Literatur zum Frühmittelalter

Katalog Die Franken - Wegbereiter Europas | Die Altertümer im Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin | Kontinuität im deutschen Südwesten

Zur Franken-Ausstellung erschienen:

Die Franken - Wegbereiter Europas.

Kataloghandbuch in zwei Bänden

Schwergewichtiger Kunstdruck, aber randvoll mit den neuesten Erkenntnissen zur Archäologie und Geschichte der Franken. Auf insgesamt 811 Seiten werden in zahlreichen, hervorragend bebilderten Aufsätzen die Aspekte der fränkischen Zeit beleuchtet, von grundsätzlichen Überlegungen über die "Nation" der Franken und ihre Bedeutung für die europäische Geschichte über generelle Probleme wie die Galloromanen als Nachfahren der römischen Provinzialbevölkerung und Königtum und Adel im Spiegel der Grabfunde bis hin zu archäologischen Einzeluntersuchungen wie denen über das römisch-fränkiche Köln oder das Childerichgrab in Tournai. Daran schließen sich noch einmal 300 Seiten Katalog an, wo natürlich jedes Einzelstück noch einmal verzeichnet steht. Vielleicht hätte man hier oder da noch eine Erklärung hinzufügen können - dem Berichterstatter ist nur das Elfenbeinkästchen mit Motiven aus der Wielandsage aufgefallen, das etwas stiefmüterlich behandelt wird und weder erklärt noch abgebildet wird. Den Katalog gibt es für DM 70.-- in der Ausstellung, die gebundene Buchhandelsausgabe kostet ca. 150.-

Kurze informative Texte und schöne klare Bilder bietet auch die Zeitschrift VERNISSAGE in ihrem Heft zur Ausstellung (Nr. 8/1996). DM 8.--

Schließlich muß noch der Videofilm erwähnt werden - eine Neuerung in der deutschen Ausstellungslandschaft. Er führt nicht einfach die wesentlichen Ausstellungsstücke vor, sondern zeigt darüber hinausgehend die Originalschauplätze des Geschehens - die Königsgruft von St. Denis, die Kirche St. Brice in Tournai und die Grabungen im Kölner Dom. 45 Minuten Laufzeit, sachlich und informativ gemacht. DM 39.-- an der Museumskasse.

Merowingerzeit

Die Altertümer im Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin


Das Berliner Museum für Ur- und Frühgeschichte zählt sich mit seinem umfangreichen Sammlungen auch heute noch, nach den Verlusten des 2. Weltkriegs, zu den bedeutendsten vorgeschichtlichen Sammlungen der Welt. Die Sammlung fränkischer Altertümer geht zwar bereits auf die königliche Kunstsammlung der Hohenzollern zurück, den Hauptbestand bilden jedoch große Schenkungen und Aufkäufe aus dem 19. Jahrhundert, unter ihnen zahlreiche qualitätvolle Stücke aus Nordfrankreich - so aus Hernes (Dept. Oise), Maechélepot (Dept. Somme) oder Chivres (Dept. Aisne). Sie stammen allerdings vor allem aus Privatsammlungen und enthalten keinerlei Dokumentation des Grabungszusammenhangs.

Der Band beginnt mit dieser Geschichte der Sammlungen, fährt fort mit einer kurzen historischen Charakteristik der Merowingerzeit und der frühmittelalterlichen Archäologie sowie der aus dieser Zeit überlieferten "Realien", der Sachgegenstände. Im Vordergrund steht dabei die aus den Grabfunden zu rekonstruierende Frauentracht mit ihrem – je nch sozialer Stellung – reichen Schmuck. Der flüssige und gut lesbare Text wird durhc die Verweise auf den anschließenden Tafelteil zum Schlüssel für die Einordnung der publizierten Objekte. Da sie, wie erwähnt, zum größten Teil aus Grabbeigaben bestehen, schließt sich naturgemäß ein Überblick über die Bestattungssitten im Frankenreich an. Hier lassen sich eindeutige regionale Unterschiede festmachen: In Neustrien, wo der romanische Bevölkerungsteil sehr hoch war und seinerseits Assimilierungskraft entwickelte, verschwinden die Beigaben (Waffen, Speisen, Gefäße) bereits im 6. Jahrhundert, und dem spätantiken Brauch gemäß werden die Toten in Steinsarkophagen in oder bei den Kirchen, aber nach fränkischer Tradition immer noch in voller Tracht bestattet.
In Austrien halten sich dagegen die Waffenbeigaben bis zum Ende der Reihengräberzeit und erlauben differenzierte Beobachtungen.
Der Katalogteil zeigt die wesentlichen Ausstellungsstücke in großformatigen Farbabbildungen, denen ausführliche Beschreibungen und Erklärungen beigegeben sind. Er beginnt mit den Fibeln, jenem Kleiderverschluß zwischen Sicherheitsnadel und Brosche, als dem umfangreichsten Bestand auch hiesiger Gräber, geht über andere Bestandteile des Frauenschmucks (wie z.B. einem offenbar als Amulett oder Herrschaftssymbol getragenen silbernen Schlüsselpaar) zu den Waffen (Angon – ein Wurfspeer mit Widerhaken, Streit- und Wurfäxte, Schildbuckel, Pfeil- und Lanzenspitzen).
Die Keramik der Merowingerzeit besteht vor allem aus reduzierend gebrannten Knickwandtöpfen (hellgrau bis tiefschwarz), wobei im Formenschatz durchaus auch spätantike Elemente weitergepf legt werden. Aus den Glashüten an Rhein und Maas kamen die wertvollen Gläser, meistens Sturzbecher, die nur leer sicher abgestellt werden konnten und daher ihrem Besitzer ein schnelles Austrinken abnötigten. Ausblicke auf westgotische oder bairische Schmuckstücke ergänzen das in den insgesamt 106 Farbabbildungen gebotene Bild. Insgesamt ist der Band gut geeignet, dem interessierten Laien anhand eines einzigen Sammlungsbestandes ein gutes Bild über die Vielzahl und die Charakteristik der Überreste aus der Zeit der Merowinger zu geben.

