Schwartz Porcelain
Die Leidenschaft für Lack und ihre Wirkung auf das europäische
Porzellan
Schloss Favorite Rastatt 29. März bis 27. Juni 2004
Die Ausstellung
"Schwartz Porcelain. Die Leidenschaft für Lack und ihre Wirkung
auf das europäische Porzellan" lautet der Titel der Ausstellung,
die am 29. März in Schloss Favorite für das Publikum eröffnet
wird. Zu den über 100 Ausstellungsstücken aus europäischen und
amerikanischen Museen und Sammlungen zählen neben asiatischen
und europäischen Porzellanen und Keramiken auch Möbel, Gemälde
und Druckerzeugnisse, vorwiegend aus dem 17. und 18. Jahrhundert.
In Schloss Favorite eröffnet die Ausstellung, nachdem sie in
Münster im Museum für Lackkunst zu sehen war, unter neuen Vorzeichen.
Während im Museum für Lackkunst die Ausstellungsstücke als Kunstgegenstände
mit hohem technischen Anspruch in einem modernen Museumsraum reflektiert
wurden, werden sie in Schloss Favorite in ihrer ursprünglichen,
historischen Umgebung, als Bestandteile der fürstlichen Sammlungen,
den Besuchern vorgestellt. Ziel ist es, die Porzellane also nicht
allein als erlesene Objekte zu zeigen, die sie ja sind, sondern
auch ihren kulturgeschichtlichen Kontext anschaulich werden zu
lassen.
Schwartz Porcelain
Das so genannte "Schwartz Porcelain", wie es im Inventar des
Japanischen Palais in Dresden im 18. Jahrhundert bezeichnet wird,
gab den Ausstellungen im Museum für Lackkunst Münster und in Schloss
Favorite den Namen. "Schwartz Porcelain" ist im eigentlichen Sinne
kein Porzellan, sondern schwarz glasiertes Steinzeug mit goldenen
oder farbigen Dekoren. Es entstand um 1710, inspiriert durch japanische
Lackarbeiten und chinesische schwarz glasierte Porzellane, als
frühes Erzeugnis der Meißener Porzellanmanufaktur.
Einen kleinen, aber sehr wertvollen Teil der berühmten, fast
dreihundert Jahre alten Porzellansammlung Sibylla Augustas, der
Gemahlin des legendären Türkenlouis, bildet das exotische "Schwartz
Porcelain" in Schloss Favorite. Die feinen Stücke waren für die
badische Markgräfin sicherlich sehr teure Kleinode. Sie stammten
aus der Porzellanmanufaktur Augusts des Starken von Sachsen, zu
dem sie eine freundschaftliche Beziehung unterhielt.Mit der Ausstellung
im Porzellanschloss sollen diese schwarzen Kostbarkeiten der Sammlung
der Markgräfin - 13 davon konnte das Land Baden-Württemberg bei
der Versteigerung der Sammlungen des Markgrafen 1995 zurückerwerben
- gewürdigt werden.
Das Projekt "Schwartz Porcelain"
Die dreizehn Stücke "Schwartz Porcelain" in der Sammlung der
Markgräfin waren Ausgangspunkt für das Ausstellungsprojekt in
Schloss Favorite. In Zusammenarbeit mit dem Museum für Lackkunst
in Münster und mit dreizehn Spezialisten aus dem In- und Ausland
untersuchten die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
den komplexen und bisher unerforschten Aspekt der europäischen
Begeisterung für schwarze Porzellane und Keramiken im 17. und
18. Jahrhundert.
Schwarzes "Porzellan" aus Meißen und anderen europäischen Manufakturen
stand ebenso wie die aus Asien importierten Lackobjekte und schwarzgrundigen
Keramiken im Mittelpunkt der Forschungen. Die Leidenschaft für
Lack wurde als immer wieder aufblitzende Modeerscheinung mit ihren
zahlreichen Facetten, die sich über eine Zeit von 200 Jahren herausbildeten,
erkennbar. Der Katalog zur Ausstellung hält die Ergebnisse der
Forschung als bleibendes Standardwerk fest.
