Quellen zur Provenienzforschung in Südbaden",

im Detail:  
siehe auch:  

Startseite | Service | zur ZUM | © Landeskunde online/ kulturer.be 2018
© Texte der Veranstalter, ohne Gewähr