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Dilsberg: ein Verkehrsstau und abenteuerliche Pläne

Hessische Pläne zur Zerstörung der Kulturlandschaft

24000 Fahrzeuge quälen sich täglich auf der B 37 durch Neckar-steinach und verursachen vor allem in den späten Nachmittagsstun-den endlose Staus. Ein Zustand, der allen Beteiligten sehr gute Ner-ven und viel Geduld abverlangt. Eine Umgehungsstraße sollte her, die die verkehrsgeplagte Innenstadt entlasten sollte - aber wohin? Im Norden der Stadt die steilen Hänge des Odenwalds, im Süden der Neckar.

Eine Umgehungsstraße für das Neckarstädtchen wurde bereits Ende der 80er Jahre in den Bundesverkehrswegeplan mit hoher Priorität aufgenommen. Um das Problem umwelt- und landschaftsverträglich zu lösen, favorisierte die SPD in Neckarsteinach zunächst die soge-nannte Nordumgehung (August 95), die in einem langen Tunnel die Stadt umgehen und gleichzeitig die Anbindung an die Steinachtal-straße, die immerhin ein Drittel des Verkehrsaufkommens ausmacht, bringen sollte. Die Kosten für diese Lösung wurden allerdings da-mals schon auf 150 Millionen DM beziffert, während die preiswerte-re Südumgehung schon für 40 Millionen zu haben war. Aber: Die Südumgehung wäre nur zu verwirklichen, wenn der Neckar zweimal überbrückt und der Dilsberg untertunnelt würde.

Geplante Untertunnelung des Dilsbergs. Problematisch die beiden vorgesehenen Anschlusstellen im Westen des Berges.

Diese Trassenführung - sie ist das Problem, um das es heute noch geht - bedeutet, dass die B 37 zwischen Kleingemünd und Neckarsteinach, wohl im Bereich der Linkskurve, auf einer ersten Brücke über den Neckar, dann in einem Straßentunnel unter dem Dilsberg hindurch und auf einer zweiten Brücke wieder zurück über den Neckar geführt würde, wo sie im Bereich des Neckarsteinacher Gewerbegebiets wieder auf die alte B 37 münden würde.

Schon da aber lag das erste der Probleme. Die Neckarsteinacher Stadtväter hatten eine Trasse, die in einem älteren Entwurf schon für eine Umgehungsstraße freigehalten war, jetzt in das Gewerbegebiet integriert und eine Bebauung zugelassen. Dadurch müsste die vom Neckar kommende Brückenabfahrt aufgeständert werden, um über das Gewerbegebiet mit der Schiffswerft zu führen.

Diese Mehrkosten aber, so warnte der Bundesrechnunghof im Juni 1996, müsste die Stadt Neckarsteinach selbst tragen. Diese wiederum erklärte sich von vornherein dazu außerstande.

Sehr schnell signalisierte die Bundesstraßenbauverwaltung (April 97), dass eine Nordumgehung, die das vierfache der Südumgehung kosten würde, völlig außerhalb jeder Diskussion läge. Infolge dessen entschieden sich die Neckarsteinacher Stadtverordneten im Mai 1997 einstimmig für den Bau der Südumgehung, um das Projekt nicht aus dem Bundesverkehrswegeplanung herausfallen zu lassen. Ein RNZ-Bericht in diesem Zusammenhang brachte auch eine genauere Beschreibung der gedachten Trasse:

An besagter Stelle den Neckar überquerend, bevor die Straße aber im Tunnel verschwindet, ein Abzweig zum Dilsberg hoch, damit auch gleich eine Rainbach-Umgehung mitgebaut werden kann. Und auf der anderen Seite dann die Überführung über das Neckarsteinacher Gewerbegebiet, bevor die alte B 37 erreicht wird.

Drei Wochen vorher, Anfang Mai, wurde allerdings berichtet, dass die notwendige Anbindung der Straße ins Steinachtal Landessache sei und nicht den Bau der Bundesstraße beträfe.