Rundgang durch die Ausstellung "Schwartz Porcelain" in Schloss
Favorite
Die Ausstellung wird im westlichen Flügel des zweiten Obergeschosses
des Porzellanschlosses Favorite gezeigt. Sieben Räume sowie der
verbindende L-förmige Gang sind Orte der Präsentation, die sich
um den zentralen Raum mit den Objekten der Sammlung der Sibylla
Augusta gruppieren. In einem Rundgang, thematisch gegliedert,
kann man hier die Jahrhunderte währende Leidenschaft für Schwarz
[das klingt komisch, eher nach Kleidung oder Leder...] mit ihren
sehr unterschiedlichen Ausformungen und Modeerscheinungen nachempfinden.
"Eine gantz neue Arth von Porcellain" - Gang 218
Der Auftakt der Ausstellung bildet das Meißener "Schwartz Porcelain".
In vier Vitrinen werden schwarzgrundige Meißener Steinzeuge ausgestellt,
die erstmals auf der Ostermesse in Leipzig im Mai 1710 zum Verkauf
angeboten wurden.
Ein Zitat der Leipziger Zeitung von 1710 verdeutlicht, warum
dieses neuartige Produkt zu begeistern wusste. Man hat "dasselbst
eine Art dieser rothen Gefäße, welche wie die schönste japanische
Arbeith lacciret und mit Gold-, Silber- und Farben dergestalt
mit Feuer aufgetragen sind, dass es weder durch heisses Wasser
oder sonsten abgehet" ausgestellt, so der Bericht über die Messe.
Die Oberflächenqualitäten und die gelungene Imitation von japanischem
Urushi-Lacken waren es also, die das "Schwartz Porcelain" als
technische Neuerung für den Zeitgenossen interessant machten.
Zwei ganz frühe Beispiele von "Schwartz Porcelain", ein Vasenpaar
aus der Königlichen Kunstsammlung in Schweden, befinden sich in
der Ausstellung, anhand derer man noch erkennen kann, dass die
neue Glasur eine wahre technische Herausforderung darstellte.
Die Oberfläche der Vasen ist übersäht von einer Menge kleiner
Luftblasen, die beim Brennen der Glasur entstanden waren, da deren
chemische Zusammensetzung noch nicht perfekt war. Als Geschenke
des sächsischen Kurfürsten fanden die prächtigsten Beispiele der
"gantz neue(n) Arth von Porcellain" ihren Weg in die fürstlichen
Sammlungen der damaligen Zeit.
Asien zwischen Illusion und Realität - Saal 217
Der große Festsaal verbindet als Mittelpunkt des Schlosses alle
Etagen miteinander. Die hier ausgestellten Stücke spiegeln die
Asienbegeisterung als Wechselspiel zwischen Illusion und Realität.
Hier sind die berühmten Favoriter Kostümbilder zu sehen, die Markgräfin
Sibylla Augusta, ihren Gemahl, den Türkenlouis, und ihren Sohn
Ludwig Georg in verschiedensten Maskenkleidern zeigen. Nichts
kann die Begeisterung für das Exotische, Orientalische und Asiatische,
besser verdeutlichen, als diese phantasievolle Bilderserie aus
der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Zwei Vasenpaare, eins
aus Japan, eins aus China, vervollständigen die exotische Illusion.
Die aus Asien importierten kostbaren Vorbilder und die europäische
Vorstellung von Asien, die sich in der so genannten Chinoiserie,
der Chinamode, der Nachahmung dieser Vorbilder manifestierte,
bilden in der gesamten Ausstellung die beiden Pole, zwischen denen
sich die Leidenschaft für Schwarz bewegt.
