Architektur der zwanziger und dreißiger Jahre

In einem aufwendig gearbeiteten Band stellen Stadtarchiv und der Verein Mannheimer Architektur- und Bauarchiv die städtebaulichen Leistungen zwischen den beiden Weltkriegen vor. Es ist auf der einen Seite die Zeit, in der auch die Baukultur unter demokratischem Vorzeichen steht und der Wohnungsbau neue Anstrengungen verlangt, auf der anderen Seite aber die Zeit der nationalsozialistischen „Herrschaftsarchitektur", der Abkehr vom „undeutschen" Bauen der Weimarer Republik und der Betonung der eigenständigen „Moderne".

In der Weimarer Republik steht besonders der Wohnungsbau im Vordergrund. Große Wohnblocks entstanden, deren Architektur eine bewußte Abkehr von den Schnörkeln der wilhelminischen Zeit darstellt. Es ist die Zeit der großen Woh-nungsnot, die Hand in Hand mit wirtschaftlicher und sozialer Not im Gefolge von Inflation und Wirtschaftskrise ging. „Neue Sachlichkeit" auch im Wohnungsbau war ökonomisches und ästhetisches Gebot. Im Vordergrund der Planungen standen die Erkenntisse über die hygienischen Bedingungen, stand die Forderung nach „Licht, Luft und Sonne" in den Wohnungen. In Mannheim wurden dabei zwei ver-schiedene Konzeptionen verfolgt: einmal das „Mehrfamilienhaus in Hochbauweise", das zwar den traditionellen Mietshausbau fortsetzt, sich von ihm aber „durch die Anlage einer weiten Garten- oder Freifläche anstelle des herkömmlichen Hinterhofs" unterscheidet, und dann das „Kleinhaus in Flachbauweise" mit vier bis sechs Wohnungen. Notwohnungen und Einfachwohnungen dienten vor allem dazu, schnell und kostengünstig den benö-tigten Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Typisch für den städtischen Wohnungbau der Zwanziger Jahre ist die architektoni-sche Planung ganzer Häusergruppen und geschlossener Platzanlagen, die Elemente aus dem barocken Schloßbau aufgriff und in die Sphäre des Sozialen Wohnungs-baus übertrug. Das größte Projekt dieser Art, die Wohnstadt Waldhof, wurde aller-dings nicht realisiert.

In den Dreißiger Jahren wandten sich die Nationalsozialisten vom öffentlichen Mietwohnungsbau ab und propagierten den privaten Kleinwohnungsbau, der überwiegend aus privaten Sparmitteln finanziert wurde. In dieser Zeit entstanden die Stadtteile Schönau und Blumenau, die Gartenstadt wurde erweitert, die Neu-eichwaldsiedlungen wurden gebaut.

Der Band beschreibt neben dem städtischen und genossenschaftlichen Wohnungs-bau auch den Gewerbebau und Planung und Errichtung von Kirchen und Schulen in dieser Zeit, in der Mannheim schnell über seine alten Baugrenzen hinauswuchs. Beiträge über die Neckarkanalisierung und den Bau der Reichsautobahn, die mit einer imposanten Platzanlage in die Stadt hineingeführt werden sollte, runden die Darstellung ab.

Das Werk ist hervorragend illustriert und mit Anmerkungen versehen. Allenfalls ein Register zur Erschließung der doch sehr komplexen und umfangreichen Materie wäre zu wünschen.

Architektur in Mannheim 1918 - 1939. Bearb. von Monika Ryll. Mit Beiträgen von Claudia Brandt u.a. (= Beiträge zur Mannheimer Architektur- und Baugeschichte. Bd. 2) Mannheim: Edition Quadrat, 1994


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