In mehreren Meldungen in den folgenden Monaten wurde die absolute und einhellige Ablehnung von Seiten der Stadt Neckargemünd Mai 97), zu der der Dilsberg gehört, wiederholt - eine Stellungnahme, die schon 1988 angesichts der ersten Pläne geäußert wurde und der sich jetzt verschiedene baden-württembergische Politiker anschlossen. Landtagsvizepräsident Weiser nannte im Juni 97 den Plan, den Dilsberg zu untertunneln, „abenteuerlich" und machte deutlich, dass eine solche Brückenlösung nicht in Frage komme. Auch der Rhein-Neckar-Kreis lehnte später das Projekt strikt ab.

Demgegenüber betonten verschiedene hessische Politiker, dass von der Seite des Landes Hessen alles getan werde, das Projekt voranzubringen, um die unzumutbare Verkehrssituation für Neckarsteinach zu lösen. Der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Meister verwies im Juli 98 darauf, dass die Entscheidung „nicht im regionalen Raum" falle und dass auch eine ablehnende Haltung Baden-Württembergs oder Neckarsteinachs nicht das Ende der Planungen bedeute. Auch der Vorsitzende der hessischen CDU machte die Notwendigkeit der Südumgehung deutlich.

Inzwischen (RNZ vom 22.2.98) waren die geschätzten Kosten für die Südumgehung auf 60-65 Millionen, für den Nordtunnel auf 260 Millionen geklettert. Weiterhin wollte allerdings die Stadt Neckarsteinach die Mehrkosten für die Aufständerung über dem Gewerbegebiet am Neckar nicht übernehmen.

Nachdem im Juli 1998 der Neckarsteinacher Bürgerprotest wegen des schleppenden Fortgangs der Planungen laut wurde, reagierte die RNZ im August 98 mit einer Bildmontage, die die seit längeren bereits verwirklichte Umgehungsstraße von Hirschhorn (die ebenfalls zwei Neckarbrücken und einen Tunnel aufweist) auf den Westhang des Dilsbergs kopierte und so einen ersten Eindruck vermittelte. Leserzuschriften machten allerdings deutlich, dass die Montage nicht ganz korrekt ausgeführt war und die Straße so etwas zu niedlich und vor allem zu nieder geriet, da sie ja auf der Westseite über die Eisenbahnlinie geführt werden müsste. Man kennt ja solche Probleme auch von der Fotomontage, die eine putzige kleine Straßenbahn in Kirchheim zeigte.

Ein weiterer Leser verwies korrekt auf das Bundesnaturschutzgesetz, nach dem die Schönheit der Landschaft als Lebensgrundlage der Menschen zu schützen sei.

Jetzt aber kamen die Emotionen mit ins Spiel. In zwei Leserbriefen, im August 98 und im Februar 99, wurde darauf verwiesen, dass es schließlich die „badischen" Autofahrer seien, die den Stau verursachten - allerdings, so darauf zwei Neckargemünder Stimmen, würden die 8000 Fahrzeuge des Steinachtal-Verkehrs weiterhin munter durch Neckarsteinach fahren. Mehr ironisch daraufhin die Aufrechnung badischer Hessen-Fahrer mit hessischen Baden-Parkern.

Im Dezember 98 schließlich wurde auf hessischer Seite eine neue Streckenführung im Neckarsteinacher Gewerbegebiet als Kompromiss angedeutet, aber noch nicht veröffentlicht. Die Gesamtkosten wurden auf 85 Millionen beziffert. Gleichzeitig wurden Befürchtungen geäußert, in der neuen Bundesregierung könnten ökologische Besorgnisse Vorrang vor dem Straßenbau bekommen.

Wenig Neues 1999: Baden-Württembergs Landtagsvizepräsident Gerhard Weiser nannte im Januar das Vorhaben eine „Horrorplanung", und Stefan Mappus, Staatssekretä im Stuttgarter Umwelt- und Verkehrsministerium lehnte rundweg ab: „Den Tunnel wird’s nicht geben!" Stuttgart werde nichts gegen die Neckargemünder Interessen entscheiden.