Mirror-black und famille noire - Raum 207
Um 1700 entstanden in China, unter dem Einfluss des hochgeschätzten
japanischen schwarzen Urushi-Lack mit Golddekoren, kleine, mit
goldener Malerei verzierte Porzellanobjekte mit tiefschwarzer,
reflektierender Glasur: die so genannten Mirror-black Porzellane.
Diese Porzellane begeisterten die Europäer, die gerade Lack und
Porzellane als beliebte Ausstattungsstücke für ihre Inneneinrichtungen
entdeckt hatten: Große, repräsentative Porzellane, wie die Dreifachkürbisvasen
aus Schloss Charlottenburg Berlin, wurden um 1700 in China nur
für den europäischen Markt produziert. Die Verbindung von weißer
und schwarzer Glasur stellte dabei eine technische Herausforderung
dar. Um den Übergang von weißer zu schwarzer Glasur ohne störenden
Verlauf zu bewerkstelligen, stoßen die beiden unterschiedlichen
Zonen nicht direkt aufeinander, sondern sind jeweils durch ein
feines, floral gestaltetes Ornamentband voneinander getrennt.
Die elegant modellierte Form der Vase und die exotischen Dekore,
wie der brüllende Löwe, begeistern noch heute den Betrachter.
Ein weiteres Beispiel für schwarzgrundige Porzellane aus China
sind die Porzellane der famille noire. Diese meist kleinformatigen
Objekte sind nur in sehr wenigen historischen Sammlungen Europas
zu finden.
Als wär's zum Trinken von Tee - Raum 206
Mit den asiatischen Porzellanen kam ein weiteres Produkt nach
Europa, das schnell zur Modeerscheinung wurde: der Tee. Als Heißgetränk
förderte er die Begeisterung für Porzellan, da es seine Materialqualitäten
verdeutlichte. Tee ließ sich besonders gut aus dem für Temperaturen
unempfindlichen Porzellan trinken, zum einen, da es das Getränk
heiß hielt, zum anderen, da Porzellan selbst nicht warm wird und
daher fingerschonend ist. Viele erlesenen Teegerätschaften, die
noch heute die fürstlichen Sammlungen bereichern, waren jedoch
nie für den Gebrauch, sondern vor allem zur Bewunderung gedacht.
Als Schaugeräte zunächst von Liebhabern meist in ihren Kabinetten
aufgestellt, gewinnt das Teeservice um 1700 zunehmend Bedeutung
als unverzichtbares Element aristokratischer Selbstdarstellung
und Repräsentation.
Mit der Präsentation in den Prunkräumen fürstlicher Interieurs
geht die Veredlung der Gefäße mit erlesenen Materialien und anspruchsvollen
Techniken sowie deren einheitliche Gestaltung nach den aktuellsten
Ornamententwürfen einher. Ein besonderes Beispiel dafür ist das
Teeservice aus Schloss Rosenborg in Kopenhagen. Das in der Werkstatt
von Elias Adam gefertigte Teeservice mit Lackmalereien stellt
ein Non plus Ultra der Bewunderung asiatischer Lackkunst und Teegepflogenheiten
dar. Die schwarz goldenen Kostbarkeiten des Augsburger Goldschmiedes
verdienen darüber hinaus besondere Aufmerksamkeit, weil diese
Leihgabe aus Koppenhagen eines der frühesten Beispiele ist, in
dem die uns heute vertraute Form des Teeservice mit einheitlichem,
über alle Teile reichendem Dekor verwirklicht wurde. Besonders
interessant scheint zudem der Vergleich dieses erlesenen Services
mit einer Teebüchse aus der Sammlung der Markgräfin. Beide Objekte
sind dekoriert mit einer farbigen, figuralen Szene auf schwarzem
Grund, die wie von der gleichen Hand gemalt erscheint. Handelt
es sich hier um ein und denselben, vielleicht Augsburger Lackkünstler?
