Das
Glück Württembergs
Zeichnungen und Druckgraphik europäischer Künstler des 18. Jahrhunderts
15. Mai bis 26. September 2004
Baumeister
und Künstler
Es war der Baumeister des Ludwigsburger Schlosses, Donato Giuseppe
Frisoni (1681-1735), der nicht nur Carlone, sondern auch andere
befreundete und vor allem verwandte Künstler in die Residenzstadt
holte. Darunter war sein Neffe Leopoldo Retti (1704-1751), der
in einer großformatigen Zeichnung mit der Ansicht von Schloss
Ludwigsburg 1726 einen in einigen Details so nicht ausgeführten
Entwurf Frisonis wiedergegeben hat. Ab 1744 wurde Retti erster
Architekt des Neuen Schlosses in Stuttgart. Zusammen mit dem Bildhauer
Domenico Ferretti (1702-1774) entwarf er 1747 auch die dortige
Figurenbalustrade: Die einzigartige, 3,80 m lange Zeichnung dazu
wird zum ersten Mal in einer Ausstellung zu sehen sein. Nach Leopoldo
Rettis plötzlichem Tod folgte Philippe de La Guepiere (um 1715-1773)
als Baumeister des Stuttgarter Schlosses und von Schloss Solitude.
Deutlich wird in dessen großformatigen Zeichnungen, wie sich nun
der Geschmack seiner Auftraggeber für das französische Rokoko
widerspiegelt. Besonders in den Blättern zur Innendekoration von
Schloss Solitude zeigt sich auch der Anteil von Herzog Carl an
den Entwürfen, der mehr als einmal seine Farbwünsche mit dem Zusatz
"Charles" eigenhändig vermerkt hat.
Die Ausstellung widmet sich auch dem berühmten Franzosen Nicolas
Guibal (1725- 1784), der ab 1749 am Hof des Herzogs wirkte und
vor allem durch seine Fresken zum Neuen Schloss bekannt wurde.
Unter diesen befand sich das 1758 entstandene Deckenbild Das GIück
Württembergs im Treppenhaus, das 1944 dem Bombenhagel zum Opfer
fiel. Erhalten blieb dessen Entwurfszeichnung sowie eine Detailstudie
Minerva auf Wolken thronend. Letztere galt bisher als ein Werk
von Anton Raphael Mengs, konnte jedoch nun zusammen mit einer
weiteren neuentdeckten Zeichnung überzeugend Guibal zugewiesen
werden.
Neben Guibal arbeiteten jedoch auch große deutsche Künstler in
Stuttgart, so Johann Georg Bergmüller (1688-1762) an den Entwürfen
zu den 1745 entstandenen Fresken für die Fassade des Landschaftsgebäudes
in Stuttgart oder Matthäus Günther (1705-1788) an dem 1757 datierten
Deckenfresko in der südlichen Galerie des Neuen Schlosses mit
Szenen aus der Geschichte des Aeneas, das ebenfalls 1944 zerstört
wurde: Die prachtvolle dreiteilige Entwurfszeichnung dazu hat
sich jedoch erhalten.
Das Müller-Kabinett
Die Ausstellung gibt auch einen Einblick in das Kupferstecherei-lnstitut
von Johann Gotthard Müller (1747-1830), der als einer der besten
Künstler seiner Zeit galt: Im Graphik-Kabinett des Steib-Baus
wird das "Cabinett Müller", das einst aus dem Nachlass des Künstlers
ins Königliche Kupferstichkabinett Stuttgart gelangte, zu neuem
Leben erweckt.
Die Vorlagenzeichnungen
der Ludwigsburger Porzellanmanufaktur
Die umfangreiche Entwurfstätigkeit zahlreicher Künstler für die
1758 gegründete Ludwigsburger Porzellanmanufaktur wird ebenfalls
an einigen ausgewählten Beispielen dokumentiert. Nachdem die Manufaktur
1842 geschlossen worden war, kam deren Sammlung mit 450 Zeichnungen
und zahlreichen Stichen in den Besitz des Königlichen Kupferstichkabinetts.
Die Sammlung
Nicolas Guibal
Im Katalog wird erstmals auch ein Blick auf die private Zeichnungs-
(und Druckgraphik-) Sammlung von Nicolas Guibal geworfen, deren
Katalog vor wenigen Jahren wiederentdeckt wurde. Offenbar von
Herzog Carl Eugen nach dem Tod des Künstlers 1784 komplett erworben,
ist sie - neben der Sammlung der Kupferstiche, die an der Hohen
Carlsschule unter Johann Gotthard Müller und seinen Schülern entstand,
sowie der Sammlung der Ludwigsburger Porzellanmanufaktur - der
eigentliche Grundstock des heutigen Bestandes der Graphischen
Sammlung.
In dem 1760 von Herzog Carl Eugen zum "Gallerie-Director" der
Bildergalerie in Schloss Ludwigsburg ernannten Nicolas Guibal,
der in der 1761 gegründeten "Academie des Arts" seinen Unterricht
wohl auch anhand der Blätter aus seiner eigenen Sammlung bestritt,
haben sowohl die Gemäldeabteilung als auch die Graphische Sammlung
der Staatsgalerie Stuttgart (das "Museum der Bildenden Künste"
- im doppelten Wortsinn, wie über dem Eingang der Alten Staatsgalerie
zu lesen ist) nun ihren "Urvater" gefunden.
Das erst kürzlich von der LETTER Stiftung Köln erworbene Medaillon
mit dem Porträt Guibals, vermutlich von der Hand seines Schülers
Johann Heinrich Dannecker (1758-1841), das sich als Dauerleihgabe
in der Staatsgalerie befindet, wird in der Ausstellung diesen
für das Museum so wichtigen sammlungsgeschichtlichen Aspekt abrunden.
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