Die Ästhetik des Krieges ?

Im Zusammenhang mit dem Ausstellungsprojekt "Der Riss im Himmel", das die Epoche des Barock und Rokoko im Rheinland an vielen Orten lebendig macht, wird in der Ausstellung des Museums Zitadelle und zahlreichen Veranstaltungen des Kulturamtes am Brückenkopf die historische Kulisse der Stadt Jülich zur eindrucksvollen Bühne für Inszenierungen einer längst vergangenen Zeit.

 

"Die Ästhetik des Krieges?" heißt der provozierende Titel der Ausstellung zum Militärwesen des 18. Jahrhunderts, die das Stadtgeschichtliche Museum Jülich vom 14. Mai bis zum 1. Oktober 2000/2003 in den Gemäuern der alten Festung Zitadelle präsentiert. Pulverkammern und Kanonenhof, Geschützplattformen und Wälle: Die authentische Militärarchitektur wird eindrucksvoll in Szene gesetzt. Die Welt des adeligen Offiziers wird der des einfachen Soldaten gegenübergestellt.

Über zwei Jahrhunderte lang prägte Militär die Stadt und das Stadtbild. So wird die Jülicher Zitadelle, ein bedeutendes und in ihrem Erhaltungszustand einmaliges Festungsbauwerk aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert, zur authentischen Kulisse für die Fragen zum Wesen und Stellenwert des Militärs.

An Militärakademien erlernten die Adeligen die Wissenschaft des Krieges. Nach mathematischen Regeln galt es Schlachtpläne, Befestigungswerke und Belagerungen zu entwerfen und durchzuführen. Die Offiziere sollten durch diese Kunst den Krieg kalkulierbar machen. Diese Berechenbarkeit war allerdings nur durch Disziplin und absoluten Gehorsam der Soldaten möglich. Sie mußten sowohl beim Marschieren, als auch beim Schießen auf Befehl absolut synchron handeln. Durch diesen Drill wurde der einfache Soldat zu einem Teil der Kriegsmaschinerie, der er willenlos ausgeliefert war. Ebenso wie die Zivilisten, die damals wie heute die eigentlichen Leidtragenden eines jeden Krieges sind. Sie durchleben mit Plünderung, Belagerung, Raub, Mord und Vergewaltigung das Elend eines Krieges.

Militär und Krieg im 18. Jahrhundert, des Jahrhunderts der glanzvollen Barock- und Rokokoinszenierungen, werden von drei Seiten beleuchtet, von der Warte des einfachen Soldaten, der in dieser Zeit zum Berufsstand avancierte, aus der Sicht des adeligen Offiziers, der die Wissenschaft vom Krieg in einer Militärakademie studierte, und aus der Perspektive des heutigen Betrachters.

Zu Beginn wird der Besucher in Welt des Soldaten geführt. Nach dem disziplinarischen Debakel des dreißigjährigen Krieges mit seinen marodierenden Söldnerhaufen wurde das Heerwesen grundlegend reformiert. Mit der Einrichtung ständig unter Waffen stehender Heere entstand der Berufsstand Soldat, dessen Alltag nicht vom Kampfeinsatz, sondern von der Ausbildung geprägt war. Neue Militärtaktiken verlangten nicht mehr nach individueller Tapferkeit sondern nach funktionierenden Gliedern einer Kriegsmaschinerie, die vom Feldherren gesteuert wurde. Durch harten Drill synchronisierte Bewegungsabläufe sollten die Schußfolge optimieren und normierte Gefechtsformationen schaffen. Drill und Disziplinierung sind darum auch Schwerpunkte der Ausstellung. Exerzierregelements, Uniformierung und Strafmaßnahmen führen die Auffassung vom Soldaten als Teil einer Maschine vor Augen.

Die Einführung der stehenden Heere veränderte auch das Stadtbild. Kasernen, Drill- und Paradeplätze wurden angelegt, strategisch wichtige Städte und Plätze entlang von Versorgungswegen wurden befestigt. Der Ausbau der Festungen wird anhand der damals kurpfälzischen Städte Jülich und Düsseldorf gezeigt. Auffallend sind die an strengen geometrischen Formen orientierten Grundrisse. Dies war keine architektonische Spielerei, von der Geometrie erhoffte man sich eine Berechenbarkeit und damit eine Beherrschbarkeit militärischer Funktionen. Geometrische Formen spiegelten sich in der Welt des Adels überall wider, nicht nur in der Kriegführung, sondern auch in Bauwerken, Gärten, Tänzen und Pferdedressuren.

Die wird vor allem im Ausstellungsteil zum Lebensumfeld des Offiziers deutlich. Der Offizier erlernte in neu eingerichteten Militärakademien die Wissenschaft vom Kriege, die damals zu den Künsten zählte. Die dort gelehrten militärischen Theorien wurden bestimmt vom Denken in geometrischen Beziehungen. Schlachtpläne, Befestigungswerke und Belagerungen wurden nach mathematisch-geometrischen Regeln entworfen und ausgeführt.

Die Erfahrungen und Schrecken des Krieges entziehen sich jedoch einer angemessenen Vermittlung. Die Ausstellung will das ästhetische Empfinden durchbrechen, das die Welt des Adels prägte und bis heute das Bild frühneuzeitlicher Kriege - mit Ausnahme der Dreißigjährigen - mitbestimmt. Historische Schlachtdarstellungen und erhaltene Festungsarchitektur üben auch heute noch eine Faszination auf den Betrachter aus, die es kritisch zu hinterfragen gilt.

Der dritte Teil durchbricht daher mit Inszenierungen zur Kriegswirklichkeit diese wissenschaftlich-nüchterne Betrachtung des Krieges. Krieg war und ist, allen Bemühungen um eine vernünftige und emotionsfreie Betrachtungsweise zum Trotz, grausam und mit Leid und Elend für die Betroffenen verbunden. Sei es der Soldat, der als willenloser Teil eines Schlachtplans auch in auswegloser Situation auszuharren hatte, seinen es Zivilisten, die durch Belagerung, Plünderung, Raub, Mord und Vergewaltigung die eigentlichen Leidtragenden von Kriegen waren und sind.

Sinnliche Eindrücke dieser Zeit vermitteln die begleitenden Veranstaltungen, die von Juni bis August 2000/2003 in der Jülicher Innenstadt und am Brückenkopf stattfinden: Straßentheater nach historischer Vorlage, Rokokofeste für Jung und Alt mit zahlreichen Präsentationen und Mitmachaktionen rund um Leben, Handwerk, Kunst und Kultur des 18. Jahrhunderts - das vielfältige Programm gibt Einblicke in die Epoche der Kurfürsten Karl Philipp und Carl Theodor von der Pfalz und Clemens August von Köln. Ein besonderes Highlight wird die Fête galante am 26. August - Erlebnisgastronomie im Rokokozelt.

Christoph Fischer, Stadtgeschichtliches Museum Jülich

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