Sibylla Augusta's Leidenschaft für die "aufrichtige Lack und
Laßur Kunst" - Raum 205
Ein Porträt der Sibylla Augusta als kleines Mädchen in exotischer
Kleidung, dem ein dunkelhäutiger Knabe eine Tulpe reicht, ist
- wie die Kostümbilder im großen Saal - Sinnbild für die Leidenschaft
der Markgräfin für alles "Exotische". Ihre Faszination zeigt sich
hier bereits in früher Kindheit. Die Markgräfin von Baden-Baden
war schon als junge Prinzessin begeistert von exotischen Kostbarkeiten.
Im heimatlichen böhmischen Schloss Schlackenwerth gehörten asiatische
Lackarbeiten zu den Kunstsammlungen der Herzöge von Sachsen-Lauenburg
und bildeten die Grundlage ihrer lebenslangen Bewunderung für
Lack. Die von der 13-jährigen Prinzessin in einem Schrein notierten
Lackrezepte zählen zu den frühesten Zeugnissen europäischer Nachahmungsversuche.
Die in der markgräflichen Hofwerkstatt entstandenen Möbel, Teile
der Ausstattung von Favorite, und insbesondere die Böttgersteinzeuge
mit lackgleichen Glasuren zeugen von der Sammelleidenschaft der
Gemahlin des Türkenlouis.
Die experimentelle Vielfalt, in dem sich das Material Lack einmal
als Nachahmung asiatischer Vorbilder, in anderen Objekten aber
auch als europäische Neugestaltung präsentiert, spiegelt sich
in der Meißener Kaffeekanne der Markgräfin, die in der Mittelvitrine
mit einer Reihe anderer Kannen gezeigt wird. Das Dekor dieser
Kanne, die farbigen Malereien auf tiefschwarzem Grund, versucht
japanische Lackarbeiten nachzuahmen. Das Motiv ist jedoch durch
und durch europäisch: Es zeigt eine für europäische Porzellankabinette
typische Wandgestaltung mit auf Sockeln aufgestellten blau-weißen
Porzellanen.
Dass diese kleinen schwarz lackgleichen Kaffeekannen in Europa
außergewöhnliche Kostbarkeiten darstellten, bezeugt eine weitere
Meißener Kaffeekanne, die als Leihgabe der königlich dänischen
Sammlungen in Favorite ausgestellt ist. Ob die Kanne Teil einer
Geschenksendung war, die August der Starke seinem Neffen, König
Friedrich von Dänemark im Jahr 1711 schickte, ist nicht zweifelsfrei
belegt. Sicher ist jedoch, dass die in den ersten Jahren der Meißener
Maufaktur gefertigten Böttgersteinzeuge mit schwarzen Glasuren
zu den außergewöhnlichen technischen Innovationen der Zeit gehörten
und eben deshalb nur in wenigen Sammlungen, als fürstliche Geschenke,
zu finden waren.
Hochschätzung für Schwarz - "Porzellan" aus Delft - Raum 204
Schwarz sei, so in einem Utrechter Bericht aus dem Jahr 1682
über fernöstliche Wunder, in Japan eine hochgeschätzte Farbe,
die für den Hausrat von "groote boornaeme persoonen" verwendet
wird, eine "Herrenfarbe", die "größte Hochschätzung" hervorrufe.
Auch in Europa würdigte man um 1700 den schwarzen Lack. Der Nachfrage
nach exotisch anmutender Ware und der Faszination für Schwarz
sollten die schwarzgrundigen Fayencen der Delfter Manufakturen
in der Ausstellung entsprechen. In Delft, das berühmt für seine
Nachahmung ostasiatischer Porzellane war, stellte man sich dieser
technischen Herausforderung auch aus wirtschaftlichen Gründen:
Da die Delfter Manufakturen wegen des zunehmend preiswerteren
asiatischen Porzellans um 1700 vom Niedergang bedroht waren, verband
sich mit der kostenintensiven Herstellung der Fayencen im Lackstil
auch die Hoffnung auf eine Verbesserung des Absatzes. Inspiriert
durch asiatische mirror-black und famille-noir Porzellane wurde
die Herstellung einer schwarzen Glasur, aus verschiedenen Techniken
der bunt oder gelb-goldenen Dekorierung, entwickelt. Besonders
auffallend heute noch sind die phantasievollen, fremdländisch
wirkenden Chinoiserien aus der Manufaktur De Metaale Pot: beispielsweise
die eine Schriftrolle tragende Gestalt mit ausladendem Hut, die
das Dekor der Vasen des fünfteiligen Vasensatzes, einer Leihgabe
des Brüsseler Musées royaux d'art et d'Histoire, darstellt.
