28.12.16
Erfolgreicher Abschluss der öffentlich zugänglichen
Grabung von Olzreute-Enzisholz (Landkreis Biberach)
(rps) Kurz vor Weihnachten 2016 wurden die Arbeiten auf der öffentlich
zugänglichen Ausgrabung des Landesamtes für Denkmalpflege
im Regierungspräsidium Stuttgart in Olzreute-Enzisholz (Landkreis
Biberach) beendet. Sie fand seit Sommer 2016 parallel zur Großen
Landesausstellung „4.000 Jahre Pfahlbauten“ in Bad
Schussenried und Bad Buchau statt und war zugleich der vorläufige
Abschluss von mehrjährigen archäologischen Forschungen
im Enzisholz. Hier wurde eine fast 5.000 Jahre alte jungsteinzeitliche
Siedlung ausgegraben (2900-2897 v. Chr.), die zum UNESCO Weltkulturerbe „Prähistorische
Pfahlbauten um die Alpen“ gehört.
Zahlreiche Besucher scharen sich um den Grabungsschnitt. Foto:
W. Hohl, Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium
Stuttgart (LDA)
Bild
links: Teil einer 5.000 Jahre alten Radnabe kurz nach der Entdeckung.
Bild unten: Eine jungsteinzeitliche Geweihhacke noch in der originalen
Grabungsumgebung
Beide
Fotos: W. Hohl, (LDA)
Zu
den spannendsten Neufunden der diesjährigen Kampagne gehören
ein Achsenfragment von einem Wagen und eine Geweihhacke, beides
extrem seltene Objekte. Das Achsenfragment passt zu den bereits
vor einigen Jahren in Olzreute Enzisreut gefundenen Rädern
und einem ähnlichen Achsenstück [Bild 2]. Die Geweihhacke
wurde aus einer Sprosse gefertigt und ist vorne abgebrochen [Bild
1]. Wie auch alle anderen Funde aus organischem Material sind
sie dank des feuchten Fundmilieus hervorragend erhalten und geben
einen
direkten Einblick in das Leben der frühen Bauern am Federsee. Im Sommer konnten sich über 7500 Besucherinnen und Besucher
davon vor Ort überzeugen, bei den archäologischen Arbeiten
zuschauen und einen Blick in die Feldlabors werfen. Außerdem
wurden regelmäßig Führungen angeboten und an den
Wochenenden erläuterten Expertinnen und Experten des Landesamts
für Denkmalpflege ihre Arbeit in Spezialbereichen wie Tierknochenanalyse,
Dendrochronologie, Sedimentansprache, Analyse botanischer Makroreste
usw. Auf einer aktuellen Ausgrabung konnte so exemplarisch vermittelt
werden, wie Feuchtbodensiedlungen ausgegraben werden und welches
wissenschaftliche Potential in ihnen steckt. Die Bedeutung der
Baden-Württembergischen „Pfahlbauten“, die seit
2011 UNESCO Weltkulturerbe sind, war hautnah (an)fassbar, vom kleinsten
verkohlten Getreidesamen bis zu großen Baubefunden.
Publikumserfolg „öffentliche Grabung“
Das Konzept der „öffentlichen Grabung“ war ein
großer Erfolg und konnte Aspekte der archäologischen
Arbeit erfahrbar machen, die normalerweise für die Öffentlichkeit
nicht sichtbar sind. Über 7500 Interessierte fanden den Weg
ins versteckt liegende Enzisholz, viele davon „Wiederholungstäter“ aus
den umliegenden Regionen. Unter diesen waren nicht nur Besucher
der Landesausstellung, sondern viele, die sich mehr für den
handwerklichen Aspekt des Ausgrabens und das Alltagsleben der Pfahlbauer
interessierten. Obwohl die Funde oft unspektakulär wirken,
wollten die Besucher gerade alltägliche Objekte aus der Jungsteinzeit
wie Hüttenlehm (Reste der mit Lehm verputzten Hauswände,
von denen sonst nichts mehr erhalten war) oder kleinste Knochenreste
sehen.
Bild links: Ein jungsteinzeitlicher Holzbretterboden wird
freigelegt. Foto: W. Hohl, (LDA) Wie geht es weiter im Enzisholz?
Viele Holzelemente waren an der
Oberfläche stark ausgetrocknet,
was anzeigt, wie gefährdet diese Fundstelle durch Austrocknung
und schwankende Wasserstände ist. In trockenen Monaten liegen
bis zur Hälfte der Fundschichten über dem Moorwasserpegel,
wie während der Grabungen vielfach beobachtet werden konnte.
Die 2015 im Enzisholz eingebauten Pegel bestätigen diesen
Eindruck. Die UNESCO-Fundstelle ist dadurch einer fortschreitenden
Zerstörung ausgesetzt. Bis jetzt konnten nur weniger als fünf
Prozent der Siedlungsfläche untersucht werden. Das Landesamt
für Denkmalpflege ist verpflichtet, die Fundstelle zu schützen
und arbeitet deshalb an einem Konzept zur gezielten Wiedervernässung
ausschließlich innerhalb des engeren Siedlungsareals.
Wird es weitere öffentliche Grabungen geben?
Nach dem großen Erfolg in Olzreute-Enzisholz und bei früheren ähnlichen
Projekten werden wir die Möglichkeit weiterer Ausgrabungen
prüfen, bei denen Zuschauer Archäologie live erleben
können und die Baden-Württembergische Landesarchäologie
zeigen kann, wie sie die Quellen unserer aller Geschichte sichtbar
macht und der Nachwelt erhält.
Die Siedlungen im Enzisholz
Die Fundstelle Olzreute-Enzisholz wurde
bereits Ende der 1940er Jahre beim Torfabbau entdeckt. Bei Grabungsarbeiten
im Jahre 2009
und 2015 kamen drei große Scheibenräder, drei kleine
Modellräder und das Fragment einer Wagenachse zum Vorschein.
Zusammen mit weiteren Radfunden aus dem Federseegebiet zählen
sie zu den ältesten Nachweisen von Wagen nördlich der
Alpen.
Die Grabungen dieses Jahres bestätigen, dass im Enzisholz
nicht nur eine, sondern mindestens zwei, vielleicht sogar drei
mehrphasige Siedlungen existierten, die ein Areal von ca. 3000
qm umfassten.
Von den Häusern der jüngeren Bauphase konnten Bretterböden
angeschnitten werden, die auf mehreren Lagen von Unterzügen
aus Rundhölzern verlegt worden waren [Bild 4]. Im Bereich
der Feuerstellen wurde eine andere Unterkonstruktion gewählt
und die Brandgefahr durch Lehmlagen verringert. Über die Bauweise
der Wände und Dächer kann nichts gesagt werden, da diese
Konstruktionselemente nicht mehr vorhanden waren. Bestätigt
werden konnte, dass die Häuser in parallelen Reihen angeordnet
waren. Es zeigte sich auch, dass jeder geöffnete Schnitt eine
andere Geschichte erzählt: Wie und wie oft genau an dieser
Stelle gebaut und renoviert wurde.
Unterhalb der Bretterböden und ihrer Unterkonstruktionen
konnte nun definitiv bestätigt werden, dass dort eine ältere
Bauphase vorliegt, von der aber keine Bretterböden belegt
sind. Eventuell handelte es sich hier um abgehobene Gebäude. |