Schwerpunktthema

Industrie und Technik

Es klappert die Mühle am rauschenden Bach...

Bauernmühlen im Schwarzwald

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Wer einmal eine richtige wasserbetriebene Mühle in Arbeit erlebt hat, kennt das ohrenbetäubende Getöse, wenn das Wasser über das Mühlrad rauscht, das Gestänge knarrt, der Mühlstein sich knirschend dreht. Nachzuerleben in vielen Freilichtmuseen und erhaltenen Mühlen. Von romantischem Klappern keine Spur. Was noch am ehesten klappert, aber das auch nur sehr verhalten, ist der vom Zahnkranz angestoßene Schlagstock davon jedoch später.

Von der technischen und der sozial und wirtschaftsgeschichtlichen Seite wird das Müllerhandwerk in zwei schon etwas älteren Publikationen dargestellt.

Mit einer detaillierten Untersuchung über Bauernmühlen im Schwarzwald begann 1990 das Mannheimer Landesmuseum für Technik und Arbeit noch vor seiner eigentlichen Eröffnung seine Reihe zur Industriearchäologie, die inzwischen auf 6 Titel angewachsen ist. Herbert Jüttemann untersucht darin einen Gesichtspunkt "sterbender Technik", wo mehr und mehr die Denkmalpflege eingreifen muß, um Denkmäler eines für Südwestdeutschland wichtigen Industriezweiges zu sichern, zu erhalten, oder wenigstens zu dokumentieren.

Wasserbetriebene Mühlen sind Relikte einer vergangenen Epoche der Energiegeschichte, sie werden im Zeitalter der rationell betriebenen Großmühle ("Kundenmühle") und des einfacher zu wartenden Elektromotors überflüssig. Zwischen 1880 und 1928 sank die Zahl der Bauernmühlen im Schwarzwald von 1400 auf 950, heute zählt man nur noch an die 300. Wasserbetriebene Mühlen sind aber auch Denkmäler des bäuerlichen Alltags und der bäuerlichen Arbeitswelt, die mit dieser Dokumentation ein Stück rekonstruiert werden sollen. Die äußerst genaue technische Beschreibung von Funktionsweise und Aufbau gibt über die Dokumentation hinaus auch Hilfestellung beim Restaurieren alter Mühlen.

Jüttemann geht von der Mühlengeschichte und den allgemeinen Grundlagen der Mühlentechnik aus und stellt an den einzelnen Baugruppen der Mühlen die technischen Details in ihrer verschiedenartigen Ausprägung dar, durch Tabellen ergänzt und durch Konstruktionszeichnungen und Fotos belegt. Physikalisch exakt wird der Grundsatz, daß das Mühlrad die Lage oder die Bewegungsenergie des Wassers innerhalb eines bestimmten Wirkungsgrades in mechanische Arbeit umwandelt, erarbeitet und für die verschiedenen Mühlenarten in Formeln zur Berechnung gefaßt – und die Konstruktion einer Mühle wird so zur Aufgabe, diesen Wirkungsgrad zu optimieren. Für den Laien ist dabei gerade noch verständlich, daß ein oberschlächtiges Rad die Schwerkraft des Wassers, ein unterschlächtiges aber die Stoß (Bewegungs)Energie ausnützt. Über die Bauarten der Wasserräder, ihre Konstruktion, ihre Herstellung, die technischen Details der Getriebe, die Trenneinrichtungen und viele andere Details kommt der Autor zu einer umfassenden Darstellung der industriearchäologischen Bedeutung der Wassermühlen.

Im Anhang werden Karten mit einem Verzeichnis der erfaßten Mühlen, 3 exemplarische Beschreibungen von Mühlen und ein umfassendes Literaturverzeichnis geboten. Alles in allem ein wichtiges Buch zu einem ländlich bestimmten Zweig der Industriearchäologie.

Einen anderen Weg geht Friedrich Wilhelm Weber. Er stellt für die Mühlen der Pfalz weniger die technische, dafür mehr die wirtschaftsund sozialgeschichtliche Seite in den Vordergrund. So kommt er zu einer umfassenden Darstellung der Mühlen, ihrer Geschichte und ihrer Bedeutung in der Pfalz von volkskundlichen Untersuchungen über die Namen der Mühlen und die Fachsprache der Müller, über auf Schriftquellen basierende Darstellungen der technischen Entwicklung und die Besitzverhältnisse bis zu Untersuchungen über rechtliche und soziale Zusammenhänge. Insofern richtet sich dieses Buch mehr an den interessierten Laien als die eingangs besprochene technischindustriearchäologisch orientierte Darstellung.

Einen zweiten Teil des Buches bildet eine Auflistung aller für das 18. Jahrhundert belegten Mühlen in der Pfalz sowie naturgemäß wesentlich kürzer ausfallend eine Liste der 1964 und 1976 noch bestehenden Mühlen.

Art und Anlage des Werks – Mühlen generell in der ganzen Pfalz – verbieten eine Detailforschung wie im Buch über die Schwarzwälder Bauenmühlen. Mühlen sind hier sowohl die Strommühlen am Rhein, die kleinen Hofmühlen im Pfälzer Wald, wie auch die mittlerweile nicht mehr bestehende industrielle Walzmühle in Ludwigshafen. Besonders die technische Seite ist ausführlich dargestellt, hier hätte man sich aber etwas mehr Illustration und einen durchgängigen Bezug der Abbildungen auf die im Text genannten Orte gewünscht.

Ganz nebenbei erfährt der Leser auch, was es mit dem "gebeutelt werden" auf sich hat: Der Beutel ist der engmaschige Stoffschlauch, durch den das Siebgut zur Trennung von von Mehl und Kleie läuft. Und der wird während des Mahlvorgangs durch einen Schlagstock geschlagen eben gebeutelt. Verständlich, daß man sich, arg gebeutelt, nicht sehr wohl fühlt.


Herbert Jüttemann: Bauernmühlen im Schwarzwald. Dokumentation und Restaurierung bäuerlicher Alltagstechnik. Bearbeitet von Bernhard Stier (Industriearchäologie in BadenWürttemberg. Hg. vom Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim. Band 1) Stuttgart: Theiss, 1990

Friedrich Wilhelm Weber: Die Geschichte der Mühlen und des Müllerhandwerks der Pfalz. Otterbach: Arbogast, 1978


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