Japanische Lackarbeiten des 17. Jahrhunderts - Raum 203
Die japanischen Lackarbeiten hatten, als besonders kostbare Objekte,
die europäische Asienbegeisterung in großem Maße beeinflusst.
Exportlacke, die über das Handelsmonopol der Vereinigde Oost-Indische
Compgnie (VOC) vornehmlich in Amsterdam ausgeliefert wurden, entwickelten
sich im Laufe des 17. Jahrhunderts zu einem Statussymbol in Europa,
das nur den Reichen vorbehalten war. Japanische Lackarbeiten waren
sehr teuer und nicht leicht zu erhalten. Zunächst wurden sie besonders
als Möbeldekor nach Europa eingeführt, doch bald rentierte sich
der Handel mit den Luxusobjekten nicht mehr: Um 1700 gelangten
vor allem kleinere Stücke, wie Vasen und Teller, nach Europa.
Der innovative Gebrauch von Lack als wesentlicher Bestandteil
eines Interieurs geht auf die Gemahlin des holländischen Statthalters,
Amalia von Solms, zurück, die um die Mitte des 17. Jahrhunderts
in den Kabinetten ihrer Landsitze zum ersten Mal Lack und Porzellan
als Ausstattungstücke verwendete. Die Verbindung dieser beiden
asiatischen Materialien in der europäischen Raumausstattung spiegelte
sich auch sehr bald in den für Europa gefertigten Exportartikeln.
Die zwei Deckelvasen aus Pilsen zeigen bei den figürlichen Motiven
Dekorationsmuster, wie sie bisher nur bei blau-weißen Porzellanen
zu sehen waren. Auch das Lackkästchen der Markgräfin Sibylla Augusta
spiegelt die "Europäisierung" der Lackobjekte aus Japan. Das unsymmetrische
Motiv des Deckels wurde durch die Einfügung eines Vogels ins -
für das europäische Auge angenehme - Lot gebracht. Der japanische
Lackkasten wurde mit europäischem Silber-Filigran gefasst.
Chinoiserie-Dekor auf schwarzgrundigem Porzellan in Wien und
Sèvres - Raum 202
"Ich mache mir aus nichts auf der Welt was, nur was aus Indien
kommt, besonders Lackarbeiten und Tapeten machen mir Freude."
Dieses Bekenntnis der österreichischen Kaiserin Maria Theresia
aus den 50er Jahren des 18. Jahrhunderts deuten eine neue Welle
der Lackbegeisterung in Europa an, die in den 90er Jahren ihren
Höhepunkt erreichte. Ein ungleiches Paar, die Chinoiserie und
der Klassizismus, die launischen Amüsements aus Cathay und das
erhabene Ideal der Antike, halten Einzug in die Innenausstattung
herrschaftlicher Wohnsitze. In Wien und Sèvres führte das Studium
der bewunderten japanischen Lacke und die Experimente mit Vergoldungstechniken
zu einer bis dahin nicht erreichten Perfektionierung und Präzision
der Dekore. Aus Elementen japanischer und chinesischer Lacke und
Chinoiserien werden Porzellane im "Lackstil" geschaffen, die nun
- nach fast 100 Jahren Materialimitation - den Vergleich mit ihren
asiatischen Vorbildern nicht mehr scheuen müssen.