Merowingerzeit. Die Altertümer im Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin. Museum für Vor- und Frühgeschichte. Staatliche Museen zu Berlin - Preussischer Kulturbesitz. Mainz: Philipp von Zabern, 1995

Von den Römern zum Mittelalter:

Tabula rasa oder kontinuierliche Entwicklung im deutschen Südwesten?

Die Diskussion um den Übergang von der Antike zum Mittelalter war lange Zeit geprägt von Vorstellungen einer Feindschaft zwischen Römern und Germanen, wobei je nach Standpunkt dir Römer zivilisiert oder dekadent und die Germanen barbarisch oder "natürlich" waren. Der Fall des Limes um 260 n. Chr. und die Rücknahme der römischen Verteidigunglinie gegenüber den eindringenden Alemannen an den Rhein galt dabei als magische Grenze, an der die hochentwickelte römische Kultur am Oberrhein in Schutt und Asche sank. Erst mit dem Beginn der Reihengräberzeit, also der fränkischen Besiedlung am Beginn des 6. Jahrhunderts, betrat die historische Forschung wieder sicheren Boden. Auf die "Allgemeine Geschichte" besehen aber stritt sich die Forschung sehr lange und sehr intensiv, ob diese Übergangszeit eher eine Zeit der Kontinuität (wie es Alfons Dopsch 1918/20 formuliert hatte) oder eine Zeit des Bruches war - stritt sich auch darüber, wo denn nun die Grenze zwischen Antike und Mittelalter zu ziehen sei, ob nicht etwa erst die Araber im 7. Jahrhundert mit der "Teilung der Mittelmeerwelt" in einen europäischen und einen islamischen Teil der römischen Einheit ein Ende bereitet hätten (so Henri Pirenne 1936).

Für das Land am Oberrhein liegen zwei grundlegende Untersuchungen - Aufsatzsammlungen - vor, die die neuesten Ergebnisse der Archäologie und anderer "Hilfswissenschaften" in diesen Zusammenhang einbetten. Sie zeigen ein enorm differenziertes Bild, das die herkömmliche Vorstellung vom "Limessturm" in ganz entscheidenden Teilen zurechtrückt. Die Alemannen waren demnach keineswegs die wilden Barbaren, die am Oberrhein alles Römische kurz und klein schlugen und, wie die archäologische Forschung mangels Funden lange Zeit annahm, im Land umherstreiften, ohne sich auf Dauer niederzulassen und Siedlungen zu gründen. Der Limes"fall" um 260 ist weniger das Ergebnis einer alemannischen Eroberung, sondern eines inner-römischen Bürgerkriegs, in dem eine der beiden Parteien die Alemannen als Hilfstruppen zu Hilfe rief und wohl auch Siedlungsland in Aussicht stellte. Markierungspunkt von Seiten der römischen Geschichte ist hier die Gefangennahme und Tötung Kaiser Valerians 260 durch die Perser und die danach ausbrechenden Wirren um das Sonderkaisertum in Gallien.

Die Alemannen streiften nun keineswegs die folgenden anderthalb Jahrhunderte ziellos im ehemaligen Dekumatland umher. Sie ließen sich in den römischen Siedlungen, vor allem in den römischen Gutshöfen nieder (auch die römische villa rustica in Großsachen zeigt alemannische Einbauten), bebauten die römischen Äcker, handelten mit römischen Waren, bezahlten mit römischem Geld und fühlten sich wohl alles in allem als römische Föderaten, auch wenn sie sich in der Wirklichkeit kaum um den Nachbarn jenseits des Rheins kümmerten. Mit der Stabilisierung der römischen Macht um 370 begann Rom auch wieder, rechts des Rheins Fuß zu fassen. Das ist die Zeit der spätrömischen Kastelle von Alzey und Altrip, der Burgi von Ladenburg, Neckarau und vom Zullestein und der Brückenköpfe am Hochrhein. Diese Burgi dürften kaum in einem absolut feindlichen Umfeld errichtet worden, sondern auf die offene oder stillschweigende Duldung der Alemannen gestoßen sein.

