Fest & Alltag

Darstellungen und Betrachtungen Schwarzwälder Lebens

Als erster Band einer neugegründeten Reihe „Schriftenreihe des Schwarzwälder Trachtenmuseums Haslach„ erschien 1999 ein kleiner Band, der sich, wie sein Titel verspricht, mit Sitte und Brauchtum zu besonderen Festen und Anlässen, aber auch mit Alltagsleben und Arbeit der Schwarzwälder Bevölkerung beschäftigt.

Der Band vereinigt in sich 13 Aufsätze, von denen sich allein drei mit der Tracht und ihrer Wiederbelebung durch Pfarrer Heinrich Hansjakob am Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigen (Manfred Hildenbrand, Alois Krafczyk, Ansgar Barth). Das regionale Brauchtum stellen ebenfalls drei Aufsätze dar – einer verschafft einen Überblick über das Brauchtum links und rechts der Kinzig (Kurt Klein), zwei stellen den Haslacher Jahrmarkt (Alois Krafczyk) und den Hammeltanz (Wulf Wagner) dar. Die bäuerliche Lebens- und Arbeitswelt wird in vier Aufsätzen thematisiert, der Bogen reicht hier von den „Schwarzwaldfotografien„ Alwin Tölles (Stefanie Schnurr) und einer Darstellung des Libdigs, des Leibgedings als Altersversorgung (Alfred Buchholz) zur vorindustriellen Arbeitsweise der "Störarbeit", bei der die Handwerker ihre Arbeit im Haus des Kunden verrichteten und gegebenenfalls dort auch übernachteten (Inge Jockers) und einer Abhandlung über Funktion und – vor allem – Restaurierungsprobleme Schwarzwälder Bauernmühlen (Ulrike Nerlinger). Der Band wird abgeschlossen durch eine kurze Geschichte der Haslacher Bürgerwehr, die 141 Jahre nach ihrem Verbot 1990 als Traditionsverein wiedergegründet wurde, und durch eine kurze Skizze des Trachtenmuseums selbst.

Das Besondere an diesem kleinen Band ist die kritische Distanz, mit der die Themen behandelt werden. Die Tracht wird hier als Produkt des nach Identität strebenden 19. Jahrhunderts gesehen, die ihre Grundlagen in dieser Zeit und ihren Problemen hat, und nicht etwa in einer von heute aus gern projizierten "heilen Welt". Schade, dass zwar eingangs des Aufsatzes  "Tracht und Zeitgeist am Beispiel der Bollenhuttracht"(Ansgar Barth) deutlich gesagt wird, dass der Bollenhut für viele "ein besonders attraktives Beispiel einer bäuerlichen Kleidung" ist, "die eine vermeintlich schöne und heile Welt repräsentiert" und als "willkommenes Foto- und Filmmotiv" dient, doch wird gerade dieser Ansatz nicht weiter verfolgt. Barths Aufsatz endet mit einer sehr kurzen Notiz über die Versuche des Nationalsozialismus, die Trachten in die "Ideologie der Volksgemeinschaft" einzubeziehen„.

Für die sozialkundliche Forschung bedeutsam sind die erwähnten drei Aufsätze über den Niederschlag der bäuerlichen Lebenswelt in den "Schwarzwaldfotografien" Alwin Tölles, der Darstellung der bäuerlichen Altersversorgung (Leibgeding) und der vorindustriellen Arbeitsweise der "Störarbeit". Hier sind tatsächliche Ansätze spürbar, im Allgemeinen gewonnene Erkenntnisse am regionalen Beispiel zu belegen. Gerade die Bilder Alwin Tölles sind von wesentlich größerer Aussagekraft als die oft gestellten Bilder Hans Retzlaffs aus der bäuerlichen Arbeitswelt.
 
Fest & Alltag. Darstellungen und Betrachtungen Schwarzwälder Lebens. Band 1 der Schriftenreihe des Schwarzwälder Trachtenmuseums Haslach. Haslach: Hansjakob-Verlag der Stadt Haslach, 1999


Zurück:
Hauptmenü - Trachten
Register - Impressum - zur ZUM
© Badische Heimat 1999/2000