Auch die regionalen Umweltverbände NABU und BUND sprachen im Februar dem Projekt jeglichen Wirklichkeitssinn ab, zumal für ein solches Großprojekt innerhalb der nächsten 30 Jahre kaum Geld vorhanden sei. Ihr Argument: Lieber in den öffentlichen Nahverkehr investieren.

Dennoch: die Neckarsteinacher fordern weiter die Verwirklichung der Umgehungsstraße - und eine Bürgerversammlung im Frühsommer soll dem Nachdruck verleihen.

Was ist nun dran an der ganzen Geschichte?

Staatssekretär Mappus betonte im Februar, es sei in Stuttgart noch nicht einmal der Ansatz für eine konkrete Planung bekannt. So lange aber seien auch Kostenschätzungen unseriös.

Dennoch: Der Plan existiert. Und es existiert auch die oft als Parallele herangezogene Untertunnelung des Bergsporns bei Hirschhorn, die in der Tat für Hirschhorn selbst eine Verkehrsentlastung und für die Autofahrer kürzere Fahrzeiten brachte.

Bereits verwirklichte Untertunnelung des Umlaufbergs bei Hirschhorn.
Der Berg ist dort steiler, die Straße kann auf niedererem Niveau in den Berg eintreten.
Nur sind dort eben die landschaftlichen, die kulturlandschaftlichen und die landschafts-historischen Verhältnisse anders. Der Berg ist steil, dicht bewaldet, der Berg steht gar nicht im Mittelpunkt von Kulturlandschaftsschutz, Fremdenverkehr und Naherholung.

Sünden der Vergangenheit aufzurechnen ist ebensowenig zulässig wie gegenwärtige Quell- und Zielgebiete verantwortlich zu machen. Woher der Verkehr kommt, wohin er fließt, kann allenfalls an Stammtischen aufgerechnet werden. Es kann also ebensowenig angehen, eine Umgehung für Neckarsteinach auf baden-württembergischem Gebiet zu fordern, nur weil baden-württembergische Fahrzeuge im Neckarsteinacher Stau stehen, wie man etwa in Mannheim an den Ampeln badischen Fahrern den Vorrang geben könnte vor hessischen. Neckarsteinach braucht eine Verkehrsentlastung, das ist sicher, und das bestreitet ernsthaft auch niemand.

Wer aber die ausufernde Planung der Straßenbauer an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend kennt, wer sieht, mit welcher „Großzügigkeit" etwa gerade heute das Naherholungsgebiet Kirchheimer Feld mit Auf- und Abfahrten, mit Brücken und Unterführungen für eine neue Bundesstraße zerstört wird, der kann nur warnend seine Stimme erheben. Eine Anschlussstelle hinter Kleingemünd (die sicher weit ins Neckarvorland hineinreichen wird, weil sie sich den Platz zwischen Berghang und Neckar mit der Bahnlinie teilen muss), eine Anschlussstelle bei Rainbach - die Landschaft wird dort nicht mehr wiederzuerkennen sein.

Die angemessene Antwort kann nur ein klares und deutliches Nein sein. Dennoch - auch die Badische Heimat wird sich kundig machen und in ihren Stellungnahmen auch weiterhin alles Für und Wider abwägen.

Eine Lösung?

Wer den Neckarsteinacher Stau kennt, weiß, dass er vor allem in den späten Nachmittagsstunden auftritt - dann, wenn täglich dieselben Fahrer (die vorher das Heidelberger Neckarufer, die Schlierbacher Landstraße und Neckargemünd passiert haben) täglich dasselbe Ziel ansteuern. Was hier fehlt, ist ein attraktiver öffentlicher Nahverkehr. Denn wer regelmäßig eine bestimmte Strecke fährt, muss in der Lage sein, diese Strecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Und zwar in kürzerer Fahrzeit als er mit dem Auto benötigt. Sonst ist der gesamte öffentliche Nahverkehr eine Farce.

Badische Heimat e.V.
Bezirksgruppe Bergstraße - Neckartal (Heidelberg)

 


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