Mit dem Einbruch der Burgunder um 410 ändert sich das Bild, die Römer geraten wieder in Bedrängnis und zerstören ihr eigenes Kastell Alzey, um dem Eindringling keine festen Plätze zu überantworten. Alzey wird allerdings in der nach-burgundischen Zeit um 436 wieder von den Römern befestigt.

In dieser Zeit ziehen sich die Alemannen aus den traditionellen römischen Siedlungen zurück, die römische Basis ihrer Kultur "trocknet" mehr und mehr aus, sie beginnen wieder mit einer eher "traditionellen" alemannisch-germanischen Siedlungsweise. Zu ihnen gehört der Zähringer Burgberg bei Freiburg, der um 400 als Siedlungszentrum ausgebaut wird. Auf solchen Höhenburgen konzentrieren sich auch Handwerk und Gewerbe.

Erst die fränkische Eroberung nach der für die Alemannen verlorenen Schlacht bei Tolbiacum 497 bringt dann den endgültigen Umschwung in Richtung auf die heute noch vorherrschende Siedlungsweise an den heute noch benutzten Siedlungsplätzen, zusammen mit einer von fränkischen Staat organisierten und für unseren Raum wohl vom Wormser Bistum getragenen Missionierung. Das ist die Zeit der Reihengräberfelder, die zusammen mit der Schicht der "-heim"-Orte den ältesten Horizont der fränkischen Besiedlung markiert.

Die Frage stellt sich nur, was geschah mit der ansässigen gallo-römischen Bevölkerung, mit den Neckarsueben, die zum Zeitpunkt der alemannischen Landnahme bereits 2 Jahrhunderte in der römischen Welt lebten und wohl bereits die römische Kultur angenommen hatten. Bisher war man davon ausgegangen, diese Bevölkerung sei "weggezogen", habe das Land verlassen - nur wohin? Vor allem der sprachgeschichtlichen Forschung ist es zu verdanken, daß diese romanisierte Bevölkerung nachgewiesen werden kann - um Mainz, um Altrip und Ladenburg, deren Namen die germanische Lautverschiebung p>pf nicht mitmachen, in der Vorbergzone des Schwarzwaldes, wo sich die Welschen- und Walchen-Namen häufen, und schließlich in den Tälern des Schwarzwaldes selbst, wo Flurnamen romanischen Ursprungs romanische Sprachtraditionen bis hinein in die karolingische Zeit verdeutlichen. Dann wird man aber erneut darüber diskutieren müssen, ob nicht Wallstadt und Walldorf doch Siedlungen dieser "Welschen" waren.

Den beiden vorgestellten Bänden ist diese Fragestellung, vor allem die nach den Alemannen im 3. bis 5. Jahrhundert, gemeinsam. Der Freiburger Band richtet naturgemäß sein Augenmerk mehr auf den Breisgau, der andere, der Karlsruher, mehr auf den nördlichen Oberrhein. Der Freiburger Band spannt darüber hinaus den Bogen ins Hochmittelalter, geht auf den früh- und hochmittelalterlichen Landesausbau ein, auf die Burgen des Breisgaus, auf Episkopat und Adel, auf die Grundlagen und Zentren der Königsherrschaft bis in die ottonische Zeit und schließlich auf hochmittelalterliche Probleme um Erzbergbau und Montanarchäologie und um die Frühgeschichte der Freiburger Stadtgründung. Der Karlsruher Band thematisiert die interdisziplinäre Zusammenschau, sowohl in der Einführung von Franz Staab als auch im abschließenden Kapitel von Friedrich Prinz über die interkulturelle Synthese im Frankenreich.

Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends in Südwestdeutschland. (= Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland. Hg. v. Hans-Ulrich Nuber, Karl Schmid, Heiko Steuer und Thomas Zotz. Band 1) Sigmaringen: Thorbecke, 1990 (Freiburger Band genannt)

Franz Staab (Hg.): Zur Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter am Oberrhein (= Oberrheinische Studien. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein e.V., Band 11) Sigmaringen: Thorbecke, 1994 (Karlsruher Band genannt)

Römisch-germanische Kontinuität Der sprachgeschichtliche Aufsatz von Wolfgang Kleiber referiert im Karlsruher Band nur kurz die bereits anderswo veröffentlichten Arbeitsergebnisse. Diese Arbeit enthält für die einzelnen sprachgeschichtlichen Probleme hervorragendes Kartenmaterial, zum Beispiel über voralemannische Gewässer- und Ortsnamen oder die Verbreitung der mit dem gallischen breg- gebildeten Namen. Der Rezensent konnte an einer Stelle den Namen Gütsch, aus gallisch *cucutium, *cucutsjo, über das kartierte Verbreitungsgebiet im zentralen Mittleren Schwarzwald hinaus auch in der Vorbergzone nachweisen.
Kleiber, Wolfgang/ Pfister, Max: Aspekte und Probleme der römisch-germanischen Kontinuität. Sprachkontinuität an Mosel, Mittel- und Oberrhein sowie im Schwarzwald (Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz. Kommission für Namenforschung) Stuttgart: Steiner, 1992. DM 74.-