Ein Ausblick ins 19. Jahrhundert - Gang 219
Viele Rätsel betreffend ihrer Herkunft und ihres Alters gab diese
Fayencengruppe aus drei Vasen und einer Terrine des Stadtmuseums
Berlin (Schloß Friedrichsfelde) auf, die sich seit den vierziger
Jahren des 19. Jahrhunderts im Besitz des preußischen Königshauses
befand. Eine "Artemisia-Blatt"-Marke am Boden zeichnet sie scheinbar
als asiatisch aus. Ihre Formen entsprechen jedoch Delfter Fayencen
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die vergoldeten Stuckauflagen
lassen sie als barocke Werke erscheinen. Die Lackmalereien sind
in einer Technik ausgeführt, wie sie seit dem frühen 18. Jahrhundert
in Europa verbreitet war. Die ornamentalen Dekorationen vereinigen
barocke, chinoise und echte asiatische Motive. Alles Anzeichen,
dass es sich um "Nachahmungen" aus den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts
handelt, deren Funktion darin bestand, den im Zuge des Historismus
entstandenen Wunsch nach einer Raumausstattung mit barocken Flair
so "original" wie möglich nachzukommen.
Chinesische und japanische Porzellane mit Lackdekoren - Gang
219
Japanische Imari-Porzellane mit dichten "Brockatmustern" in Unterglasurblau,
Eisenrot und Gold bemalt, entsprachen in besonderem Maße dem Verlangen
nach barocker Repräsentation. Sie wurden im japanischen Keramikzentrum
Arita auf der Insel Kyûshu exklusiv für den Export nach Europa
hergestellt. Das monumentale Vasenpaar aus der Favoriter Porzellansammlung
ist ein besonderes Beispiel für diese Art von Porzellan. Gegen
Ende des 17. Jahrhunderts experimentierte man in Japan zur Steigerung
der dekorativen Wirkung mit einem besonderem Dekor, einer Kombination
von Bemalung in Kobaltblau und lackgefassten Reliefauflagen. Eine
große, tiefe Schale aus der Sammlung der Hessischen Hausstiftung,
Schloss Fasanerie, Eichenzell bei Fulda steht in der Ausstellung
für diese Mode, die Anfang des 18. Jahrhunderts in Europa besonders
positiv aufgenommen wurde. Über 60 große Deckeltöpfe und schlanke
becherförmige Vasen aus Arita mit Lackdekorationen sind noch heute
von der früheren Ausstattung des japanischen Palais in Dresden
erhalten. Es kam sogar zu europäischen Nachahmungsversuchen. So
bemalte man chinesisches blau-weißes Porzellan mit Lackmalereien,
um die Erscheinung der japanischen Imari-Porzellane nachzuahmen.
Die in der Ausstellung zu sehenden kürbisförmigen Vasen und eine
tiefe Schale aus Leeuwarden, Het Princessehof sind Beispiele solcher
Nachahmungsversuche.
Die Partner
Mit dem Projekt der Forschung zum Thema "Schwartz Porcelain"
betraten die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
Neuland. Die Finanzverwaltung des Landes hat sich für die Durchführung
der Ausstellung mit zwei bedeutenden Industrieunternehmen zusammengeschlossen:
Der BASF Coatings AG, Träger des Museum für Lackkunst in Münster,
und der DaimlerChrysler AG Werk Rastatt. Schwartz Porcelain gehörte
vor 300 Jahren mit zum Kostbarsten und Seltensten, was an den
damals fortschrittlichen Fürstenhöfen Europas zum Ausweis von
Kunstverstand, Weltläufigkeit und Repräsentation der Macht eingesetzt
wurde. Wenn heute in Schloss Favorite aus vielen europäischen
Sammlungen Schwartz Porcelain vereint werden kann, so ist dies
auch der großzügigen Unterstützung von Sponsoren aus Karlsruhe
und Mannheim, aber auch aus New York und Basel zu verdanken.
Informationen zu Führungen
Während der Ausstellung werden Rundgänge, Führungen und Sonderführungen
angeboten.